Grenzwerte bei VeranstaltungenOpen Air – wie viel Lärm müssen Anwohner ertragen?

Manchmal ist Musik erst richtig gut, wenn man sie bis zum Anschlag aufdreht – wie beim Schlagermove in Hamburg. Allerdings stören sich Anwohner oft daran.

Manchmal ist Musik erst richtig gut, wenn man sie bis zum Anschlag aufdreht – wie beim Schlagermove in Hamburg. Allerdings stören sich Anwohner oft daran.

Schlagermove in Hamburg, CSD in Köln, Rave in Berlin: Wie hoch darf der Lärmpegel für Nachbarn höchstens sein – und wann dürfen Veranstaltungen draußen auch mal lauter werden?

Sommerzeit heißt Open-Air-Zeit. Auf Festivals und Konzerten, Gemeinde- und Volksfesten feiern Tausende von Besuchern fröhlich bis tief in die Nacht – auf dem Schlagermove in Hamburg genauso wie beim CSD in Köln, bei „Rhein in Flammen“ ebenso wie bei Konzerten im Berliner Olympiastadion.

Aber schon Wilhelm Busch schrieb: „Musik wird oft nicht schön gefunden, weil sie stets mit Geräusch verbunden.“ Und so sorgen Veranstaltungen unter freiem Himmel immer häufiger für Ärger mit den Anwohnern. Daher sollten Veranstalter schon bei der Planung solcher Großveranstaltungen aufpassen. Sie müssen darauf achten, dass unterschiedliche Interessen berücksichtigt werden – und es möglichst wenig Beeinträchtigungen gibt.

Aber wer darf wann wie laut feiern?

Über Lärmgrenzen geben die Immissionsschutzgesetze des Bundes und der Länder Auskunft. Grundsätzlich gilt: Je traditioneller und seltener eine Veranstaltung, desto eher darf der Geräuschpegel höher sein als normal. Und Anwohner können sich nur dann gegen Geräuschbelästigung wehren, wenn diese erheblich sind.

Dabei sind insbesondere die Dauer und die Häufigkeit des vermeintlichen Krachs im Einzelfall entscheidend. Während bei einem einmaligen Ereignis, d. h., wenn es weitgehend das einzige in der Umgebung bleibt, die Richtwerte großzügiger ausgelegt werden, muss der Veranstalter bei einer wiederkehrenden Veranstaltung umso mehr auf die Einhaltung der Grenzwerte achten.

70 Dezibel sind tagsüber das Limit

Findet eine Veranstaltung nur selten statt, also nicht mehr als zehn Tage oder Nächte im Kalenderjahr, kann die sogenannte Freizeitlärm-Richtlinie durch eine Sonderregelung in Ziffer 4.4 als Orientierungshilfe herangezogen werden.

Dabei sollte der Geräuschpegel 70 Dezibel tagsüber außerhalb der Ruhezeit, 65 Dezibel tagsüber innerhalb der Ruhezeit und 55 Dezibel während der Nachtzeit nicht überschreiten. (Zur Erklärung: 40 bis 60 Dezibel – abgekürzt dB(A) – entsprechen normaler Gesprächslautstärke.)

Beim „Wacken“ darf es etwas lauter sein

Bei seltenen, nur einmal jährlich stattfindenden Veranstaltungen wie zum Beispiel dem „Wacken-Open-Air“, dem weltweit größten Heavy-Metal-Festival in der Nähe von Itzehoe, kann der Grenzwert der Freizeitlärm-Richtlinie auch mal überschritten werden. Grundsätzlich ist die Richtlinie nur ein Orientierungsrahmen, der Raum lässt für die Berücksichtigung des Einzelfalles.

Etwas anderes gilt in der Regel ab 22.00 Uhr. Diese Zeit dient grundsätzlich dem Schutz der ungestörten Nachtruhe. Allerdings kann sehr seltenen Veranstaltungen dann Vorrang zukommen, wenn sie zum Beispiel wie der Kölner Karneval der Brauchtumspflege dienen. Deshalb wiegt hier das Interesse der Allgemeinheit an der Durchführung der Veranstaltung höher als das Schutzbedürfnis der Nachbarschaft.

Das heißt aber nicht, dass der Schutz der Nachtruhe in diesem Fall vollständig entfällt. Entscheidend ist, dass die Veranstaltung einen erkennbaren Bezug zur Brauchtumspflege hat. So sind Schützen-Umzüge immer ein Spagat zwischen Tradition und Moderne. Während sie in ländlichen Gegenden eine lange Tradition haben und auf überwiegende Zustimmung in der Bevölkerung stoßen, schwindet die Akzeptanz in Großstädten immer mehr: Die Klagen wegen vermeintlicher Ruhestörung nehmen zu.

Gastautor Fritz Marx von der Bonner Kanzlei Eimer Heuschmid Mehle (EHM) ist Rechtsanwalt und berät bei der Planung und Durchführung von Veranstaltungen.