Der Hund – bester Freund des Menschen. Er verdient respektvolle Erziehung, braucht Grenzen. Wie beides geht, erklärt Hundetrainerin Nicole Brinkmann.
Expertin erklärtKörpersprache – so wichtig in der Hundeerziehung

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Vierbeiner „Kurt“ schleckt Nicole Brinkmann ab. Die Hundetrainerin sagt: „Das Leben mit Hunden ist so toll, weil wir uns wieder mehr selber spüren können im Hier und Jetzt.“ Dafür sollte man als Halterin beziehungsweise Halter dem Hund aber auch Vertrauen und Verlässlichkeit vermitteln.
Den meisten Hundebesitzern ist es wohl am wichtigsten, dass der Hund im Alltag „funktioniert“, dass er Kommandos beherrscht, weder andere Hunde anpöbelt, noch Katzen oder Eichhörnchen jagt. Alles prima, aber wie kann man das erreichen? Und dann auch noch ohne Leckerlis? Durch emotionales Verständnis und Vertrauen, sagt Nicole Brinkmann, ihres Zeichens Hundetrainerin und -psychotherapeutin sowie leidenschaftliche Australian-Shepherd-Halterin.
Für sie gibt es keine „klassischen Fehler“ im Zusammenleben mit Hunden, außer, wenn es in den Bereich Tierschutz geht. Aber ist dieses „Hunde lesen und verstehen“ können nicht unheimlich schwer? „Hundehalter sind ein bisschen wie Eltern“, sagt die Autorin von „Nähe und Distanz in der Hundeerziehung“ (Goldmann, 20 Euro) im Gespräch mit EXPRESS.de. Sie wirbt eindringlich dafür, sich dem Hund auf einer emotionalen und körperlichen Ebene zu nähern und „bei aller Liebe“ auch klare Grenzen zu setzen.
Expertin erklärt, wie wichtig der Mensch als sozialer Partner ist
Klingt kompliziert? Ist es aber gar nicht! So ist es für Nicole Brinkmann das A und O, den Hund zunächst als das zu betrachten, was er von Natur aus ist: „Ein hochkomplexes, soziales Wesen“, sagt die Chefin der Hundeschule „Lieblingsviecher“ aus Mettmann. „Ich bin der einzige wichtige Sozialpartner meines Hundes. Meine Kinder haben Kita-Betreuer, Lehrer. Sie erleben Polizisten am Straßenrand sowie fremde Kinder und Eltern fremder Kinder. All das ist etwas, das ich für meinen Hund simulieren muss. Und meine Aufgabe ist es, seine Bedürfnisse zu erkennen. Nicht nur schlafen, trinken und gesund sein gehören dazu, sondern vor allem auch sicher und verbunden zu fühlen, entspannt zu sein. Damit fängt meist das Dilemma an. Wir können mit unserem Tagesablauf den des Hundes nicht verstehen.“
Beispielsweise sollten Welpen und ältere Hunde am Tag zwischen 20 und 21 Stunden ruhen und dösen, von dieser Entspannungssituation „sind wir in unserem grundsätzlich immer angespannten und dynamischen Alltag weit entfernt.“
Und was ist eines der größten Missverständnisse im Umgang des Menschen mit dem Vierbeiner? „Wir nutzen Hunde zu doll für unsere Bedürfnisse und verstehen die ihren zu wenig“, sagt Nicole Brinkmann. „Menschen machen sich beispielsweise oft keine Gedanken darüber, dass, wenn sie einen Hund anfassen und ruhig sind, der Hund darüber auch zur Ruhe kommt. So etwas machen Eltern ganz instinktiv bei unruhigen Säuglingen.“
Weiteres Beispiel: Den Hund in einer Stresssituation an der Leine zu lassen sei leider für Besitzer viel freundlicher, als ihn am Fell, also körperlich, festzuhalten. „Für mich ist das ein krasser Widerspruch: Wenn ich sehe, dass mein Hund eine Situation nicht schafft, muss ich ihm doch helfen und ihn so lange im engsten Beziehungsrahmen halten, bis er seine Entspannung wiedergefunden hat und wir in Ruhe miteinander wieder fein sind. Das Körperliche fehlt oft“, sagt sie.
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Weiter berichtet Nicole Brinkmann aus ihrer Trainings-Praxis: „Wenn ich Welpen festhalte, macht das komische Sachen mit den Haltern. Aber ich setze eine Grenze. Ich halte den Hund nicht am Halsband, sondern in der Jacke, d. h., ich greife in den Körper des Hundes rein, in Fell und Haut. Das fällt vielen total schwer. Die Leine zu halten ist da vergleichsweise einfach, aber sie überträgt keine körperlichen Signale. Bildlich auf Menschen bezogen: Ich kenne keine Eltern, die ihr Kind ausnahmslos an Hosenträgern festhalten.“
Hund erziehen: Mit Körpersprache viel gewinnen
Hunde sind, so Nicole Brinkmann, „Körpersprache-Redner“. „Die meisten Halter fühlen sich schlecht, wenn sie Grenzen setzen mit dem Körper, weil wir das Erleben über den Körper verlernt haben. Der Hund kann aber nur das wirklich lesen und der Dialog scheitert so oft, weil wir gehemmt sind.“
Wichtig: Deutliche und bestimmte Körpersprache hat nullkommanull mit Tierquälerei, z. B. mit Schlagen, zu tun!!!
Wer eine Hundegruppe aufmerksam beobachtet, wird sehr schnell feststellen, dass Welpen und junge Hunde von den älteren wie selbstverständlich „erzogen“ werden. „Wenn ein junger Hund Fehler macht, sind erwachsene Hunde nicht zimperlich, aber ehrlich“, sagt die Trainerin und nennt ein Beispiel: „Rauscht ein Junghund dauernd offensiv in die Hundegruppe, will er andere Hunde jagen oder läuft aus der Gruppe weg, bekommt er auf diesen sozialen Fehler eine authentische, ehrliche Antwort. Die kann sich nicht gut anfühlen. Die anderen geben ihm zu verstehen »Das, was du gerade gemacht hast, gefährdet uns als Gruppe«. Hunde unterbinden so offensives Großwerden von Jungtieren.“