„Das ist nicht richtig“Virologe Streeck hält neueste Aussage von Jens Spahn für einen Fehler

Hendrik Streeck, Direktor des Instituts für Virologie an der Uniklinik Bonn, steht mit einem weißen Kittel in einem Labor seines Institutes.

Hendrik Streeck, Direktor des Instituts für Virologie an der Uniklinik Bonn, steht im Oktober 2021 in einem Labor seines Institutes. Streeck kritisiert den Begriff der „Pandemie der Ungeimpften“, wie kürzlich von Jens Spahn verwendet.

Die Corona-Lage in Deutschland verschärft sich, in vielen Regionen schießen die Zahlen nach oben, die vierte Welle scheint da. Eine „Pandemie der Ungeimpften“, wie Jens Spahn (CDU) kürzlich erklärte. Für Virologe Hendrik Streeck ist diese Aussage aber ein Fehler.

Bonn. „Die Pandemie ist alles andere als vorbei“: So lauteten die warnenden Worte des geschäftsführenden Bundesgesundheitsministers Jens Spahn bei der Pressekonferenz am Mittwoch (3. November). Er nannte im Wesentlichen drei Mittel, um jetzt gut durch den Herbst und den Winter zu kommen: Testkonzepte in allen Pflegeheimen. In Regionen mit sehr vielen Infektionen Zugangsregeln nur für Geimpfte und Genesene (2G).

Und: Noch mehr Impfungen und Auffrischungsimpfungen. Denn dies, so Spahn, sei eine „Pandemie der Ungeimpften“.

Der Bonner Virologe Hendrik Streeck hält Booster-Impfungen zwar ebenfalls für wichtig. Er meint aber: Sie lösen aber das derzeit größte Problem nicht. Der Experte kritisierte zudem Spahns Begriff „Pandemie der Ungeimpften“.

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Wie er im Interview mit „n-tv“ erzählt, sehe er in der Impflücke das größte Problem. Die Booster-Impfung sei sinnvoll für Menschen über 70 oder solchen, die eine Vorerkrankung und damit ein höheres Risiko für einen schwereren Verlauf haben. „Die Booster-Impfung hat aber nicht den Effekt, dass es unsere Impflücke schließt. Vor allem bei den über 60-Jährigen müssen wir durch gezielte Ansprache, vielleicht durch die Krankenkassen oder den Hausarzt, erreichen, dass sich dort mehr Menschen impfen lassen.“ Denn das seien die Personen, die am Ende einen schweren Verlauf haben können.

Virologe Hendrik Streeck bedauert, dass kostenlose Tests fehlen

Streeck plädiert für mehr Impfungen auf der einen Seite – bedauert es auf der anderen Seite aber auch sehr, dass in dieser Corona-Saison keine flächendeckenden kostenlosen Tests mehr zur Verfügung stehen. „Die kostenfreien Testangebote haben uns gut durch den letzten Herbst und Winter gebracht. Und ich glaube, es ist wichtig, über diese Tests einen guten Überblick zu haben, wie sich das Infektionsgeschehen in Deutschland verhält.“ 

Dies sei ein „wichtiges Standbein“ gewesen und gebe den Bürgern eine gewisse Selbstverantwortung: „Man hat vielleicht das Gefühl, man hatte einen Risikokontakt und geht dann aus Eigenverantwortung schnell testen.“ Das sei auch bei Geimpften sinnvoll, denn auch bei ihnen können Ausbrüche oder auch Übertragungen stattfinden, auch sie können das Virus weitergeben.

Virologe Streeck kritisiert Spahns Begriff 

Den Begriff der „Pandemie der Ungeimpften“, den zuletzt auch Spahn in der Pressekonferenz verwendete, findet Streeck daher nicht zutreffend, wie er weiter erklärt. „Und das ist nicht richtig, sondern wir sind alle Teil der Pandemie. Und ich würde eher an alle Bürger appellieren, dass man sich klarmacht, dass wir diesen Herbst und Winter alle nochmal mit verantwortlich sind und jeder seine Verantwortung übernehmen muss. Natürlich gilt das noch mehr für die Ungeimpften.“ (mg)