Kulturhauptstadt im Doppel besuchen: Gorizia (Italien) und Nova Gorica (Slowenien) auf einen Streich. Wir haben Tipps von Essen bis Kultur.
Geschichte & GenießenBesuch in Europas letzter geteilter Stadt

Copyright: Marie Schäfers
Das Kloster Kostanjevica (italienisch Castagnavizza) mit der Kirche Mariä Verkündigung liegt auf einem 143 Meter hohen Felsen über Nova Gorica in Slowenien.
Aktualisiert
Kulturhauptstadt Europas ist dieses Jahr Chemnitz. Klar. Aber es gibt noch eine weitere. Sogar zwei. Denn mit Nova Gorica (Slowenien) und Gorizia (Italien) hat ein Duo diesen Titel 2025 inne, das wahrlich auch einen Besuch wert ist.
Weil es die letzte geteilte Stadt Europas war. Weil es in den großen Kriegen des Kontinents an der Front lag. Weil sich die Bewohner beider Städte nie so recht auseinanderdividieren ließen, selbst als sich der Eiserne Vorhang senkte. Und weil hier Europa so lebendig (und augenscheinlich wichtig) ist, dass es einen an jeder Ecke rührt. In diesem Städte-Duo wird man alle paar Minuten zum buchstäblichen Grenzgänger. Denn was heute zwei Städte sind, war früher mal eine.
Bloß nicht verpassen! Der angesagte Foto-Hotspot
- Kleiner Geschichts-Exkurs: Im Mittelalter war die Stadt Sitz der Grafen von Görz, dann ging sie an die Habsburger Monarchie, später kurz an Frankreich, dann wieder nach Österreich. Nach dem Ersten Weltkrieg kam Görz (was seit jeher dreisprachig – Italienisch, Deutsch und Slowenisch – ist) zu Italien, im Zweiten Weltkrieg beanspruchte Jugoslawiens Tito die Stadt für sich, 1947 wurde sie von den Siegermächten hart geteilt. Metallzäune, Stacheldraht, Barrikaden. Bis 2004, als Slowenien Teil der EU wurde. Seitdem läuft immer noch eine Grenze durch die Stadt, aber sie ist unsichtbar – auch in den Köpfen. Europa, wie es sein soll.
- Foto-Muss: Auf dem Europaplatz/Piazzale della Transalpina markiert eine Plakette die ehemalige Grenze, man kann sich mit einem Fuß nach Slowenien stellen, mit dem anderen nach Italien und ein Bild machen. Auch schön: Das Bahnhofsgebäude und die Europabank unter einer Weide vor dem einstigen Grenzübergang.
- Geheimnisse im Kloster: In Nova Gorica das Franziskaner-Kloster Kostanjevica auf dem Berg besuchen. Nicht von der geschlossenen Tür abschrecken lassen! Man kann die Kirche Mariä Verkündigung besichtigen, den Klostergarten, die beeindruckende Bibliothek und die Gruft, in der die letzten Mitglieder der französischen Königsfamilie der Bourbonen liegen (Führung 7 Euro, nur auf Englisch und Slowenisch). Nova Gorica hat die Ausschreibung zur Kulturhauptstadt gewonnen und sich mit den italienischen Nachbarn zusammengetan. Aber gerade im slowenischen Teil ist es touristisch überraschend wenig auf das Großevent ausgerichtet, leider ist die Sprachbarriere auch eine höhere Hürde. Tipp: Am besten nimmt man sich für die Sehenswürdigkeiten in Nova Gorica eine deutschsprachige Reiseleiterin. Stana Gantar (stana.gantar@gmx.de) ist eine wunderbare Frau mit feinem Humor, die einem das Kloster, aber auch den Europaplatz, das Zentrum der Stadt und die Solcano-Brücke (Eisenbahnbrücke mit dem größten Steinbogen der Welt) zeigt. Sie hat auch Weinverkostungs- und Wandertouren im Angebot und sogar einen Imker-Trip. Lohnt sich.
- Historisches aus dem Mittelalter und dem Ersten Weltkrieg: Zurück in Gorizia erklimmt man den zweiten Berg zur Görz-Burg hinauf, die ein Mittelalter-Museum beherbergt (3 Euro Eintritt). Etwas weiter unterhalb öffnet das von Außen unscheinbare Great War and Fashion Museum seine Pforten (schräge Kombi, leider ist der Mode-Teil wegen Renovierung dicht). Der Kriegsteil ist offen (Eintritt: 6 Euro) und sehr beeindruckend, denn der Erste Weltkrieg wütete hier grausam.
- Außerdem sehen: Palazzo Coronini Cronberg, die Kirche Sant'Ignazio und die pittoreske Straße Via Rastello.
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- Essen und Trinken: In den Cafés und Restaurants wird auf beiden Seiten der Landesgrenze eine Mischung aus italienischer und osteuropäisch-österreichischer Küche gekocht. Die Preise: zivil. Unbedingt Aperitif vor dem Mittag- UND dem Abendessen einnehmen (es gibt auch immer tolle Alternativen ohne Alkohol). Probieren sollte man Frico, einen friaulischen Kartoffel-Käsefladen, Jota (Suppe aus Bohnen, Kartoffeln und Sauerkraut) und die Gebäcke Gubana und Presnitz mit Nussfüllungen. Dazu trinkt man Weißwein aus dem Friaul oder aus Slowenien.
- Übernachten: In Gorizia selbst gibt es solide Mittelklasse-Hotels, die im Kulturhauptstadtjahr etwas an der Preisschraube gedreht haben dürften (ca. 100 Euro für das Doppelzimmer pro Nacht, z. B. Best Western Gorizia Palace). Tipp: Für mehrere Tage lieber was an der italienischen Adriaküste (z. B. in Miramare) suchen – und die halbe Stunde herfahren.
- Das nervt: Dass man, auch wenn man nur kurz nach Slowenien mit dem Auto reinmöchte, die 15-Euro-Vignette kaufen muss. Wagen stehen lassen, zu Fuß rüber.
- Das bleibt: Ein Stück europäischer Geschichte entdeckt zu haben, das den meisten bisher unbekannt geblieben sein dürfte.
Gorizia und Nova Gorica: So komme ich hin
Mit dem Auto fährt man vom Rheinland aus in ca. 11 Stunden nach Gorizia und Nova Gorica. Direktflüge in die Region gibt es vom Rheinland aus nicht, der beste Weg führt von Frankfurt nach Triest (vom dortigen Flughafen, der bei Monfalcone liegt, sind es nochmal 20 Minuten mit dem Auto). Air Dolomiti und ITA fliegen von Frankfurt aus, am besten einen Flug mit Zugverbindung ins Rheinland wählen (ab 104 Euro oneway).
Lange unterwegs ist man mit dem Flixbus ab Köln-Bonn (22,5 Stunden mit Umstieg in Mailand, Ankunft in Triest), kostet aber nur 60 Euro oneway. Achtung: Wer auch in Slowenien fahren will, braucht eine Vignette (auch beim Mietwagen).

