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„Überfälliger Schritt“Lidl zieht drastische Konsequenzen – Vorreiterrolle für ganze Branche

Der Discounter Lidl in Marzahn-Hellersdorf.

Der Discounter Lidl (hier eine Filiale in Marzahn-Hellersdorf) will künftig in seiner Werbung und bei der Verpackung seiner Eigenmarkenprodukte mehr Rücksicht auf die Kindergesundheit nehmen.

Kinderprodukte von den Frühstückscerealien bis zum Pausendrink sind ein Milliardengeschäft. Doch ihr oft hoher Zuckergehalt stößt auf Kritik bei Gesundheitsexperten – ebenso wie die häufig auf Kinder abzielende Werbung dafür. Discounter Lidl zieht jetzt Konsequenzen.

Vom Kinderpudding bis zum Joghurt mit Schokolinsen, vom Frühstückskakao bis zum zuckersüßen Getränk für die Schulpause: Lebensmittel für Kinder sind ein Milliardengeschäft. Doch Gesundheitsexperten ist die Zusammensetzung der Produkte oft ein Dorn im Auge. Sie klagen über zu viel Zucker, zu viel Fett und zu viel Salz in vielen der oft aufwendig beworbenen Produkte und fordern seit Jahren ein Umdenken von Handel und Industrie.

Der Discounter Lidl hat jetzt dabei eine Vorreiterrolle übernommen. Der Billiganbieter kündigte am Dienstag (10. Januar 2023) an, ab dem kommenden Geschäftsjahr, das bei Lidl am 1. März beginnt, keine auf Kinder abzielende Werbung für ungesunde Lebensmittel – etwa überzuckerte Joghurts oder Getränke, aber auch Schokolade – mehr zu machen. Ausnahmen soll es nur für Aktionsartikel zu Weihnachten, Ostern oder Halloween geben – also etwa für Schokoladen-Weihnachtsmänner oder –Osterhasen.

Lidl: Keine Werbung mehr für ungesunde Kindernahrung

„Lidl setzt damit als erster deutscher Lebensmitteleinzelhändler eine entsprechende Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) um“, teilte der Discounter mit. Doch geht das Unternehmen noch weiter. Bis Ende 2025 will Lidl außerdem nur noch solche Lebensmittel in für Kinder attraktiver Verpackung verkaufen, die die WHO-Kriterien für gesunde Nahrung erfüllen. Die Verpackungen würden Schritt für Schritt umgestellt. „Da eine Fehlernährung im Kindesalter das Risiko ernährungsbedingter Erkrankungen im Erwachsenenalter erhöht, ist die Bewerbung gesunder Lebensmittel und der Verzicht von Werbung ungesunder Lebensmittel bis zum 14. Lebensjahr zentral für die Gesundheit“, heißt es in einer Präsentation des Unternehmens.

Alles zum Thema Lidl

Das Wissenschaftsbündnis Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten lobte, Lidl gehe „deutlich über die Selbstverpflichtungen anderer Hersteller und Einzelhändler hinaus“. Die Verbraucherorganisation Foodwatch forderte die Wettbewerber auf, dem Beispiel von Lidl zu folgen. „Das ist angesichts grassierender Fehlernährung bei jungen Menschen mit zum Teil tödlichen Folgen ein wichtiger, aber auch längst überfälliger Schritt“, sagte Luise Molling von Foodwatch. Von Aldi, Rewe und Edeka war zunächst allerdings keine Stellungnahme zu erhalten.

Fakt ist: Wissenschaftliche Studien zufolge sind aktuell etwa 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland von Übergewicht und sechs Prozent sogar von starkem Übergewicht (Adipositas) betroffen. Dies kann im späteren Leben zu Krankheiten wie Typ-2-Diabetes, Gelenkproblemen, Bluthochdruck und Herzerkrankungen führen.

„Zahlreiche Produkte mit Kinderoptik zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie reichlich Zucker, Fett und Zusatzstoffe enthalten – und häufig auch deutlich teurer sind“, kritisierte erst kürzlich der Bundesverband der Verbraucherzentralen.

Markenhersteller dementieren Kinderwerbung

Dabei ist die Problematik beileibe nicht auf die Eigenmarken der Handelsketten beschränkt. Eine Untersuchung von 283 Lebensmittelprodukten führender Markenhersteller durch Foodwatch ergab 2021, dass 85,5 Prozent der gezielt für Kinder beworbenen Produkte gemessen an den WHO-Standards zu viel Zucker, Fett und/oder Salz enthielten. Das Ergebnis sei damit trotz einer Selbstverpflichtung der Industrie zur freiwilligen Zuckerreduktion kaum besser ausgefallen als im Jahr 2015. Und auch seit 2021 seien nur wenige Fortschritte zu sehen, urteilte ein Foodwatch-Sprecher am Dienstag.

Die Markenhersteller sehen das naturgemäß anders. Der Konsumgüterriese Unilever (Langnese, Knorr) betonte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, er habe bereits im April vergangenen Jahres die Vermarktung und Werbung von Lebensmitteln und Getränken an Kinder unter 16 Jahren sowohl für traditionelle Medien als auch für Social Media eingestellt. Der Lebensmittelkonzern Mondelez, bekannt unter anderem für die Marken Milka und Oreo, teilte mit, er halte sich in Deutschland bei all seinen Werbemaßnahmen an die Selbstverpflichtung, „keinerlei Werbung zu schalten, die das Ziel hat, Kinder unter 14 Jahren zu erreichen“. Auch Wettbewerber Danone betonte: „Wir unterstützen Regelungen in diese Richtung.“ Produkte wie die Fruchtzwerge „weniger süß“ hielten die Nährwert-Kriterien der WHO heute bereits ein, sagte eine Unternehmenssprecherin.

Doch überzeugt das bisherige Engagement der Branche offensichtlich längst nicht alle Kritiker. Die Bundesregierung hat das Thema inzwischen auf die Tagesordnung gesetzt. Im Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition heißt es im Kapitel Ernährung: „An Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt darf es in Zukunft bei Sendungen und Formaten für unter 14-Jährige nicht mehr geben.“ Und auch die Verbraucherschutzminister der Länder haben bereits 2022 ein Junkfood-Werbeverbot für Kinder gefordert.

Bei großen Teilen der Bevölkerung würden striktere Regeln für ungesunde Kinderprodukte wohl offene Türen einrennen. Bei einer Umfrage des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen befürworteten 83 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher Obergrenzen für Zucker, Fett und Salz bei Lebensmitteln, die sich in Aufmachung und Gestaltung an Kinder richten. (dpa)