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Trend nicht nur zum Fest„Kidults“ – wenn Große auf Kinderkram stehen

HANDOUT - Zum Aussetzten viel zu schade...und zu teuer: Der Mercedes Geländewagen kostet bei Lego rund 250 Euro. (zu dpa: «Ihren Traumwagen können Sie sich klemmen») Foto: Stefan Leitner/Photos used with permission.©2025 The LEGO Group/dpa-tmn - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit dem genannten Text und nur bei vollständiger Nennung des vorstehenden Credits - Honorarfrei nur für Bezieher des dpa-Themendienstes +++ dpa-Themendienst +++

HANDOUT - Zum Aussetzten viel zu schade...und zu teuer: Der Mercedes Geländewagen kostet bei Lego rund 250 Euro. (zu dpa: ´Ihren Traumwagen können Sie sich klemmen») Foto: Stefan Leitner/Photos used with permission.©2025 The LEGO Group/dpa-tmn - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit dem genannten Text und nur bei vollständiger Nennung des vorstehenden Credits - Honorarfrei nur für Bezieher des dpa-Themendienstes +++ dpa-Themendienst +++

Auch, aber nicht nur, zum Fest im Trend: Spielsachen für Erwachsene. Wir erklären, warum Große so oft Lust auf „Kinderkram“ haben.

Einige von uns kennen's von früher: Wenn es zu Weihnachten eine Carrera- oder Dardabahn beziehungsweise eine elektrische Eisenbahn gab, hingen zuerst meist Väter, Opas und Onkel davor. Das wird heute nicht viel anders sein – wobei das sprichwörtliche „Kind im Mann“ (oder der Frau) auch ganzjährig ausgelebt wird. „Kidult“ nennt sich das Phänomen.

Dieses putzige Kofferwort aus dem englischen Kid (Kind) und Adult (Erwachsener) bezeichnet große Kinder mit großer Lust auf kindliche Spielereien. Und so bauen, malen, kleben und spielen viele Erwachsene in ihrer Freizeit als Ausgleich zum Alltag: Lego statt Leads, Modelleisenbahn statt Memo, Brettspiele statt Bilanzen, Roboterbausatz statt Rankings.

„Spielzeug-Autos“: Tausende Teile, komplizierte Entwicklung

Klar, dass sich die Spielwarenindustrie ob der kindlichen Begeisterung ausgewachsener Werktätiger für „Kinderkram“ die Hände reibt. Insbesondere aus der Abteilung – Achtung, heißt wirklich so! – Klemmbausteine kommen zahlreiche Produkte, die Männerherzen (und die einiger Damen natürlich auch) höherschlagen lassen. Was früher mal schlicht unter Lego firmierte, steht heute generationsübergreifend auf den Weihnachtswunschlisten vieler Ü-20-Jähriger.

„Seit vor ein paar Jahren Legos entscheidende Patente ausgelaufen sind, drängen immer mehr Anbieter auf den Markt“, erklärt Axel Dammler vom Marktforscher Iconkids & Youth International Research. Und wie so oft, wenn ein Monopol fällt, profitierten die Verbraucher davon: „Die Preise sinken, die Auswahl wird größer.“

In diesem Fall insbesondere bei Autos. Die Entwicklung neuer Modelle ist dabei alles andere als kinderleicht! So zum Beispiel waren Lego-Experten zigmal bei Lamborghini und haben mit Chefdesigner Mitja Borkert eine möglichst exakte Miniatur des Hypercars Sián entwickelt. Und Milan Reindl, Senior Designer bei Lego Technic, erzählt in einem Blog über die Entstehung der Mercedes G-Klasse (etwa 2900 Teile) davon, wie schwer sich die Geländeeigenschaften des Originals ins Modell haben übertragen lassen: „Die größte Herausforderung war es, den Federweg so gut wie beim echten Auto zu gestalten. Ich glaube, dass unsere Version das Original in Bezug auf die Winkel, die der Federweg erreichen kann, sogar leicht übertrifft.“

Apropos übertreffen: Modelle aus Klemm- oder Noppenbausteinen kosten mitunter mehrere hundert Euro, haben tausende Teile und mehr Elektronik als ein handelsüblicher Rasierapparat kein Wunder also, dass diese Miniaturen auf vier Rädern von Firmen wie zum Beispiel Bluebrixx, Cobi, Cada oder Mattel Brick Shop den Rubel rollen lassen. Auch Puzzles, Metallbaukästen, Fernlenk-Autos, Modelleisenbahnen, Malen-nach-Zahlen- oder Holzbausets lassen die Kassen klingeln da sind Sammlerinnen und Sammler von Plüschtieren, Pokémonkarten oder Disneyfiguren sowie Retro-Gamer, die Klassiker wie „Super Mario “ lieben, noch gar nicht eingerechnet.

Laut Erhebung der US-Marktforscher der Npdgroup im Mai 2023 sank in Europa der Umsatz im Bereich Kinderspielzeug von 2019 bis 2022 um 200 Millionen Euro – im gleichen Zeitraum stieg er im Kidult-Bereich um eine Milliarde Euro. Aber wieso lesen gestandene Geschäftsfrauen Konstruktionspläne von Klemmbaustein-Autos oder spitzen Handwerker den Stift fürs Malen nach Zahlen? Spieleforscher Jens Junge, der u. a. das „Institut für Ludologie“ in Berlin leitet, sagt: „Die Kindheit war für viele Menschen eine schöne Zeit, an die sie gern zurückdenken. Eine solche Reise in die Vergangenheit ist eine Kraftquelle. Wenn man in Erinnerungen an damals schwelgt, kann man sich das Wohlfühlgefühl zurückholen.“

Nicht nur das Surfen auf der Retrowelle liegt momentan im Trend: Auch der Ausbruch aus der stressigen, komplexen Erwachsenenwelt hinein in die vergleichsweise übersichtliche, spielerische Welt der Kinder ist angesagt. Und so stehen auf manchen Schreibtischen (im Homeoffice sowieso) selbst zusammengebaute Modellautos. Ein Stückchen süße Ablenkung vom harten Arbeitsalltag. Und das ist alles andere als „Kinderkram“, wie Erziehungswissenschaftler Dr. Volker Mehringer von der Universität Augsburg, einer der führenden deutschen Spielzeugforscher, unlängst im Deutschlandfunk sagte: „Es gibt zunehmend Bemühungen, spielerische Momente ins Arbeitsleben einzubauen Stichwort Gamification. Weil Spielen so motivierend ist. So gewinnt beispielsweise der Begriff lebenslanges Lernen immer mehr an Bedeutung. Man muss ja flexibel bleiben, sich immer weiter fortbilden. Und grundsätzlich kann ich überall, wo gelernt wird, darüber nachdenken, ob dieses Lernen nicht auch spielerisch sein kann.“ (smo/mit dpa)