„Geht nicht, gibt's nicht!“Wie eine Deutsche Kinderheime in aller Welt aufbaut
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Nicole Mtawa hat ihr drittes Buch geschrieben. Es heißt „Besser als ein Traum“ (Knaur, 12,99 Euro). Darin zeigt sie auf, wie man selbst als Alleinerziehende Berge versetzen kann, wenn man nur wirklich will.
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Windhuk – Sie traf auf Kinder, die bis aufs Skelett abgemagert waren, die man ans Bett fesselte, einfach wegschloss oder gar aussetzte. Aus Überforderung oder aus Scham. Weil sie nicht so waren wie andere. Krank und „voll pflegebedürftig“. Das höre sich doch besser an als „behindert“, findet Nicole Mtawa .
Die Deutsche hat bereits in Indien und Tansania Heime für Kinder „aus dem (trockenen) Boden gestampft“, im nächsten Jahr wird die alleinerziehende Mutter mit Töchterchen Julie (5) weiterziehen – nach Namibia, um eine Therapiestätte mit Tieren aufzubauen. Woher nimmt sie bloß diese Kraft?
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In diesem Kinderdorf in Tansania finden Kinder einen Zufluchtsort.
Fast alle Kinder sind bei ihrer Aufnahme in einem sehr schlechten körperlichen, emotionalen und gesundheitlichen Zustand. Trotz ihrer schweren Behinderungen haben sie meist noch nie in ihrem Leben Therapien erhalten.
Sie sind stark unter- oder mangelernährt, können nicht mehr lachen, haben oft schwere Infektionen“, beschreibt die 39-Jährige in ihrem Buch den katastrophalen Zustandvor Ort.
Die Idee zum Helfen reifte im Studium heran
Die Idee, ihr Leben ganz den Ärmsten der Armen zu verschreiben, kam ihr während ihres Textil- und Bekleidungstechnikstudiums. Dabei absolvierte sie längere Auslandsaufenthalte in Australien, Indien und Tansania, erlebte dort gerade in den armen Ländern die Situation vor Ort. Das ist jetzt 15 Jahre her.
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Diese Kinder werden als Behinderte in Tansania oft ausgegrenzt, haben keine Chance auf ein menschenwürdiges Leben. Deshalb ist das Kinderdorf für sie ein Zufluchtsort.
Ihre Projekte werden durch private Spender, Firmen und Fördermitgliedschaften finanziert (Human Dreams e.V). „Mit zwanzig Euro kann man hundert Pflastersteine für die Straße zum Pflegeheim spenden oder mit dreißig Euro einen Meter Mauer bezahlen“, prescht sie auf ihren Fundraising-Touren vor, die sie im 20 Jahre alten Mini und einem kleinen, bunten Oldie-Caravan unternimmt.
Tropische Hitze setzt Nicole zu
Okay, manchmal wird es ihr echt etwas zu viel, gesteht sie und erzählt von Tansania: „Sicher könnte man sich im Grunde kaum einen schöneren Arbeitsplatz vorstellen – in einem Land, wo der Himmel fast jeden Tag blau und das Meer nur wenige Kilometer entfernt ist und die Sonne über dreihundert Tage im Jahr scheint. Aber gerade deshalb war es ja so anstrengend. Bei tropischer Hitze diese stundenlangen Einkäufe in der Stadt zu erledigen. Das meiste besorge ich durch hartes Feilschen selbst, um immer das Günstigste, Beste und Schönste zu erhalten, egal, ob es um Fliesen oder Möbel geht.“
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Dann geht’s wieder ins heiße Auto, ab nach Hause, um ja nicht den Schulbus zu verpassen, der die kleine Tochter von der Vorschule wieder heimbringt.Die süße Julie, das Geschenk der Liebe, die leider doch keine Zukunft hatte.
Nicole schlief zwei Monate in ihrem Mini
Nicole war 26, als sie sich Hals über Kopf in Juma verliebte, einen jungen Mann, der seit seiner Kindheit auf der Straße lebte, an Tuberkulose erkrankt war.Sich einfinden, Lebensumstände nachvollziehen wollen, das ist sicherlich eine der großen Stärken der Mittdreißigerin.
Damals beschloss sie, für zwei Monate im Mini zu schlafen, um zu erfahren, wie es ist, auf der Straße zu leben. Mittlerweile sind die beiden zwar kein Paar mehr, aber gute Freunde.
Das Projekt in Tansania läuft. Also auf zu neuen Ufern. Warum ausgerechnet Namibia? Sie lacht: „Schuld daran war tatsächlich die bekannte deutsche Dokusoap 'Bauer sucht Frau'. Während sich viele Frauen sicher vor allem an Farmer Geralds tollem Aussehen erfreuten, fielen mir besonders die wunderschönen Landschaftsaufnahmen auf.“
Jetzt will sie lieber in Namibia leben
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Langeweile kennt Julie nicht, ihre Mutter nimmt sie überall mit hin. Da muss man sich dann schon mal im Eimer erfrischen.
Sie trampte mit Julie durchs Land, campte wild, lernte so viele nette Menschen kennen und fand den geeigneten Grund und Boden für das nächste Projekt. Eine Kombination aus Therapiestätte, Internat und Waisenheim soll es werden.
Außerdem ist sie davon überzeugt: „In Namibia wird Julie später eine unbeschwerte Jugend haben, ohne wie in Tansania nur als Freiwild betrachtet zu werden. Junge Frauen werden dort leider stets angebaggert.“