Pressekonferenz der AmpelSchon bei der ersten wichtigen Frage will Scholz keine Antwort geben

Es ist vollbracht: Die Ampel kann ihre Arbeit aufnehmen, SPD, Grüne und FDP haben den Koalitionsvertrag unterschrieben – zweieinhalb Monate nach der Bundestagswahl.

SPD, Grüne und FDP haben das Programm ihrer gemeinsamen Regierungskoalition besiegelt. Die Spitzenvertreter der Ampel-Parteien unterzeichneten dafür am Dienstag (7. Dezember) in Berlin ihren Koalitionsvertrag.

Anschließend traten der designierte Kanzler Olaf Scholz, der neue Vizekanzler Robert Habeck und der künftige Finanzminister Christian Lindner dann vor die Presse und standen in der ersten gemeinsamen Bundespressekonferenz den Journalisten Rede und Antwort. Und schnell wurde klar: Alle drei scheinen Streit untereinander vermeiden zu wollen, man antwortete bedächtig und vorsichtig – und kam dabei schnell ins Schwurbeln.

Scholz: Der ersten wichtigen Frage weicht er nur aus

Auch Scholz wich oft aus. Bei der Frage danach, warum denn in der Konferenz keine Frau dabei ist, gab Scholz der Journalistin keine richtige Antwort und sagte stattdessen: „Es ist wichtig, dass Frauen und Männer zur Hälfte in diesem Kabinett vertreten sind. Wir wagen einen Aufbruch.“

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Allerdings war auch zu spüren: Die Ampel hat Lust zu regieren – und will endlich in die Regierung starten. Hier die wichtigsten Aussagen der Ampel-Spitzen: 

Bundespressekonferenz mit Scholz – die wichtigsten Aussagen

  • Wann werden die ersten Erfolge im Kampf gegen den Klimawandel messbar sein? Klimaschutz sei nicht ohne Zumutung zu haben. Habeck: „Wenn wir ehrlich sind, fangen wir in einem Rückstand an und werden ihn die ersten eineinhalb Jahre mit uns herumschleppen“. Man werde die strukturellen Weichen so stellen, dass man schnell Ziele sehe. „Die Wirksamkeit wird sich im zweiten oder dritten Jahr entfalten.“ Es werde eine Zeit dauern, wirtschaftlichen Wachstum mit Klimaschutz zu verbinden.
  • Wie wird Deutschland mit Staaten wie Polen oder Ungarn umgehen? Diese verstoßen immer wieder gegen EU-Recht, agieren rechtsstaatlich fragwürdig. Man tue der Situation in den osteuropäischen Ländern oft Unrecht, antwortet Habeck. Es gebe dort auch starke Bewegungen für eine andere Politik. „Dessen ungeachtet muss die Rechtsstaatlichkeit eingefordert werden, das sollte Deutschland unterstützen“.
  • Wird es einen diplomatischen Boykott der Olympischen Winterspiele im kommenden Jahr in Peking geben? Zuletzt haben die USA das Vorhaben verkündet. Scholz diplomatisch: „Es ist wichtig, dass man zusammenarbeitet und die Signale der Zusammenarbeit nutzt.“ Man werde sich ab morgen im Kabinett zusammensetzen.
  • Woran werden die Menschen in Europa merken, dass Merkel weg ist und Scholz Bundeskanzler? Scholz weicht wieder aus: „Deutschland ist ein sehr großes Land mit großer Wirtschaftskraft mitten in Europa. Es ist wichtig, dass das Parlament sich verpflichtet fühlt, Fortschritt in Europa möglich zu machen.“ Die meisten könnten ihn in Europa gut einschätzen „und damit die künftige Regierung“. Auch im Kampf gegen die Pandemie habe man sich „immer solidarisch gezeigt. “
  • Auf die kommende Ministerpräsidentenkonferenz angesprochen erklärt Scholz, dass so ein Treffen in neuer Konstellation nun wichtig sei. Geplant ist sie für Donnerstag, 9. Dezember. „Wir werden darüber reden, was uns alle umtreibt: die Corona-Pandemie. Und was wir dagegen tun wollen.“ Man müsse nun sehen, wie gut die Maßnahmen in den einzelnen Ländern funktionieren.
  • Habeck und Lindner stimmen dem zu. Lindner: „Alle, die die demokratische Grundordnung infrage stellen, müssen sich sicher sein, dass dieser Staat das nicht hinnehmen wird.“
  • Auf die Fackelaufzüge in Sachsen angesprochen erklärt Scholz ganz klar: „Wenn sie vor dem Haus einer Gesundheitsministerin stattfinden, dann ist das als Bedrohung gemeint.“ Die Gesellschaft sei aber nicht gespalten, sondern überwiegend einer Meinung, meint Scholz. „Es gibt Nuancen.“ Gewalt sollte jedoch in jedem Fall vermieden werden. Scholz bekräftigt die neuen härteren Maßnahmen gegen Ungeimpfte: „Wir brauchen Einschränkungen für diejenigen, die sich nicht impfen lassen haben.“
  • Wie wird jetzt über eine Impfpflicht entschieden? Lindner erklärt, dass es eine offene Abstimmung unter den Bundestagsabgeordneten geben werde. Auch die FDP werde das ohne Fraktionszwang tun – es werde keine einheitliche Meinung innerhalb der Partei geben. „Wir als Freie Demokraten werden diese Frage in die ethische Abwägung unserer Partei stellen.“
  • Wie stehen die Politiker zu den Waffenlieferungen in die Ukraine? Wird eine Waffenlieferung noch immer befürwortet? „Sicherheit und Zusammenarbeit setzen auf wichtige Grundsätze wie die Unverletzlichkeit der Grenzen“, so Scholz. „Wir aus Deutschland gucken sehr besorgt auf die Truppenbewegungen an der ukrainischen Grenze. Das wäre eine inakzeptable Sache, wenn es da eine Bedrohung gibt.“ Biden und die EU hätten da eine ähnliche Haltung. 
  • Wo sieht Scholz die dringendsten Notwendigkeiten einer Kursänderungen in der Außenpolitik? „Zwischen der deutschen und amerikanischen Regierungen finden schon jetzt wichtige Gespräche statt“, sagt Scholz, er habe sich bereits mit Merkel abgestimmt. Die Zusammenarbeit mit den USA sei einer der wichtigsten Aspekte, „das wird auch die Politik in Zukunft bestimmen“. 
  • Wie wird Lindner das Finanzministerium umbauen? Was sind die ersten Vorhaben? „Die werden geprägt sein durch den Nachtragshaushalt 2021“, so Lindner. Über weitere inhaltliche Fragen werde danach entschieden. „Das werde ich nicht tun, bevor ich das Haus betreten habe. “
  • Wo liegen die Schmerzgrenzen der einzelnen Parteien innerhalb der Ampel? Wie sehr mussten sie sich verbiegen? „Alle Parteien werden in der Regierung wachsen und sich zum Besseren verändern“, erklärt Robert Habeck. Lindner ergänzt staatsmännisch: „Wir wollen uns nicht begrenzen, sondern erweitern.“
  • Eine Journalistin fragt, was das für ein Signal ist, dass in der Bundespressekonferenz keine Frau sitzt. Scholz will offenbar keine richtige Antwort nennen, weicht aus und sagt, dass es ihm wichtig sei, dass Parität in seinem Kabinett herrsche. „Wir wagen einen Aufbruch“.
  • Welche Ziele hat Scholz, wenn es um die Außenpolitik geht? Wohin reist er als Erstes? Scholz antwortet: „Die Schwerpunkte sind in den Vereinbarungen erläutert. Es geht darum, dass wir anknüpfen daran, eine starke Europäische Union zu schaffen.“ Seine erste Reise werde ihn nach Paris führen. Scholz betont die transatlantischen Ziele. 
  • Der Vorsitzende der Bundespressekonferenz beginnt mit einem Seitenhieb: „Ich hoffe, Sie kommen häufiger als Ihre Vorgängerin, die einmal im Jahr kam“, sagte er zu Scholz. Der schmunzelt nur.

Neuer Kanzler Scholz: Am Mittwoch soll er gewählt werden

Nach SPD und FDP hatten am Montag auch die Grünen dem 177 Seiten starken Koalitionsvertrag zugestimmt, der den Titel „Mehr Fortschritt wagen“ trägt. Auch alle Ministerinnen und Minister sind inzwischen benannt. Am Mittwoch soll Scholz im Bundestag zum Kanzler gewählt und sein Kabinett vereidigt werden. Damit endet nach 16 Jahren die Ära von Angela Merkel (CDU), die bei der Bundestagswahl am 26. September nicht wieder kandidiert hatte.

Scholz sagte am Dienstag: „Das soll ein Morgen sein, bei dem wir aufbrechen zu einer neuen Regierung.“ Die Verhandlungsergebnisse der letzten Wochen machten Fortschritt möglich. Der Kampf gegen die Corona-Krise werde zunächst die ganze Kraft der neuen Koalition erfordern.

Grünen-Chef Robert Habeck sagte, Ziel sei eine „eine Regierung für die Menschen in Deutschland“. Er betonte die Herausforderung, in der größten Industrienation Europas und viertgrößten Volkswirtschaft der Welt Klimaneutralität und Wohlstand zusammenzubringen. Grünen-Chefin Annalena Baerbock sprach von einem Koalitionsvertrag „auf der Höhe der Wirklichkeit, auf der Höhe der gesellschaftlichen Realität“.

FDP-Chef Lindner: „Jetzt beginnt die Zeit der Tat“

FDP-Chef Christian Lindner sagte: „Jetzt beginnt die Zeit der Tat.“ Er erklärte, gemeinsames Ziel sei es, „mehr Fortschritt“ zu wagen. Lindner: „Wir geben uns keiner Illusion hin. Das sind große Herausforderungen, vor denen wir stehen.“

In ihrem über Wochen ausgehandelten Koalitionsvertrag versprechen die Ampel-Parteien unter anderem große Anstrengungen beim Klimaschutz und einen Umbau der Industrie. Zugleich sind Verbesserungen etwa für Geringverdiener, Mieter und Familien vorgesehen. (mg/dpa)