Eskalation bei „Rock am Ring“Publikum flieht in Scharen vor dem Haupt-Act – und feiert einfach woanders weiter

Das Mega-Festival „Rock am Ring“ erlebte einen Wechsel beim Musikgeschmack. Die klassischen Rockbands hatten einen schwereren Stand, dafür wurden vor allem Rap- und Hip-Hop-Stars gefeiert.

von Marcel Schwamborn (msw)

„Rock am Ring“ hat seit seiner Gründung 1985 viele große Bands erlebt: U2, INXS, Pearl Jam, Metallica, Iron Maiden, Coldplay, Depeche Mode, Guns n’ Roses, Linkin Park – die meisten mit rockiger Ausrichtung. Bei der diesjährigen Auflage zeichnete sich ein Generationswechsel ab. Für die größte Begeisterung sorgten vor allem die Rap- und Hip-Hop-Acts.

Vor allem der Samstagabend (3. Juni 2023) war bezeichnend. „Ihr könntet überall auf der Welt sein“, rief Maxim von der Berliner Hip-Hop-Truppe K.I.Z der riesigen Menschenmenge vor der Utopia-Stage zu. „Aber ihr habt eine sehr kluge Entscheidung getroffen und seid zu uns gekommen.“ Die drei Rapper sorgten für die größte Eskalation am Ring-Wochenende.

Berliner Hip-Hop-Truppe K.I.Z sorgte für Ausnahmezustand am Ring

Mit ihren streitbaren und provozierenden Songs heizten sie der feiernden Masse mächtig ein. Konfetti flog in die Menge, die Bierbecher samt Inhalt dutzendfach in die Höhe. „Urlaub fürs Gehirn“, „Bier“, „Hurra, die Welt geht unter“ oder „Ein Affe und ein Pferd“ – vor der Hauptbühne war bei diesem wilden Abriss kein Millimeter Platz mehr, keiner stand still.

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Eine Dreiviertelstunde später folgte dann hingegen die totale Ernüchterung. Die US-Rockband Kings of Leon sollte eigentlich den krönenden Abschluss des zweiten Festival-Tags bieten, konnte jedoch keine Begeisterung erzeugen. Die Band um Sänger Caleb Followill spielte ihr Programm souverän runter, der Funke wollte aber nicht überspringen.

„Habt ihr Spaß?“, rief der 41-Jährige. Die Antwort „Ja“ kam nur leise zurück. Noch bevor die Megahits „Use Somebody“ und „Sex on Fire“ kamen, hatten sich die Bereiche zwischen den ersten Wellenbrechern sichtbar geleert.

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Dafür eskalierte die Menge zeitgleich vor der Mandora-Stage, wo der Rapper Kontra K eine wilde Show lieferte. Der Berliner setzte nach K.I.Z die Party fort, beendete seinen Auftritt mit einem echten Feuerwerk.

Schon tags zuvor hatten an gleicher Stelle Finch und Apache 207 am ersten Abend geliefert. Dorfdisko statt Rock lautete das Motto. Auch bei ihnen eskalierte das Publikum. „Am liebsten wäre ich jetzt selbst Fan auf dem Festival“, sagte Rapper Apache begeistert.

Die Foo Fighters elektrisierten wegen der Besonderheit ihres Konzerts in neuer Besetzung. Stimmungstechnisch hatten die klassischen Rockbands am Ring aber das klare Nachsehen gegenüber den Acts, die für gute Laune sorgten. Die komödiantische Rockband Tenacious D, bestehend aus Kyle Gass und Jack Black, wurde stellenweise für Blödsinn gefeiert. Selbst der Überraschungs-Besuch von Flippers-Sänger Olaf Malolepski sorgte für frenetischen Jubel.

„Rock am Ring“: Deutlich weniger Probleme mit Alkohol und Drogen

Einen Wandel verzeichnen die Verantwortlichen nicht nur bei den Musik-Interessen der „Rock am Ring“-Fans. Armin Link, Leiter des Deutschen Roten Kreuzes am Nürburgring, ist seit 34 Jahren dort im Einsatz. „Das Publikum ist sehr besonnen. Drogen und Alkohol spielen nicht mehr so die Rolle wie vor 20 Jahren“, resümierte er. Entsprechend hielten sich auch die Einsätze für den Rettungsdienst in Grenzen.

Mit Machine Gun Kelly, den Dauergästen Die Toten Hosen und dem Nacht-Auftritt von Bring me the Horizon geht das Drei-Tage-Event in der Eifel am Sonntag zu Ende. Mit Blick auf die 36. Auflage 2024 dürften sich die Organisatoren einige Gedanken machen. 20.000 Besucherinnen und Besucher weniger zählten sie in diesem Jahr, dazu kommt der Wechsel im Musikgeschmack – „Rock am Ring“ wird sich neu erfinden müssen.