Klatsch-Konzerte überallWie unsere Corona-Helden behandelt werden, ist eine Schande

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Kampf an vorderster Front: Provisorische Schutzmaßnahmen schützen Kassierer und Kassiererinnen in einer Drogerie-Filiale vor dem Corona-Virus.

von Martin Gätke (mg)

Köln – Die Corona-Krise zeigt eindrucksvoll, welche Berufe in der Gesellschaft wirklich gebraucht werden. Zurecht werden die „Helden des Alltags“ von den Balkonen aus beklatscht, in den sozialen Netzwerken bejubelt. Allein auf dem Konto der „Helden“ geht es so gar nicht heldenhaft zu: Viele schaffen es nicht einmal, ihren täglichen Alltag mit dem Geld zu meistern. Es ist eine Schande, dass das erst jetzt so langsam in den Köpfen unserer Gesellschaft und unserer Politiker dämmert, findet unser Autor. Ein Kommentar.

„Systemrelevant“ – so werden die Berufe in Zeiten von Corona genannt, die den Laden am Laufen halten. Es sind Menschen, die ansonsten eher unsichtbar für uns sind. Wie Zahnräder hinter einem Ziffernblatt sorgen sie dafür, dass alles reibungslos funktioniert. Dass wir zur Arbeit kommen, dass wir unsere Lebensmittel kaufen können, dass wir unsere Lieben in guten Händen wissen, dass unser Dreck, den wir produzieren, wieder verschwindet.

Doch erst, wenn alles brennt, bemerken wir, wer eigentlich die Wassereimer trägt, um zu löschen. Berufe wie Erzieherinnen und Erzieher, Pflegekräfte, Müllwerker, Verkäuferinnen und Verkäufer, Postzustellerinnen und Postzusteller werden von der Regierung für unverzichtbar erklärt. Sie sind es, die an vorderster Front gegen den Virus kämpfen – und ihre Gesundheit riskieren.

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Wie aber kann es sein, dass diese „unverzichtbaren“ Arbeiter kaum von dem leben können, was sie für uns tun?

Corona: Verkäuferinnen mussten 2018 Grundsicherung in Anspruch nehmen

Viele der Beschäftigten müssen seit Jahren Sozialleistungen in Anspruch nehmen, weil ihr Gehalt zum Leben nicht reicht. 50.000 Verkäuferinnen und Verkäufer mussten zum Beispiel 2018 Leistungen der Grundsicherung in Anspruch nehmen, obwohl sie sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren. Genau dieselben Menschen, die jetzt unser Klopapier tonnenweise in die Regale nachschaufeln.

Klar: Unternehmen wie Rewe haben bereits Prämien angekündigt: 20 Millionen sollen es sein. Angesichts der leeren Regale kann sich der Einzelhandel das wohl auch gut leisten. Ähnliches ließ Aldi Süd verlauten. Das ist gut, doch was wird nach der Krise sein? Es wird endlich Zeit, dass unsere „Helden“ vernünftig bezahlt werden. Und zwar langfristig!

Warum werden Pflegeberufe so schlecht bezahlt?

Denn diese Diskussion über bessere Gehälter ist uralt und sollte endlich vom Tisch – spätestens nach dieser Krise. Warum werden Fertigungsberufe in unserer Gesellschaft so viel besser bezahlt als Pflegeberufe? Warum wird Verantwortung für Maschinen so viel höher eingestuft als für Menschen? Obwohl es gerade diese Jobs sind, die für den sozialen Zusammenhalt sorgen – wie gerade jetzt deutlich sichtbar wird.

Und warum sind noch immer so viel mehr unterbezahlte Frauen in den für uns angeblich so wichtigen Berufen tätig als Männer?

Politik hat zu lange keine Antworten auf die Frage nach besserem Gehalt gefunden

Deutschland hat eines der besten Gesundheitssysteme weltweit – dieser Satz ist in diesen Tagen schon oft zu hören gewesen. Doch dieses System schaffte es bislang kaum, unsere Alten, Kranken und Schwachen mit ausreichend Personal zu pflegen. Denn die schlechte Bezahlung sorgt dafür, dass es an Fachkräften mangelt. Stattdessen kamen billigere Arbeitskräfte aus anderen Ländern. Und die völlig überforderten Pflegerinnen gehen überdurchschnittlich oft in den vorgezogenen Ruhestand oder machen Teilzeit.

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Schluss damit! Dass die Politik so lange keine Antworten auf diese Probleme gefunden hat, ist ein Armutszeugnis. Doch wenn wir diese Krise überstehen und unsere „Helden“ noch immer vor der Agentur für Arbeit Schlange stehen müssen, wäre das eine Schande.

Sofort-Lösung für bessere Gehälter muss her

Die Regierung plant derzeit neue Corona-Hilfen, weil viele Unternehmen schwer unter Druck stehen. Es geht um zinslose Kreditprogramme, Gutschein-Lösungen, finanzielle Hilfen für Start-ups oder Selbstständige. In diese Hilfe gehört dringend auch eine Sofort-Lösung für vernünftige Gehälter, bessere Arbeitsbedigungen und in der Rentenzahlung – für Postboten, Müllwerker, Regal-Einräumer… Damit sie sich nach der Krise einen ordentlichen Urlaub leisten können.