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„Eigentlich 'ne sehr schöne Sache“Sänger Patrice hat klare Meinung über kulturelle Aneignung

Sänger Patrice auf einem undatierten Foto

Sänger Patrice (hier auf einem undatierten Foto) ist heute in der ganzen Welt zu Hause, kommt aber immer wieder gerne in seine Heimat, das Rheinland, zurück. 

Sänger Patrice spricht im EXPRESS.de-Interview über das Reisen, seinen großen Erfolg, warum man ihn in so viele Schubladen stecken wollte – und verrät, was Frittenfett mit seiner neuen Platte zu tun hat.

von Christof Ernst (che)

Die Stippvisite in der alten Heimat dauerte nur ein paar Stunden: Patrice (44) – Sänger, Songwriter, Komponist, Produzent – hat in Köln einen Termin beim Steuerberater und Zeit für EXPRESS.de. Dann geht es direkt weiter nach Frankfurt, Berlin, Paris oder sonst wohin.

Patrice macht zurzeit Werbung für sein Album „9“, das erste seit längerer Zeit. Dennoch hatte er keinen Stress, sondern eine schöne Liebeserklärung ans Rheinland im Gepäck.

Patrice: Kölner Sänger mit neuem Album

Patrice, du hast in den letzten sieben Jahren über 100 Songs geschrieben und für das Album „9“ neun davon ausgesucht. War das nicht schmerzhaft?

Alles zum Thema Musik

Patrice: Alles ordnet sich dem Konzept und der Idee unter. Die Limitierung auf das Wesentliche hat ja auch viel Gutes. Man sagt nicht umsonst: Weniger ist mehr.

Dennoch ist das Album gerade mal knapp 30 Minuten lang ...

Patrice: Man darf nicht vergessen, dass sich die Musik immer der Technologie der Zeit angepasst hat. Ein Stück von Elvis dauerte in den 1950er Jahren oft weniger als zwei Minuten. Mit der Verbreitung der LP galten dann Songs von 3:30 Minuten als radiotauglich. Später kamen Gruppen wie Led Zeppelin oder Canned Heat, bei denen ein Stück schon mal 20 Minuten lang sein konnte. Heute sind wir beim Streaming angelangt, und da entscheiden die ersten fünf Sekunden, ob die Leute zuhören oder weiterklicken. Ich gönne mir halt den Luxus, nach sieben Jahren ein knappes, kompaktes Album herauszubringen.

Die Vinyl-Fassung von „9“ ist aus recyceltem Fritten-Öl hergestellt. Soll man die Scheibe zum Fressen gernhaben?

Patrice: (lacht): Vorsicht! Da wurde nur altes Fritten-Öl verwendet. Das Material ist nachhaltig, hat einen guten Klang und riecht auch nicht nach Pommesbude. Ich probiere immer gerne was Neues aus, das auch der Umwelt zugutekommt. Bei unserer gerade beendeten Frankreich-Tour hatten wir keinen Bus, sondern sind mit zwei Elektroautos von Stadt zu Stadt gefahren.

Patrice und EXPRESS-Reporter Christof Ernst

Patrice im Dezember 2023 beim Interview mit EXPRESS-Reporter Christof Ernst in Köln.

Wann trittst du mal wieder in Köln auf?

Patrice: Nächstes Jahr am 2. März im Gloria, und darauf freue ich mich tierisch, denn das ist echt die beste Location in Köln und Umgebung. Das Gloria hat für so ein Konzert genau das richtige Flair und die Atmosphäre.

Du singst fast immer auf Englisch, warum?

Patrice: Das Deutsche ist zwar eine sehr schöne Sprache – wenn sie geschrieben ist. Aber daraus Songtexte zu machen, ist echt schwer.

„Jedes kleine Kind lebt von kultureller Aneignung“

Deutsche Hip-Hopper sehen das anders – und haben damit großen Erfolg.

Patrice: Ja okay, da gibt es auch richtig coole Sachen. Aber manche anderen Songs kann man sich echt nicht anhören. Da sind frauenfeindliche Texte dabei, die gehen gar nicht. In dem Punkt hat übrigens die ganze Musikindustrie Nachholbedarf. Aber es tut sich einiges, bei manchen Labels haben immer öfter Frauen das Sagen und es wird insgesamt diverser.

Wie ist es heutzutage bei dir, wo sich manche als Sprachpolizei aufführen: Hast du beim Schreiben deiner Texte eine Schere im Kopf?

Patrice: Nein, kann ich nicht sagen. Für mich ist der Schaffensprozess des Schreibens immer sehr schön. Und da meine Texte eher poetisch sind, als dass sie konkret etwas beschreiben, habe ich da enorm viel Raum. Und was die viel zitierte kulturelle Aneignung betrifft: Die ist eigentlich eine sehr schöne Sache. Denn jedes kleine Kind lebt von kultureller Aneignung. Man muss nur immer klarmachen, woher man etwas übernommen hat.

Hier an unserer EXPRESS.de-Umfrage teilnehmen:

Du hast ein Haus auf Jamaika, bist in der ganzen Welt unterwegs: Was empfindest du, wenn du mal wieder, wie jetzt, ins Rheinland zurückkehrst?

Patrice: Mir ist es in Berlin, wo mein achtzehnjähriger Sohn Nile lebt, oft passiert, dass ich jemanden sehr sympathisch und offen empfand, und es sich dann häufig herausstellte, dass der- oder diejenige aus dem Rheinland kommt. Oft unterwegs zu sein, gibt mir einen guten Blick auf meine Heimat, ich bin ja schließlich in Köln geboren und in Kerpen aufgewachsen. Man muss das Gute in diesem Land zu schätzen wissen. Viele schimpfen zum Beispiel auf die Deutsche Bahn. Aber hey, es gibt wenigstens eine Bahn. Allein einen deutschen Pass zu haben, ist ein so unglaubliches Privileg. Du kannst überall hinreisen. Das sollten viel mehr Menschen machen.

Reisen bildet?

Patrice: Aber klar. Erst wenn man mal was anderes sieht, kann man erst richtig einschätzen, wie gut es uns hier in Deutschland geht.

Patrice aus Köln: „Ich spiele gegen die Klischees an“

Noch einmal zurück zum Album. Was soll uns der Titel „9“ sagen, abgesehen davon, dass neun Songs zu hören sind?

Patrice: Die Neun hat einfach viele Bedeutungen. Wir brauchen neun Monate, ehe wir auf die Welt kommen. Die Quersumme von 270 Tagen Schwangerschaft ist auch neun. Wir haben acht Planeten, plus Sonne sind das neun. Und so geht es immer weiter. Und wenn du von oben auf einen Tornado schaust, erkennt man auch eine Neun.

Ein Kritiker schrieb über dein neues Album: „Patrice hat sich musikalisch entgrenzt“. Gefällt dir das?

Patrice: Ja, sehr. Ich bin musikalisch immer auf der Suche nach Neuem. Als mein erstes Album rauskam, wurde ich von vielen als Reggae-Künstler bezeichnet. Aber so habe ich mich nie gesehen, deshalb habe ich immer bewusst gegen diese Klischees und Einordnungen angespielt. Wenn man authentisch ist und die Energie, die in einem drinsteckt, wiedergibt, dann wird das auch gut. Ich mache Platten deshalb, weil ich das dann auch live spielen kann und musikalisch noch weniger festgelegt bin. Ich trete wahnsinnig gerne auf, und kein Konzert ist wie das andere.

Was sagen deine Mitmusiker dazu?

Patrice: Die lieben es, denn die wollen sich auch weiterentwickeln und nicht immer das Gleiche spielen.

Dein Sohn Nile ist 18 Jahre alt, tritt er mal in Papas Spuren?

Kann sein. Er macht auch Musik und probiert vieles aus. Ich sitze nicht wie eine Glucke auf ihm, er soll und muss seinen Weg finden. Und er ist schon sehr gut.

Bei unserem letzten Treffen vor drei Jahren sagtest du: „Die Bösen gewinnen, weil sie dreister und motivierter sind.“ Hat sich daran etwas geändert?

Patrice: Ja, wir ziehen jetzt nach und werden auch dreist. Wir haben alle Möglichkeiten, diese Welt besser zu machen – wir müssen es nur machen.

Patrice aus Köln: Er sang mit Lauryn Hill und für Obama

Patrice, der mit vollen Namen Gaston Patrice Babatunde Bart-Williams heißt, ist 'ne echte kölsche Jung. Er wurde am 9. Juli 1979 in Köln geboren und ist in Kerpen-Brüggen aufgewachsen. Sein Vater, Gaston Bart-Williams, war ein erfolgreicher Schriftsteller und Dokumentarfilmer, der 1990 bei einem Fährunglück ums Leben kam.

Patrice mischt in seiner Musik Reggae mit Jazz, Soul, Funk und Hip-Hop. Mit gerade mal 20 Jahren begleitete er Weltstar Lauryn Hill (u. a. „Killing Me Softly“ mit den Fugees) bei ihrer Tour. 2008 sang Patrice beim Staatbesuch von US-Präsident Barack Obama vor 200.000 Menschen vor der Berliner Siegessäule. Am 2. März 2024 gastiert er im Kölner Gloria.