Hallo Beatrice,

ich brauche deine Hilfe.

seit 3,5 Jahren habe ich eine Freundin (Anna, 20). unsere Beziehung war wirklich toll und wir überlegten uns sogar, nächstes Jahr zusammen zu ziehen.

Vor 6 Monaten war Anna für 2 Tage ihre Tante besuchen. Als sie zurück kam, war sie ganz anders, und etwa 2 Wochen später erzählte sie mir, dass sie missbraucht worden war. Ich traute meinen Ohren nicht und war wirklich sprachlos. Durch endlose Gespräche etc. versuche ich Anna zu helfen, aber es nützt nichts. obwohl das ganze schon ein halbes Jahr her ist, leidet unsere Beziehung sehr. Ich bot ihr an, sie zu einem Psychologen zu begleiten und und und, aber sie möchte nicht.

Mich belastet das sehr und ich kann nicht ewig so weiter machen. Ich liebe sie, keine frage, aber sie geht absolut keinen Kompromiss ein und lässt sich nicht helfen. Manchmal ist sie super drauf und wir näheren uns wieder an, aber sobald ich ihr zu nahe komme, zieht sie sich zurück, wird sauer usw. Manchmal reagiert sie schon böse, wenn ich ihr nur sage, dass ich sie liebe und brauche.

Was kann ich machen? Ich kann sie ja nicht zu einer Therapie zwingen.

Das Problem ist nicht unbedingt, dass sexuell nichts mehr läuft, sondern auch ihr Verhalten (oftmals schlecht drauf und abweisend). Ach ja, zur Polizei konnte ich sie immerhin schleppen...

Ich hasse diesen Mann, der ihr das angetan hat. Wie lange dauert ein Trauma von missbrauchten Frauen? Kann man das sagen oder ist dies ganz unterschiedlich? Ich mach mir solche Sorgen um sie.

Liebe Grüße, Oliver (23)

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Lieber Oliver,

ich kann gut verstehen, dass dich das Ganze sehr belastet und irritiert.

Jetzt hätte ich noch ein paar Fragen an dich:

1) Was genau war das für ein Missbrauch?

2) Hat sie Anzeige erstattet? Wenn ja, was geschah mit dem Täter?

3) Welche Symptome zeigt sie genau? Auch Depressionen?

4) Beschreibe mir bitte das "Vorher-Nachher", was eure körperliche Beziehung betrifft (Zärtlichkeit, Sex usw.).

5) Meinst du, sie wäre wenigstens bereit, mir zu schreiben?

Liebe Grüße

Beatrice

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Hallo Beatrice,

zu deinen Fragen...

1) Also über den Missbrauch redet sie nicht viel, aber so wie ich es mitbekommen habe, wollte das Schwein, dass sie ihn berührt, ihm einen bläst und danach hat er ihr seine Finger eingeführt. Sie meinte, sie hätte dabei geweint und hatte Schmerzen. Außerdem musste sie ganz nackt vor ihm sein und er hat ihr die Brüste geleckt. Mit seinem Penis ist er wohl nicht in sie eingedrungen, wobei das andere schrecklich genug ist.

2) Ja sie hat Anzeige erstattet. Es wurde sogar ein Phantombild gemacht, jedoch bis jetzt ohne Ergebnis. Ich konnte sie zur Polizei schleppen.

3) Symptome... nun ja. Es ist nicht so, dass sie nicht mehr lacht, aber es kommt vor, dass sie (egal ob wir zu zweit oder mit anderen weg sind) plötzlich sehr traurig wird und abwesend wirkt. Außerdem reagiert sie auf manche Gerüche aggressiv. Einmal braucht sie meine Nähe, ein anderes mal ist sie kalt zu mir, und es kam auch schon vor, dass sie mich weggeschickt hat. Depressionen? Ich schätze ja, manchmal. Wenn ich unverhofft zu ihr komme, ist sie oft allein im Zimmer und immer wieder kommt´s vor, dass sie sehr verweint aussieht.

4) Also zu der Vorher-Nachher-Frage: Vor dem Erlebnis, Anfang des Jahres hatten wir etwa 2 -3 mal pro Woche Sex. Zärtlichkeiten tauschten wir fast jeden Tag aus..ich zähle dazu auch Küsse, Massieren etc. Wir waren uns sehr vertraut und wir haben einiges ausprobiert. Tja, nach dem Erlebnis lief erst Mal gar nichts, Küsse nur ganz kurz. Das konnte ich verstehen, war ja auch sehr geschockt und wollte gar keinen Sex.

Naja, aber jetzt mittlerweile vermisse ich Zärtlichkeiten und auch Sex. Wenn wir beieinander schlafen, streichel ich sie manchmal...ganz vorsichtig... ich sage auch immer wieder dabei, dass ich sie liebe. Sobald ich ihr an die Brust fassen will, zuckt sie zurück. Ab und an gelingt es mir, dass sie sich soweit entspannt und das zulässt. Mit meinem Mund darf ich aber nicht dran. unterhalb des Bauchnabels mag sie meine Berührungen eigentlich nicht haben. Einmal waren wir soweit, ich streichelte sie ewig lange. Bauch, Innenschenkel, einfach alles. Irgendwann versuchte ich dann mit meinem finger einzudringen (ja, ich hatte wirklich das verlangen danach und sie wirkte relativ entspannt) aber das funktionierte eigentlich nicht. Ich nahm nur einen Finger, aber sie war viel zu eng. Ich habe 1-2 Versuche gestartet und als es nicht ging, hörte ich auf. Sie gab mir auch das Zeichen, dass sie es nicht wollte. Mehr läuft nicht und der Versuch mit dem Fingern ist nun auch schon etwas her. Weißt du, ich vermisse eben ihre Nähe, das gehört ja irgendwie dazu.

5) Ich habe mit Anna geredet. Ich sagte ihr, dass ich dir geschrieben habe. Sie meinte, sie wäre bereit sich zu melden. Ich sagte ihr aber nicht, dass es in unserem Gespräch auch um Sex geht. Ich bitte dich, mir trotzdem zu antworten auch wenn Anna dir schreibt. Soll sie dir einfach mailen?

Danke für deine Bemühungen!

Oliver

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Lieber Oliver,

deine arme Freundin hat wirklich etwas Schreckliches hinter sich. Obwohl es nicht zum Koitus kam, war das tatsächlich eine Vergewaltigung. Vielleicht würde eine Frau sogar mit einem reinen Koitus besser fertig werden als das, was ihr angetan wurde. Aber bitte versuch nicht noch weiter, sie zum Sprechen zu bewegen. Entweder sie erzählt alles aus freien Stücken, oder eben nicht. Das Sprechen darüber hilft ihr nicht unbedingt, kann auch im Gegenteil alles wieder aufbrechen lassen.

Es erfordert Zeit und Geduld, damit fertigzuwerden.

Ich habe ihr ein paar Empfehlungen und Tipps gegeben und hoffe, dass ihr das hilft.

Sie hat es erlebt, als reines Sexobjekt missbraucht zu werden, sie hat ihr Urvertrauen in Männer verloren, und jedes Mal, wenn sie sich beim Sex fallen lässt, kommen in ihrem Unterbewusstsein Ängste und Panik und schreckliche Bilder von der Vergewaltigung auf. Da ist auch die Angst, dass die Dinge wieder außer Kontrolle geraten und ihr weh getan wird. Leider kann man das nicht bewusst steuern oder unterdrücken, es passiert einfach. Ich hoffe, sie nimmt eine der Beratungen in Anspruch, die ich ihr empfohlen habe, denn dort wird man ihr helfen, Abstand zu dem Geschehen zu gewinnen. Aber der Impuls dazu muss allein von ihr kommen.

Meine Bitte an dich: Verzichte in nächster Zeit auf alle intimeren Berührungen. Sei sehr lieb zu deiner Freundin, aber halte die Zärtlichkeiten total harmlos. Überlass die Initiative zu intimeren Sachen ganz ihr und warte ab, ob etwas kommt. Wahrscheinlich fühlt sie sich wohler und sicherer, wenn sie die komplette Kontrolle über alles hat, was in Richtung Sex geht.

Dränge sie zu nichts, bequatsch sie nicht in der Richtung - sie selbst wird instinktiv wissen, was ihr gut tut, wenn du sie lässt und sie darin bestärkst.

Alles Gute