Kann für Betroffene lebensdrohlich seinMedikamenten-Engpässe: Diese Mittel sind aktuell kaum verfügbar

Symbolfoto. Ein Apotheken-Logo hängt an der Eingangsfassade einer Apotheke im Stadtteil St. Pauli.

Symbolfoto. Ein Apotheken-Logo hängt an der Eingangsfassade einer Apotheke im Stadtteil St. Pauli.

Apotheken und Krankenkassen klagen über drastische Lieferengpässe bei Medikamenten. Hiervon betroffen sind auch Mittel, die sonst so gut wie jeder in seiner Hausapotheke hat.

von Annabelle Cohnen (ac)

Bei etwa 300 Medikamenten kommt es aktuell allein in Deutschland zu erheblichen Lieferengpässen. In den meisten Fällen gibt es adäquaten Ersatz, doch nicht alle Medikamente können einfach ausgetauscht werden. In einzelnen Fällen kann das für Patientinnen und Patienten sogar lebensbedrohlich werden.

Die Liste der fehlenden Medikamente wird auf der Seite des Bundesamtes für Arzneimittel und Medizinprodukte immer länger. Lieferprobleme bei Medikamenten gibt es in Deutschland aber immer wieder. Vor fünf Jahren war die Liste jedoch nicht einmal halb so lang. Daher fordert der Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker Maßnahmen gegen die zunehmenden Liefer- und drohenden Versorgungsengpässe.

Medikamentenmangel in Deutschland – „Situation sehr angespannt“

Gerade im Bereich von Antibiotika, Medikamente zur onkologischen Versorgung, HIV-Mittel, aber auch bei Präparaten zur akuten Behandlung von Schlaganfallpatientinnen und -patienten sei die Lage aktuell besonders angespannt, so der Verband.

Phasenweise galten sogar Mittel als nicht mehr verfügbar, die sonst so gut wie jeder in der Hausapotheke hat. Ibuprofen war zeitweise nicht mehr erhältlich. Aber auch Mittel gegen Volkskrankheiten wie Diabetes und Bluthochdruck waren betroffen. Auch dürften einige Eltern schon mitbekommen habe, dass Fiebersäfte für Kinder aktuell Mangelware sind. 

Aber: Ein Lieferengpass ist kein Versorgungsengpass. Daher sei es wichtig, zwischen den beiden Begriffen zu unterscheiden. „Ein Lieferengpass ist eine über voraussichtlich zwei Wochen hinausgehende Unterbrechung einer Auslieferung im üblichen Umfang oder eine deutlich vermehrte Nachfrage, der nicht angemessen nachgekommen werden kann“, heißt es auf der Webseite des Bundesamtes für Arzneimittel und Medizinprodukte.

Entscheidend ist, ob Alternativpräparate zur Verfügung stünden und ob diese aktuell verfügbar seien, so das Bundesamt. Ist dies nicht der Fall, spricht man erst von einem Versorgungsengpass.

Bedrohlich ist die Situation vor allem, wenn es keine Alternativmittel gibt. Im April und Mai gab es zum Beispiel einen akuten Mangel am Brustkrebsmittel Tamoxifen. Für die Betroffenen ist das eine Horror-Nachricht und kann im Zweifelsfall lebensbedrohlich werden.

Lieferengpässe bei Medikamenten: Wirkstoffe stammen aus Fernost

Der Grund für die Knappheit ist einerseits eine Verminderung der Produktionsvielfalt in Europa. Fiebersäfte werden hierzulande nicht mehr hergestellt. Europaweit gibt es momentan nur noch einen einzigen Hersteller, der den hohen Bedarf nicht vollständig abdecken kann.

Auch gestörte Lieferketten sind ein Teil des Problems. Überwiegend werden die Wirkstoffe im asiatischen Raum hergestellt, beispielsweise in China und Indien. Aufgrund der Pandemie wurden Fabriken geschlossen und Frachter konnten nicht mehr in die Häfen einlaufen. Die Folge ist, dass Arzneimittel hierzulande in den Regalen fehlen.

Für Hans Peter Hubmann, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes gibt es nur eine Lösung: „Die Wirkstoffproduktion muss wieder in Europa stattfinden. Die Politik müsse nun dringend die Voraussetzungen schaffen. Das ginge allerdings nicht von heute auf morgen. Fünf bis zehn Jahre dauere es mindestens, solche Strukturen aufzubauen“.

Arzneimittel-Engpässe: Auf Hamsterkäufe sollte verzichtet werden

In den meisten Fällen hilft es, sich über Alternativpräparate in Apotheken oder von Ärztinnen und Ärzten beraten zu lassen. Auch bei fehlenden Alternativpräparaten sollten Sie sich eng, mit Ihrem zuständigen Arzt oder zuständigen Ärztin beraten. 

Auf Hamsterkäufe sollte aber verzichtet werden, denn durch diese besteht das Risiko, andere Patientinnen und Patienten, die diese Mittel dringend benötigen, zu gefährden. Gegen eine gut ausgestattete Hausapotheke ist aber nichts einzuwenden.