Faszinierende BilderSo hausen Einsiedler in der russischen Wildnis

Einsames Leben in der Wildnis: russische Einsiedler, portraitiert von Danila Tkachenko.

Einsames Leben in der Wildnis: russische Einsiedler, portraitiert von Danila Tkachenko.

Mitten im Wald, fernab anderer Menschen: Ein junger russischer Fotograf hat Bilder von Männern gemacht, die allein in der Wildnis leben. Herausgekommen sind beeindruckende Fotos.

Aussteigen, dem Alltag den Rücken kehren, den Zwängen der Gesellschaft entfliehen: Der Fotograf Danila Tkachenko porträtiert in seinem Bildband „Escape“ acht Männer, die genau das gemacht haben. Sie haben sich entschieden, abseits von anderen Menschen zu leben – allein in der russischen Wildnis.

Tkachenko, Jahrgang 1989, nimmt die Leser beim Blättern mit auf seine Reise in die entlegensten Winkel der Wälder: Entlang baumumsäumter Bäche, durch dichtes, grünes Gestrüpp, vorbei an verzweigtem Fichten-Dickicht.

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Auf der nächsten Seite steht da plötzlich ein Mann, inmitten von grünem Geäst. Skeptisch blickt er dem Betrachter in seiner abgewetzten rot-blauen-Jacke entgegen, die Stirn in Falten gelegt, tiefe Furchen im Gesicht. Wie ein Schutzwall wirken die Zweige um ihn herum – als wolle er sagen „Komm mir nicht zu nah“.

Nicht jeder der Porträtierten hält dem Auge des Fotografen stand. Die meisten weichen ihm auf den Bildern aus, wenden den Blick zur Seite. Ein Mann hält sogar die Hände vors Gesicht. Doch die Abgebildeten gewähren Tkachenko den Einblick in ihre Welt, eigenartig und wundersam zugleich.

So erfährt der Betrachter, wie die Männer in der Wildnis leben: in Hütten, gebaut aus Stroh und Holz und in Höhlen, gebaut in Erde und Fels. Ihre Habseligkeiten sind wenige: Ein paar Kleidungsstücke auf einer Wäscheleine, verrostete Töpfe und Tassen, Skier aus Holz, ein Gewehr, ein Tierfell. Und der Betrachter bekommt eine Ahnung davon, wie die Männer in der Wildnis überleben: Fische fangen, Gemüse ziehen, Zweige sammeln fürs Feuer. Doch ein Feuer reicht für das Überleben im winterlichen Wald noch lange nicht aus: Einer der Einsiedler zeigt seine Hände, an denen die Zeigefinger fehlen. Er sei eines Morgens mit eingefrorenen Fingern aufgewacht, erzählt er, da habe er sie abhacken müssen.

Es scheint vor allem ein starker Wille zu sein, der die Männer ihr Leben fernab der Zivilisation führen lässt: „Jeder von uns muss den Mut haben, zu überleben. Also habe ich mir selbst den Befehl gegeben ‚Überlebe!‘ Und Überleben heißt Leben. Hier draußen geht es mir viel besser.“

Gründe für das Leben im Wald sind sehr unterschiedlich

Das sagen alle acht Männer, die Tkachenko in kurzen Zitaten am Ende des Buches zu Wort kommen lässt und in denen sie ihre Motive für ihr Eremitenleben erklären.

Einer der Einsiedler hat jemanden umgebracht, ihn plagen tiefe Schuldgefühle: „Ich denke jeden Tag daran.“ Nach dem Absitzen der Gefängnisstrafe habe er sich entschlossen, in den Wald zu gehen und dort für die Vergebung seiner Sünden zu beten.

Die meisten sind froh, der Gesellschaft entkommen zu sein: „Ich mag die Menschen nicht. Wo auch immer du hingehst, verfolgen dich die Leute und versuchen, dir ihren widerlichen Lebensstil aufzuzwingen.“ Ein anderer fragt: „Warum hassen und unterdrücken sich die Menschen?“ Der Mensch liebe nur sich selbst, glaubt er. Das Resultat sei eine Gesellschaft, die auf Zwängen, Lügen und Abhängigkeiten basiere. „Die Menschheit ist unheilbar krank, sie hat ihre Seele verloren. Heilung gibt es nur für den, der flieht.“

Doch nicht alle Männer sind vor ihrem vorhergegangenen Leben oder einem Dasein in bedrückender Gesellschaft geflohen. Einige haben das isolierte Leben in der Wildnis bewusst gesucht und genießen es, im Einklang mit der Natur zu sein: „In den Bergen fühle ich mich sicherer. Das ist der ruhigste Ort auf der Welt. Es ist so schön hier. Die Zeit fließt ruhig und reibungslos, nur die Natur verändert sich. Dabei zuzuschauen ist ein großes Vergnügen.“ Das Leben in der Wildnis mache frei: „Einsamkeit gibt dir die Möglichkeit, sich an einfachen Dingen neu zu erfreuen. Die einzige Möglichkeit, Freiheit zu erlangen, ist durch Einsamkeit. Zwänge und Kompromisse entstehen, wenn jemand anderes ins Spiel kommt.“ Ein anderer drückt das so aus: „Glück, Freiheit, Würde – all das habe ich hier. Und ich will nichts anderes.“

(kkl)

Informationen zum Buch

Danila Tkachenko: „Escape“, erschienen im Verlag peperoni books, leinengebunden, 120 Seiten, 40 Euro. Für seine Bilder wurde Tkachenko mit einem World Press Photo Award ausgezeichnet.