Habecks Katar-Trip ein IrrwegEnergie-Experte: Nur so kommen wir aus Putins Gas-Falle

Deutschland auf dem Weg in den fossilen Entzug, wie es Vizekanzler Robert Habeck sieht. Wie wir schnell aus der Abhängigkeit von Despoten wie Wladimir Putin kommen, erklärt im EXPRESS.de-Interview Physik-Professor und Energie-Experte Martin Hundhausen.

von Alexander Haubrichs (ach)

Immer noch finanziert Deutschland durch den Import von russischem Öl und Erdgas das Regime von Wladimir Putin und damit den Krieg in der Ukraine. Können wir den Gashahn zudrehen? Wie können wir unabhängig von Russland werden? Und wie können wir – auch um einen wichtigen Beitrag gegen den Klimawandel zu leisten – so schnell wie möglich klimaneutral Energie produzieren?

EXPRESS.de sprach mit Martin Hundhausen (64), einem der Solar-Pioniere der ersten Stunde. Der Physikprofessor sitzt im Stadtrat von Erlangen, setzt aber praktisch auch immer wieder neue Solarprojekt um. „Tempolimit, Gebäudesanierung, Ausbau der Erneuerbaren Energien – das ist der Dreiklang, wenn es um den schnellstmöglichen Verzicht auf fossiles Gas und Öl geht“, sagt Hundhausen und erklärt, was der Staat zügig umsetzen sollte und wo jeder Einzelne bereits anfangen kann.

Herr Hundhausen, wie kann man die Abhängigkeit von russischen Energie-Importen am schnellsten reduzieren?

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Martin Hundhausen: Am schnellsten ging das vor allem im Verkehrssektor. Ein Tempolimit würde den Benzinverbrauch in Deutschland gleich signifikant senken, bei einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 100 km/h auf Autobahnen, 80 auf der Landstraße und 30 in der Stadt. Es gibt da auch schon eine Petition der Deutschen Umwelthilfe. Die unterstütze ich. Wer meint, es wirklich schneller zu brauchen, der sollte sich fragen, ob er wirklich für die Bomben von Wladimir Putin rasen will. Ein Tankrabatt wäre ebenfalls das falsche Signal – das würde dafür sorgen, dass weniger Energie eingespart wird. Aber wir sollten wirklich jede unnütze Fahrt mit dem Auto vermeiden.

Hundhausen: „Gas aus Katar kaufen? Das ist der völlig falsche Weg!“

Robert Habeck ist gerade in Katar unterwegs, will dort Gas einkaufen. Der richtige Weg?

Martin Hundhausen: Nein, es ist der völlig falsche. Wir haben vor Jahren gesagt, wir wollen weg aus der Abhängigkeit vom Nahen Osten und sind dann auf die tolle Idee gekommen, alles auf russisches Erdgas auszurichten. Jetzt gibt es eine extreme Abhängigkeit aus Russland. Jetzt wäre es aber unsinnig, wieder zu den anderen Despoten zurückzugehen.

Der Westen hat mit harten Sanktionen reagiert, aber die Importe von Öl und Gas gehen weiter. Kann man das abstellen?

Martin Hundhausen: Ich denke, man muss es sogar, denn so finanzieren wir den Krieg weiter und wir stützen Putins Regime. Aus Solidarität und Eigeninteresse. Die Auswirkungen sollen bei einem bis zwei Prozent des BIP liegen, diese Reduktion ist nicht gravierend. Und wir müssen dann halt auf Gas aus Norwegen und anderen Ländern setzen. Aber wir müssen den Gasverbrauch reduzieren und mit Effizienz ausgleichen. Die energetische Sanierung der Gebäude muss in den nächsten Jahren schnell und umfassend in Angriff genommen werden.

Was kann ich denn als Verbraucher tun, um auf Gas zu verzichten?

Martin Hundhausen: In meinem Passivhaus heize ich mit einer Luft-Luft-Wärmepumpe mit 700 kWh, also für 200 Euro im Jahr. Die ist leicht einbaubar und hat mich rund 3000 Euro gekostet. Damit ist auch in vielen normalen Häusern mindestens ein Raum gut beheizbar, solange Strom da ist und die Erdgasheizung kann reduziert oder ausgeschaltet werden. Dazu sollte man bei älteren Häusern aber einen Sanierungsplan erstellen, um dann nach und nach den Wärmebedarf zu reduzieren. Wenn ich bspw. das Haus streiche, kann ich das Gerüst nutzen, um gleich eine neue Wärmedämmung anzubringen.

Was ist mit Holz als nachwachsendem Rohstoff? Sind Kaminöfen oder Pelletheizungen die Lösung?

Martin Hundhausen: Diese Hoffnung muss ich Ihnen leider auch nehmen. Auch Holz ist eine Sackgasse. Hier muss man sagen: Holz als Brennstoff ist nicht sauber, wir können auch keine Wälder hier oder in Osteuropa kaputtmachen, um zu heizen. Und: Eine Versorgungssicherheit gibt es hier auch nicht. Nur erneuerbare Energien sind ausreichend verfügbar.

Das können Sie auch als Mieter tun

Und was ist für Mieter möglich?

Martin Hundhausen: In gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften könnte man Mieterstromkonzepte umsetzen, mit Photovoltaikanlagen auf den Dächern, bei denen die Mieter günstig mit Strom versorgt werden können. Wir brauchen so viele „Prosumer“ wie möglich – das heißt, dass wir nicht nur Energie-Konsumenten, sondern auch Produzenten werden.

Deutschland war ja einmal Vorreiter bei den Erneuerbaren Energien-Gesetz Anfang des Jahrtausends…

Martin Hundhausen: Ja bis 2012 und wir könnten schon längst durch sein mit der Energiewende, aber die schwarz-gelbe Regierung hat das alles 2012 gestoppt. Jetzt hinken wir immer noch hinter den Ausbauzahlen von 2010 her. Wir müssen den Ausbau der Photovoltaik massiv voranbringen.

Bei uns in NRW wie bei Ihnen in Bayern haben die Landesregierungen in den vergangenen Jahren den Ausbau der Windenergie massiv behindert. Was muss da passieren?

Martin Hundhausen: Die Windenergie ergänzt die Solarenergie sehr gut. Wenn weniger Gas verbraucht werden soll, brauchen wir im Winter den Wind. In NRW und auch in Bayern wären moderne hohe Windkraftanlagen absolut rentabel, da lässt sich kostengünstig wertvoller Strom liefern. Aber da müssen wir die Genehmigungsverfahren beschleunigen, es kann nicht fünf Jahre dauern, ehe wir neue Windräder bauen.

Warum Erneuerbare Energien den Strom billiger machen

Aber machen die Erneuerbaren Energien den Strom nicht immer teurer?

Martin Hundhausen: Das Gegenteil ist der Fall, das hat die Wissenschaft schon längst belegt. Jeder der eine Anlage baut, schützt das System und senkt die Preise. Aber der Staat muss die Voraussetzung schaffen, dass ich sicher in die neuen Energien investieren kann.

Taugt die Atomkraft als Brückentechnologie?

Martin Hundhausen: Nein, überhaupt nicht und ich verstehe auch nicht, warum unser Ministerpräsident Markus Söder darüber nachdenkt. Die drei AKWs, die wir noch haben, können keinen wirklichen Beitrag zur Energiesicherheit bieten. Zumal wir das Uran auch aus Russland kaufen müssten. Von dieser Technologie sollten wir tunlichst die Finger lassen!