2021 bekam er drei PunkteESC-Teilnehmer nimmt Deutschland in die Mangel – „Trashmusik“

Der Sänger und Musical-Darsteller Jendrik neben der tanzenden Hand und einer weiteren Tänzerin.

Jendrik Siegwart (Mitte) trat 2021 beim Eurovision Song Contest an. Hier sehen Sie ihn neben zwei Tänzerinnen auf der Bühne in Rotterdam am 17. Mai 2021.

Jendrik Siegwart trat 2021 mit dem Lied „I Don't Feel Hate“ beim Eurovision Song Contest auf. Ab dem 28. Juni steht er bei der Show „Berlin Berlin“ in der Kölner Philharmonie auf der Bühne. Mit EXPRESS.de hat er über seine Erfahrungen rund um den ESC und das neue Projekt gesprochen.

von Antonia Raabe (ra)

So mancher ESC-Fan wird sich noch an die tanzende Hand erinnern ...

Jendrik Siegwart trat 2021 für Deutschland beim Eurovision Song Contest in Rotterdam (Niederlande) auf. Neben ihm auf der Bühne: Zahlreiche Tänzerinnen in knalligen Outfits, von der eine das Kostüm einer Hand trug, die das Peace-Zeichen formte.

Jendrik Siegwart über Deutschlands Chancen beim ESC

Siegwarts selbstgeschriebener Song „I Don't Feel Hate“ offenbarte die Lebenseinstellung des 28-jährigen Sängers und Musicaldarstellers, der als homosexueller Mann leider früh lernen musste, mit Hass und Anfeindungen umzugehen. 

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Und auch nach dem enttäuschenden Abschneiden beim ESC – mit drei Punkten landete er auf dem vorletzten Platz – stand der Umgang mit negativen Kommentaren für ihn auf der Tagesordnung. 

Mit EXPRESS.de sprach er offen über seine Erfahrungen – und gab unter anderem seine Einschätzung ab, was sich ändern muss, damit Deutschland beim ESC auch eines Tages wieder erfolgreich sein wird. 

Herr Siegwart, wie kam es zu Ihrem Lied „I Don´t Feel Hate“?

Jendrik Siegwart: Ich hab' schon immer gedacht, dass ich mit Hass nichts anfangen kann. Ich hab' noch nie eine Person gehasst. Wenn mir jemand Hass entgegengebracht hat, hab' ich mir angewöhnt zu versuchen, die Person zu verstehen. Wenn jemand blöd zu mir ist, muss er in seinem Leben unzufrieden sein. Und dafür habe ich eher Mitleid.

Wann ist Ihnen Hass begegnet?

Jendrik Siegwart: Ich glaube, wenn man als deutscher Act beim ESC mitmacht und dann auch noch schlecht abschneidet, dann wird man mit Hass konfrontiert. Aber auch vorher ist mir das schon passiert.

In welchen Situationen genau?

Jendrik Siegwart: Wenn man als schwuler Mann auf der Straße Händchen hält oder sich küsst, ist die Gefahr groß, mit Hass konfrontiert zu werden. Mein Vater wurde in Zürich angegangen, weil er die Pride-Flagge auf seiner Cap getragen hat. Und mir sind schon ein-, zweimal Personen begegnet, die offen gesagt haben, dass sie schwule Menschen hassen.

Wie ist Ihrer Meinung nach der beste Umgang mit Hass?

Jendrik Siegwart: Ich will diesen Menschen dann zeigen, dass ich nicht dieses Hass-Bild bin, das sie auf mich übertragen. Ich bin auch ein Mensch, ich bin lieb. Bisher hat das immer geklappt. Ich versuche, freundlich zu bleiben, denn vielleicht hat die Person einfach einen schlechten Tag. Wenn man jeden Menschen so behandeln würde, wie man selbst behandelt werden möchte, dann wären wir einen Schritt weiter.

Jendrik Siegwart spielt die Ukulele.

Jendrik Siegwart steht ab dem 28. Juni 2023 im Rahmen des Sommerfestivals mit der Show „Berlin Berlin“ auf der Bühne der Kölner Philharmonie. Hier sehen Sie ein undatiertes Bild aus der Show.

Wie sind Sie mit Ihrem schlechten Abschneiden beim ESC umgegangen?

Jendrik Siegwart: Ich habe mir nach dem ESC selber die Schuld gegeben, da habe ich so einen Selbsthass gespürt.

Was war der Grund für das schlechte Abschneiden?

Jendrik Siegwart: Es gibt viele Gründe, warum ich beim ESC damals nicht erfolgreich war. Der Song ist auf jeden Fall Geschmackssache, und die Performance war vielleicht zu speziell.

Woran liegt es, dass Deutschland in den vergangenen Jahren regelmäßig so schlecht abgeschnitten hat?

Jendrik Siegwart: Ich hab' das Gefühl, dass Deutschland in den 2000ern steckt, weil wir da Erfolg hatten. Mit den Songs versuchen wir, die vergangene Zeit nochmal aufleben zu lassen.

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Was muss sich ändern?

Jendrik Siegwart: Der ESC entwickelt sich dahin, professionelle und hoch ernstzunehmende Popmusik zu machen. Viele Songs sind richtig geile Poplieder. Ich habe das Gefühl, dass Deutschland den ESC eher mit Trash-Musik vergleicht, so ein bisschen „cheesy“ und „trashy“ denkt, und deshalb solche Acts hingeschickt hat.

Wir müssen einfach noch die richtige Musik finden und den richtigen Act. Wir lieben ja den ESC und wir lieben ihn nicht nur, weil wir gewinnen wollen, sondern weil das ein tolles Event ist. Die Einstellung muss sich ändern, denn die ehrgeizige „Wir müssen gewinnen“-Einstellung funktioniert bei Musik nicht. Wir müssen einfach nach guten Songs suchen.

Bleiben Sie dem ESC als ehemaliger Act verbunden?

Jendrik Siegwart: Mal sehen, vielleicht komme ich mal als Moderator oder als Gast zurück.

Aktuell stehen Sie in der Show „Berlin Berlin“ auf der Bühne – eine Hommage an die goldenen 20er-Jahre. Was ist das Besondere daran?

Jendrik Siegwart: Das mitreißende Feeling der 1920er-Jahre! Das Freigeistige, dass Jeder und Jede im Club sein darf und alle machen, was sie wollen. Dazu mischt sich auch die Angst, die aufkommt. Die Leute haben sich in diesem Club ja eigentlich vor der Bedrohung versteckt, die damals aufkam. Und natürlich sind in der Show die großen Stars von damals alle mit dabei!