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„Manches geht zu weit“Bestseller-Autor Jan Weiler über Wokeness und Diversität

Sonntags-Talk mit Bestsellerautor Jan Weiler in Köln am 9. März 2023.

Erobert mit viel Selbstironie nicht nur die Herzen von Müttern und Vätern, die sich in seinen Erzählungen selbst wiedererkennen: Bestsellerautor Jan Weiler, hier am 9. März 2023 in Köln.

Bestsellerautor Jan Weiler (55, „Pubertier“) macht seine Familie zum Kolumnenstoff. Im Interview spricht er übers Bügeln, warum er das Schulsystem für eine Katastrophe hält und sich über woke Hardliner lustig macht.

von Andrea Kahlmeier (ak)

Was würdest du denn gern über Jan Weiler wissen? Spontane Antwort der Freundin meines Kollegen: „seine Telefonnummer.“ Schon verrückt! Der Bestsellerautor ist sicherlich nicht der „hipste“ Mann auf Erden. Aber Frauen fliegen auf den Mittfünfziger, der sie in jetzt 827 Kolumnen herrlich selbstironisch an seinem Leben mit zwei „Pubertieren“ teilnehmen lässt und als Prototyp des modernen Vaters gilt.

Doch bügelt Jan Weiler wirklich gerne? Redet die Tochter eigentlich auch so „woke“ wie in seinen Büchern? EXPRESS.de machte im Interview den „Faktencheck“.

Jan Weiler über sein wahres Leben als Familienvater

Ist Familie Weiler in der Realität eigentlich genauso witzig, chaotisch, fordernd wie in Ihren Kolumnen und Büchern?

Jan Weiler: Die Familienkonstellation ist zwar ähnlich, aber sicherlich nicht 1:1 übertragbar. Der Trick ist, über die Kinder aktuelle Zeitgeistphänomene zu transportieren. Ich würde niemals etwas über den echten, tiefen Kummer meiner Kinder verbreiten. Im wahren Leben heißen sie auch anders. Meine Tochter mag die „Carla“ in den Erzählungen noch nicht einmal besonders. Mittlerweile leben meine Frau und ich zudem getrennt. Und eine Trennung ist in der Realität nie lustig. Was aber stimmt ist, dass wir wirklich so respektvoll und achtsam miteinander umgehen, wie ich es beschreibe.

Hat Ihre Tochter Sie tatsächlich aufgefordert, den Begriff „Frau“ durch „Person mit Uterus“ zu ersetzen – oder ist das pure Fiktion?

Jan Weiler: Doch, das war so (lacht). Ich bin ja mit vielen Zielen wie Diversität, Wokeness oder Klimaschutz absolut einverstanden, aber ich finde, manches geht zu weit. Es stört mich, dass diese Generation den Kontext abgeschafft hat. Warum soll nur ein Behinderter einen Behinderten spielen? Ein Schwuler einen Schwulen? Das homosexuelle Pärchen in „Modern Family“ hat so viel für die queere Community erreicht – der eine von beiden ist im wahren Leben hetero. Warum auch nicht? Es kommt auf die Darstellung an. Sonst dürfte ja nur ein Mörder einen Serienkiller spielen…

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Ihr Sohn scheint ein cleveres Kerlchen zu sein – nur nicht in der Schule. Bedarf es beim Schulsystem einer kräftigen Reformation?

Jan Weiler: Das jetzige Schulsystem sollte abgeschafft werden, denn es ist meiner Meinung nach eine totale Katastrophe. Im Zeitalter der Digitalisierung kann man sich Wissen aneignen, wenn man es braucht, statt es widerwillig zu lernen. Es macht Sinn, in den Fächern Grundlagen zu legen, zum Beispiel Dreisatz und Prozentrechnen in Mathe. Doch spätestens ab der achten Klasse sollte neben sozialen Skills viel mehr das Talent gefördert werden, die Frage im Vordergrund stehen: „Was macht dir Freude, womit kannst du die Gesellschaft bereichern?“ Warum soll jemand, der Jurist werden will, wissen, wie ein Zitronensäurezyklus funktioniert?

Wie lange tüfteln Sie an Wortschöpfungen wie „Pubertier“ oder „Älternzeit“?

Jan Weiler: Das ist wie beim Kniffeln. Wenn man auf die Große Straße wartet, kommt sie garantiert nicht. Man darf so etwas nicht forcieren. Ich habe mir einige Begriffe, wie etwa „Pubertier“, tatsächlich vom Patentamt schützen lassen müssen. Weil die plötzlich als grauenerregende Autoaufkleber oder auf billig aussehenden Frühstücksbrettchen auftauchten. Das wollte ich nicht mit meinem Namen in Verbindung gebracht wissen.

Jan Weiler mit Ehefrau Sandra Limoncini

Trennung ohne Rosenkrieg: Jan Weiler und Sandra Limoncini (hier 2016 in der Talkshow von Markus Lanz) feiern sogar noch Weihnachten mit den Kindern zusammen, teilen sich zudem ein Haus in Italien.

Hey, Digga! Wie steht denn so ein Wortpoet wie Sie zur Jugendsprache?

Jan Weiler: Mit großem Gleichmut. Die hat es schon immer gegeben, um sich abzugrenzen. Manche Begriffe sind gut – kurz, prägnant und sagen einfach alles. „Madig“ zum Beispiel. Oder „safe“ – klingt viel besser als „sicher, kannst dich drauf verlassen“.

Dann erklären Sie doch bitte mal, warum Ihr Sohn oft „Uwe“ sagt statt „Prost“.

Jan Weiler: Das steht für „Unten wird’s eklig“, weil das Bier warm und abgestanden ist. Kann auf Kölsch natürlich nicht zutreffen. Das wird so schnell und kalt getrunken, dass die Geschmacksnerven betäubt sind und man gar nicht merkt, wie schrecklich es schmeckt (lacht).

Ha, ertappt, der Ex-Düsseldorfer beim Köln-Bashing ...

Jan Weiler: Passte gerade so gut. Nein, im Ernst: Dieser Streit ist doch nur eine komische Folklore. Ich lebe in Bayern. Aber wenn ich über den Rhein fahre, egal ob in Köln oder Düsseldorf, geht mir das Herz auf. Da stellt sich das Heimatgefühl ein.

Jan Weiler: Hausarbeit macht Mäbnner absolut sexy

Die Kinder kündigen die Versorgungsverträge, sie leben bald allein. Angst vor der „Älternzeit“ ohne Kinder?

Jan Weiler: Ich habe weniger Angst davor, als altes Eisen gesehen zu werden, sondern eher davor, dass ich mich selber abhänge. Ich bin zum Beispiel ein großer Musikfan, habe früher ständig Konzerte besucht. Das lässt nach, ich mache nicht mehr alles mit. Zum Glück habe ich als Dozent an der Journalistenschule noch viel mit jungen Menschen zu tun.

Sie räumen auf, servieren dem Sohn das Rührei zum Frühstück, bügeln gern und fahren das Papataxi… Macht Hausarbeit Männer sexy, wie Studien behaupten?

Jan Weiler: Wenn Sie das sagen (lacht). Das kann ich nur unterschreiben. Das ist absolut wahr. Nehmen Sie hier an unserer Umfrage teil:

Was fasziniert Sie am Bügeln?

Jan Weiler: Ich bin quasi der Paganini am Bügeleisen, denn ich liebe diese Transformation – da die verknüddelte Wäsche im Bügelkorb, dort die fein gestapelten Haufen auf dem Tisch, dieses Herstellen von Perfektion. Ich mag sogar den Dampf – und manchmal kommen mir beim Bügeln auch gute Ideen.

Worüber werden Sie eigentlich schreiben, wenn die Kinder aus dem Haus sind?

Jan Weiler: Ach, da mache ich mir noch keine Gedanken, schon jetzt sind ja viele Kolumnen losgelöst von der Familie. Es wird sich bestimmt eine Anschlussverwendung finden. Vielleicht werde ich ja Fifa-Präsident, gehe zur Fremdenlegion oder eröffne einen Schlüsseldienst.

Jan Weiler: Autor aus Meerbusch lebt in Vater-Sohn-WG in München

Jan Weiler wuchs in Meerbusch auf, arbeitete als Werbetexter und viele Jahre bei der „Süddeutschen Zeitung“. 2003 erschein sein erfolgreicher Debütroman „Maria, ihm schmeckt’s nicht“ (verfilmt mit Christian Ulmen). Seit 2005 ist er freier Schriftsteller (seine Bücher haben eine Gesamtauflage von mehreren Millionen) und Dozent an der Deutschen Journalistenschule.

Im März 2014 erschien „Das Pubertier“, stand über 50 Wochen in der „Spiegel“-Bestseller-Liste, begleitet von großen Lesetouren durch ganz Deutschland. Frisch auf dem Markt: „Älternzeit“ (Heyne, 15 Euro) als zehnter Kolumnenband. Auszüge daraus gab’s auf der Lit.Cologne 2023 – und am 8. und 9. Mai 2023 im Düsseldorfer Kom(m)ödchen. Jan Weiler lebt mittlerweile von seiner Frau getrennt in einer Vater-Sohn-WG in München.