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Taliban siegen in KabulBundeswehr startet Evakuierung, Merkel spricht von „bitteren Stunden“

Soldaten stehen am Fliegerhorst Wunstorf in der Region Hannover.

Soldaten stehen am Fliegerhorst Wunstorf in der Region Hannover. Von hier starteten Transportflugzeuge vom Typ Airbus A400M der Luftwaffe. Angesichts des rasanten Vormarschs der Taliban in Afghanistan hat die Bundeswehr mit der Evakuierung deutscher Staatsbürger und afghanischer Ortskräfte aus Kabul begonnen

Wird es ein Rennen gegen die Zeit? Vor den schnell anrückenden Taliban soll die Bundeswehr deutsche Staatsbürger und Ortskräfte aus Kabul retten. Es wird der bislang wohl größte Einsatz dieser Art.

Berlin/Seedorf. Nach der Übernahme Kabuls durch die militant-islamistischen Taliban hat die Evakuierung deutscher Staatsbürger aus der afghanischen Hauptstadt begonnen. In der Nacht zu Montag landeten nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur 40 Mitarbeiter der deutschen Botschaft mit einem US-Flugzeug in Doha im Golfemirat Katar. Wenige Stunden später starteten am Morgen die ersten drei Militärmaschinen der Bundeswehr mit Fallschirmjägern an Bord Richtung Kabul. Sie sollen die Evakuierung absichern.

Es ist die bislang wohl größte Mission dieser Art der Bundeswehr - und eine besonders brisante. „Fest steht: Es ist ein gefährlicher Einsatz für unsere Soldatinnen und Soldaten“, schrieb das Verteidigungsministerium am Montag auf Twitter. Die Bundeswehr war erst Ende Juni nach einem 20-jährigen Einsatz aus Afghanistan abgezogen.

Die Bundeswehr ist zur Evakuierung deutscher Staatsbürger und afghanischer Ortskräfte mit einem ersten Transportflugzeug nach Afghanistan aufgebrochen. Am niedersächsischen Fliegerhorst in Wunstorf (Region Hannover) startete am Montagmorgen eine Maschine des Typs A400M nach Kabul.

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Afghanistan: Merkel spricht von „bitteren Stunden“

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat angesichts der aktuellen Entwicklung  von „bitteren Stunden“ gesprochen. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur machte Merkel am Montag in einer Sitzung des CDU-Präsidiums deutlich, wie wichtig die gerade angelaufene Aktion der Bundeswehr zur Rettung von deutschen Staatsangehörigen, Angehörigen der Botschaft und Ortskräften sei. Demnach wies sie ausdrücklich auch auf die Tatsache hin, dass die Sicherung des Flughafens in Kabul nur mit Unterstützung von US-Truppen möglich sei.

Dadurch werde deutlich, was man könne und was nicht, sagte Merkel nach diesen Informationen offenbar auch mit Blick auf die Möglichkeiten der Bundeswehr. Angesichts der drohenden Flüchtlingsbewegungen machte die Kanzlerin klar, wie wichtig es sei, die Nachbarländer Afghanistans sowie die gesamte Region zu unterstützen. Inwieweit Menschen Afghanistan verlassen könnten, werde aber abhängig von den Taliban sein, ergänzte sie demnach.

Merkel wies nach diesen Informationen auf die Richtungsentscheidung der US-Regierung zum Abzug aus Afghanistan sowie auf den Ursprung der westlichen Militäraktion in Afghanistan hin: Die Anschläge von Al-Kaida in den USA vom 11. September 2001 hatten den US-geführten Militäreinsatz in Afghanistan ausgelöst. Der Drahtzieher der Anschläge, Al-Kaida-Chef Osama bin Laden, hielt sich unter dem Schutz der Taliban in Afghanistan auf.

Evakuierungseinsatz in Afghanistan gestartet

Die militant-islamistischen Taliban hatten in den vergangenen Tagen in einem rasanten Tempo eine Stadt nach der anderen teilweise kampflos eingenommen, waren am Sonntag auch in die Hauptstadt Kabul eingedrungen und haben bereits den Präsidentenpalast in ihrer Kontrolle. Die Bundesregierung hatte angesichts der dramatischen Lage am Freitag entschieden, das Botschaftspersonal auf ein Minimum zu reduzieren. Am Sonntag wurden alle Mitarbeiter zum Flughafen gebracht, der von tausenden US-Soldaten abgesichert wird.

Der erste Evakuierungsflug wurde mit einer US-Maschine absolviert, da die Bundeswehr erst in der Nacht zu Montag Transportmaschinen vom Typ A400M vom niedersächsischen Wunstorf aus nach Kabul losschicken wollte. Sie sollen in den nächsten Tagen zentraler Bestandteil einer „Luftbrücke“ sein, über die neben den Botschaftsmitarbeitern auch andere deutsche Staatsbürger sowie Ortskräfte, die für die Bundeswehr oder Bundesministerien in Afghanistan gearbeitet haben oder noch arbeiten, nach Deutschland gebracht werden sollen.

Afghanistan: Botschaftsangehörige müssen ausgeflogen werden

Sieben Wochen nach dem Abzug der letzten deutschen Soldaten aus Afghanistan jagte in Berlin in den vergangenen Tagen eine Krisensitzung die nächste. Die heiße Phase begann am Freitag um 11.30 Uhr mit Beratungen im Auswärtigen Amt. Die Gesamtzahl deutscher Staatsbürger, die bis Sonntag noch in Kabul waren, wurde auf mehr als 100 geschätzt. Um wieviele Ortskräfte es geht, war bis zuletzt unklar.

Es ist auf jeden Fall eine Zahl im vierstelligen Bereich. Alleine in der staatlichen Entwicklungshilfe waren zuletzt noch 1100 Afghanen in deutschem Auftrag tätig. Hinzu kommen tausende ehemalige Ortskräfte der Bundeswehr oder der Bundesministerien.

Die A400M-Maschinen der Bundeswehr, die Platz für 114 Passagiere bieten und über besonderen Schutz gegen Angriffe beispielsweise mit Raketen verfügen, fliegen die Betroffenen in ein „Drittland“ aus, das von der Bundesregierung aus Sicherheitsgründen noch nicht genannt wird. Von dort geht es mit zivilen Maschinen weiter nach Deutschland.

Die Evakuierungsaktion wird von Fallschirmjägern der Division Schnelle Kräfte der Bundeswehr unterstützt, die eine Spezialausbildung für solche Einsätze hat. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hatte den Einsatz am Sonntag als gefährlich bezeichnet. „Wir sind auf alle Szenarien eingerichtet“, sagte sie.

Mitarbeiter rechnen mit „Infiltration“

Allerdings sind für viele Ortskräfte die Wege ins rettende Kabul bereits versperrt, nachdem die Taliban ihren Eroberungsfeldzug im Eiltempo und oft auch gegen kampflos kapitulierende Regierungskräfte fortsetzen. Sie stehen nun praktisch vor den Toren Kabuls. Dass sie die Evakuierungskräfte in der afghanischen Hauptstadt angreifen könnten, gilt den Militärplanern angesichts der wieder verstärkten US-Truppen als eher unwahrscheinlich, sehr wohl aber wird mit einer „Infiltration“ gerechnet.

Britische Soldaten kommen in Kabul an. Die Soldaten sind Teil einer 600-köpfigen Truppe zur Assistenz der Operation „Pitting“ in Afghanistan. Ziel ist es, britische Staatsangehörige und Afghanen, die mit Großbritannien zusammengearbeitet hätten, aufgrund der aktuellen Taliban-Offensive außer Landes zu bringen.

Auch britische Soldaten kommen in Kabul an. Die Soldaten sind Teil einer 600-köpfigen Truppe zur Assistenz der Operation „Pitting“ in Afghanistan. Ziel ist es, britische Staatsangehörige und Afghanen, die mit Großbritannien zusammengearbeitet hätten, aufgrund der aktuellen Taliban-Offensive außer Landes zu bringen.

Die Militärführung hatte deswegen am Freitag auch NH-90-Hubschrauber in Bereitschaft versetzt, die den Transport innerhalb Kabuls übernehmen könnten. Allerdings wurden sie erst jüngst aus Afghanistan abgezogen und müssten nun mit der Kraft der eigenen Triebwerke und über zahlreiche Zwischenstationen zurück an den Hindukusch verlegt werden.

Evakuierung in Afghanistan: Vor allem logistische Aufgabe

Die Evakuierung ist vor allem eine logistische Aufgabe: Menschen auf einer Liste müssen zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem Punkt versammelt und identifiziert werden - notfalls auch in einer feindlichen Umgebung, in der Straßen nicht mehr ungehindert befahren werden können. Einen solchen Einsatz hat es für die Bundeswehr so weit entfernt noch nicht gegeben. Aber: Beim Zusammenbruch in Albanien im März 1997 hatten deutsche Soldaten mit der „Operation Libelle“ rund 100 Menschen aus Tirana ausgeflogen. Dabei kam es zu einem Schusswechsel. Im Jahr 2011 wurden bei der „Operation Pegasus“ bedrohte Deutsche aus Libyen gebracht.

Opposition übt harte Kritik an Einsatz

In Berlin kommt nun Kritik, aber auch Zustimmung aus Parteien, die stets gegen diesen Einsatz waren: Der FDP-Außenexperte Alexander Graf Lambsdorff sagte der „Welt“ (Online Sonntag/Print Montag), Maas, Kramp-Karrenbauer und Innenminister Horst Seehofer (CSU) hätten „auf ganzer Linie versagt“. Auch für Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter ist die Aktion zu spät angelaufen. „Man muss sich fragen, warum die Bundesregierung so überrascht wirkt vom schnellen Vorstoß der Taliban“, sagte er der dpa. Die Bundesregierung müsse jetzt ganz schnell handeln.

Der Fraktionsgeschäftsführer der Linken im Bundestag, Jan Korte, nannte das Agieren vor allem von Maas „skandalös“. Korte warf dem Außenminister vor, damit Menschenleben zu gefährden. AfD-Fraktionschef Alexander Gauland kritisierte in der „Welt“, die Bundesregierung habe den richtigen Zeitpunkt für die Evakuierung „verschlafen“.

Der Fraktionschef der SPD im Bundestag, Rolf Mützenich, hatte dagegen bereits am Sonntag Vorwürfe gegen Maas zurückgewiesen. „Heiko Maas leitet nicht nur den Einsatzstab zur Rettung der deutschen Staatsangehörigen und Botschaftskräfte, sondern hat sich in den letzten Wochen auch intensiv um die Ausreise der afghanischen Ortskräfte und weiterer Menschen, die über die Unterstützung der Bundeswehr hinaus vor Ort tätig sind, gekümmert.“ Zudem befinde er sich im ständigen Austausch mit den internationalen Partnern. (dpa)