„Eine Menge Schwierigkeiten“Merkel redet bei Türkei-Besuch Klartext mit Erdogan

Bei ihrem Abschiedsbesuch in der Türkei hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf zahlreiche unbewältigte Konflikte im deutsch-türkischen Verhältnis hingewiesen.

Istanbul. Es ist ihr letzter in der Türkei als Bundeskanzlerin. Und Angela Merkel (CDU) hat dabei auf zahlreiche unbewältigte Konflikte im deutsch-türkischen Verhältnis hingewiesen. Die Kanzlerin sprach unter anderem die Themen Menschenrechte, Migration und deutsche Staatsbürger in türkischer Haft an.

„Wir haben hier noch eine Menge Schwierigkeiten zu überwinden“, sagte die scheidende Regierungschefin am Samstag (16. Oktober) nach ihrem Gespräch mit Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. „Dafür haben 16 Jahre nicht ausgereicht“.

Zur Situation von in der Türkei inhaftierten deutschen Staatsbürgern sagte Merkel: „Wir haben manchmal sehr unterschiedliche Betrachtungen, wann der Terrorismusvorwurf gilt“. Während die Bundesregierung in einigen Fällen erfolgreich habe eingreifen können, seien immer wieder neue Fälle dazu gekommen.

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Deutsche Staatsbürger sitzen in türkischen Gefängnissen

Einige der in der Türkei in Gefängnissen einsitzenden deutschen Staatsbürger sind wegen der Unterstützung kurdischer Bewegungen in Haft, die in der Türkei als Terrororganisationen eingestuft werden. Nach Angaben des Auswärtigen Amts liegt die Zahl deutscher Häftlinge in der Türkei im „mittleren zweistelligen Rahmen“.

Weiteres zentrales Thema bei den Gesprächen zwischen Erdogan und Merkel war das Flüchtlingsabkommen der EU mit der Türkei aus dem Jahr 2016. „Die Türkei leistet Außergewöhnliches im Blick auf syrische Flüchtlinge“, sagte sie. Deutschland setze sich ein, dass die Türkei dafür EU-Finanzmittel „über die schon vereinbarten sechs Milliarden hinaus“ bekommt. Sie beklagte jedoch fehlende Fortschritte bei den Vermittlungsbemühungen im Flüchtlingsstreit zwischen der Türkei und dem benachbarten Griechenland.

Die Türkei liegt auf einer der Haupt-Transitrouten für Flüchtlinge Richtung Europa. In dem Abkommen von 2016 hatte Ankara unter anderem zugesagt, gegen Schlepperbanden vorzugehen, die Flüchtlinge nach Griechenland bringen. Die EU unterstützte im Gegenzug die Türkei in den vergangenen Jahren mit Milliardensummen. Dennoch versuchen immer noch tausende Flüchtlinge, von der Türkei aus in die EU zu gelangen.

Flüchtlingskrise: Merkel ruft Erdogan zur Zusammenarbeit auf

Merkel rief den türkischen Präsidenten auch zur Zusammenarbeit im Umgang mit den radikalislamischen Taliban in Afghanistan auf, um eine erneute Flüchtlingskrise zu verhindern. „Damit Menschen aus Afghanistan nicht auch Opfer von Schleppern und Schleusern werden, müssen wir sicherstellen, dass humanitäre Hilfe in Afghanistan geleistet wird“, sagte sie. Sonst drohe im Winter eine „Katastrophe“.

Die Taliban waren im August in Afghanistan nach einem Eroberungsfeldzug an die Macht gelangt. Die Türkei - das einzige muslimische Nato-Land - bemüht sich um einen kurzen Draht zu den neuen Machthabern und verhandelt mit den Taliban über die Sicherung des zivilen Betriebs des Kabuler Flughafens.

Merkel weist auf positive Entwicklung im deutsch-türkischen Verhältnis hin

Erdogan kritisierte beim Treffen mit Merkel erneut rassistische und islamfeindliche Angriffe auf türkischstämmige Menschen in Deutschland. Die Kanzlerin versprach, dass die deutsche Regierung weiterhin „sehr entschieden“ gegen alle Vorfälle von „Menschenfeindlichkeit, des Rassismus, der Feindschaft der Religionen“ vorgehen wolle.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (L) traf Bundeskanzlerin Angela Merkel (R) im „Huber Mansion“ in Istanbul.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (L) traf Bundeskanzlerin Angela Merkel (R) im „Huber Mansion“ in Istanbul. Es wird seit 1985 als Präsidentenvilla der Türkei genutzt.

Neben den „Kontroversen“ wies Merkel auch auf positive Entwicklungen im deutsch-türkischen Verhältnis hin. So lebten 60 Jahre nach dem Anwerbeabkommen für türkische Gastarbeiter mehr als drei Millionen türkischstämmige Menschen in Deutschland. Darunter seien viele Erfolgsgeschichten, beispielsweise die der Mainzer Biontech-Chefs Ugur Sahin und Özlem Türeci, die einen Impfstoff gegen das Coronavirus entwickelt haben. (afp)