Anwalt erklärtMuss ich den Anruf vom Chef annehmen, wenn ich krank im Bett liege?

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Wenn man krank ist, darf der Chef nicht verlangen, dass man von zu Hause beispielsweise Mails verschickt. 

Berlin – Die Nase läuft, im Hals kratz es und der Kopf dröhnt nur so vor lauter Kopfschmerzen. Man liegt mit einem grippalen Infekt zu Hause im Bett – krankgeschrieben. Das Telefon klingelt und der Chef oder die Chefin ruft an, um noch was zu klären oder zu fragen, wann man wieder arbeiten kann.

Oder der Vorgesetzte erteilt dem Arbeitnehmer sogar Aufträge, die er auch von der heimischen Couch erledigen könnte. Was man von seinen kranken Mitarbeitern verlangen darf und was nicht, hat der Berliner Arbeitsrechtler Alexander Bredereck im Interview erklärt.

Ich bin krankgeschrieben und mein Chef ruft mich an, um noch eine dienstliche Frage zu stellen. Darf er das?

Alexander Bredereck: Es gibt kein Gesetz, das dem Chef den Anruf verbieten könnte. Wenn der Chef nachfragen will, wie es dem Arbeitgeber geht oder wenn er eine dringende wichtige Frage hat – etwa nach einem überlebenswichtigen Passwort, dann darf er anrufen. Was nicht erlaubt ist: Anrufe, um den Arbeitnehmer zu schikanieren oder zu bedrohen. Alles was man Auge in Auge nicht darf, darf man natürlich auch am Telefon nicht. 

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Muss der Kranke ans Telefon gehen?

Bredereck: Es gibt keine Verpflichtung, Anrufe des Chefs entgegen zunehmen. Es sei denn, es bestehen hier ganz dringende Notfälle oder entsprechende vertragliche Verpflichtungen. Aber auch hier muss der Arbeitnehmer nicht ständig das Telefon beobachten, ob der Chef anruft. Das gilt auch dann, wenn Bereitschaftsdienst besteht, weil Arbeitspflichten während einer Erkrankung ausgesetzt sind.

Kann der Chef verlangen, dass krankgeschriebene Mitarbeiter wichtige Aufgaben erledigen? Zum Beispiel von zu Hause aus Mails schreiben oder Anrufe tätigen.

Bredereck: Nein. Die Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung ist während der Krankheit vollständig aufgehoben. Etwas anderes ist es, wenn der Chef nach einer für das Unternehmen sehr wichtigen Information fragt und der Arbeitnehmer diese mühelos erteilen kann. Hier kann im Ausnahmefall eine Verpflichtung bestehen.

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Muss ich trotz Krankheit zum Personalgespräch im Unternehmen erscheinen?

Bredereck: Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich nicht verpflichtet während der Arbeitsunfähigkeit im Betrieb zu erscheinen. Eine Ausnahme ergibt sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht dann, wenn es aus betrieblichen Gründen unverzichtbar ist und der Arbeitnehmer gesundheitlich in der Lage ist zu erscheinen. Der Arbeitgeber benötigt also sehr dringende Gründe: Das Erscheinen in der Firma muss zwingend erforderlich sein und der Mitarbeiter muss dazu gesundheitlich in der Lage sein. Diese Voraussetzungen dürfte es eher selten geben.

In meinem E-Mail-Postfach könnten wichtige E-Mails ankommen. Darf der Chef in mein Postfach schauen, um dies zu prüfen?

Bredereck: Wenn der Arbeitgeber gestattet, dass über den dienstlichen Mail-Account auch private Nachrichten empfangen oder gesendet werden, darf der Arbeitgeber ohne ausdrückliche Genehmigung des Arbeitnehmers in der Regel nicht hineinschauen. Wenn die Privatkorrespondenz verboten ist, dürfen sich rechtlich dort nur dienstliche Nachrichten befinden. Dann darf der Arbeitgeber auch nachschauen.

In extrem dringenden Fällen ist es dem Arbeitgeber aber auch bei einer gestatteten Privatnutzung ausnahmsweise erlaubt, in den Account einzudringen. Er muss dann allerdings vorher alles versucht haben, um dies zu vermeiden.

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Er muss versucht haben, den Arbeitnehmer zu erreichen und er muss gegebenenfalls auch versucht haben, den Absender zu einer Umleitung oder erneuten Sendung der E-Mail an einen anderen Account zu bewegen. Die Grenzen sind hier wegen des Datenschutzes sehr eng zu fassen. Auch, wenn der Arbeitgeber eine private Nutzung nicht ausdrücklich gestattet, kann sich die Zulässigkeit aus einer stillschweigenden Duldung ergeben.