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Er saß 33 Jahre im US-KnastJens Söring über sein neues Leben in Freiheit – was ihn jetzt glücklich macht

Seinen Fall kennt beinahe jeder. Jens Söring saß mehr als drei Jahrzehnte im US-Knast – wegen Doppelmordes. Seit 2019 ist er frei und zurück in Deutschland. Und er sehnt sich nach Liebe. 

von Simon Küpper (sku)

Und das nach 33 Jahren im US-Knast. Der Mann lacht, macht Witze, wirkt sympathisch, ist intelligent. Freimütig erzählt er stundenlang über sein Leben im Knast. Von Beinahe-Vergewaltigungen, Zellennachbarn, die sich erhängten, Geschäfte mit anderen Insassen.

33 Jahre. So lange lebe ich. Und so lange saß der Mann, der mir nun gegenüber sitzt, im Gefängnis. Jens Söring (55), 1990 in den USA wegen zweifachen Mordes zu zweimal lebenslänglich verurteilt. All die Zeit, die er hinter Gittern verbrachte, beteuerte er, die Tat nicht begangen zu haben. Außer im Jahr 1986. Damals sagte er einem amerikanischen Polizisten und einem deutschen Staatsanwalt, er habe die Eltern seiner damaligen Freundin umgebracht. Und bereut diese Worte bis heute.

Jens Söring saß 33 Jahre in US-Knast: Prozess wurde live im TV übertragen

Nach langem Kampf und genau 33 Jahren, 6 Monaten und 25 Tagen wurde Jens Söring wieder freigelassen. Mit einem Makel: Die US-Justiz ließ ihn zwar frei – aber ohne die Unschuld anzuerkennen. Seit dem 17. Dezember 2019 lebt er wieder in Deutschland.

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Sein Fall sorgte weltweit für Aufsehen. Im März 1985 wird das Ehepaar Haysom im US-Bundesstaat Virginia brutal ermordet. Unter Verdacht geraten, flüchten Jens Söring und seine damalige Freundin Elizabeth Haysom – Tochter der Opfer – außer Landes. Im April 1986 wird das Paar in London wegen Scheckkarten-Betrug verhaftet. Söring gesteht die Morde, weil er – so sagt er später – denkt, als Sohn eines Diplomaten Immunität zu genießen. Seine Hoffnung: Durch das Eingeständnis der Schuld seine Freundin – laut Sörings Aussage vor Gericht die eigentliche Täterin – vor der Todesstrafe zu schützen.

Sommer 2022: Jens Söring freut sich über sein Leben in Freiheit.

Sommer 2022: Jens Söring freut sich über sein Leben in Freiheit. 

Der Prozess wird live im Fernsehen übertragen, alle schmutzigen Details über die Beziehung der Studenten werden thematisiert, beide in die Mangel genommen. Söring belastet Elizabeth – und sie ihn! Letztlich werden beide verurteilt. Söring zu zweimal lebenslänglich wegen Mordes, Haysom wegen Anstiftung zu zweimal 45 Jahren Haft. Seit Ende 2019 sind beide auf freiem Fuß.

„Ich versuche mich wieder an ein Heimatland zu gewöhnen. Mit diesem Schatten, der über mir hängt: Dass meine Unschuld nicht anerkannt wurde“, erzählt Söring nun im Gespräch mit EXPRESS.de. Er antwortet überlegt, lässt sich einige Sekunden Zeit.

Jens Söring: Neue Netflix-Doku über ihn erscheint im November 2022

Zweimal hat sich sein Leben komplett gedreht. Söring wurde in Thailand geboren, lebte dann für einige Jahre in Bonn. Bis sein Vater als Diplomat in die USA ging. Söring: „Von 1977 bis 1984 bin ich an amerikanischen Schulen aufgewachsen. Dann ging ich zur Uni – und habe mein Leben zerstört.“ Was er meint, ist das Geständnis, nicht die Tat. Die hat er nach eigener Aussage ja nicht begangen.

Sein Leben drehte sich erneut, als er nach mehr als 33 Jahren hinter Gittern plötzlich wieder frei war. Sofort wurde er zurück nach Deutschland geschickt, darf nie wieder in die USA einreisen. Söring: „Als ich 1986 verhaftet wurde, gab es noch gar kein Internet, keine Mobiltelefone. Es gab noch Ost- und Westdeutschland.“ Was sich verändert hat? „Was ich merke, ist, wie schnell die Gesellschaft heute läuft. Nicht die technologischen Sachen, aber der Druck des Alltags hat eine ganz andere Dimension“, sagt er.

Er lebt im Norden. Wo genau, möchte er nicht verraten. Nach der Haftentlassung hat er ein Buch geschrieben (das siebte insgesamt), arbeitete an einer Netflix-Doku über seinen Fall, die im November erscheinen soll, mit und tritt als Speaker auf. „Ich halte Vorträge über das amerikanische Justizsystem, aber auch und hauptsächlich über das Thema Resilienz. Ich habe 33 Jahre unter schrecklichen Umständen überlebt. Soweit ich das erkennen kann, ohne daran zu zerbrechen. Wie ich das geschafft habe, interessiert viele. Und dafür gibt es Antworten“, sagt er.

Und er genießt die Freiheit, erlebt ganz viele erste Male. Tanzen in einer Disco, Achterbahn fahren, zuletzt bestand er die theoretische Führerschein-Prüfung.

Bei der Frage nach dem, was ihn am meisten glücklich macht, zögert er. Hadert, ob er antworten soll. Sagt dann: „Bäume zu berühren.“ Die sah er 33 Jahre lang nur aus weiter Entfernung. Nach der Freilassung erstmals seit den 80er Jahren wieder einen Baum zu berühren, sei ein tolles Erlebnis gewesen.

Söring: „Kurz danach war ich in einem Naturschutzgebiet. Es hat geregnet. Im Gefängnis wurden wir bei Regen sofort reingejagt. Jetzt konnte ich draußen sein bei Regen und ich konnte ihn auf der Haut spüren. Alle anderen sind unter die Bäume gelaufen, haben einen Schirm aufgespannt – und ich konnte den Regen genießen. Das roch auch so wunderschön.“

Jens Söring steht im Palmengarten in Frankfurt. Der Sohn eines deutschen Diplomaten war in den USA wegen Doppelmordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden und erst 2019 nach 33 Jahren hinter Gittern nach Deutschland abgeschoben worden. Hier versucht er jetzt, sich eine neue Existenz aufzubauen.

An einem Baum lehnen – lange war das für Jens Söring (hier im September 2021) nicht möglich. 

Und wie sieht es mit seinem Liebesleben aus? Nicht ganz so einfach. Er erzählt: „Ich bin in die ganze Sache reingekommen, wegen einer extrem toxischen Beziehung in sehr jungem Alter. Dann hatte ich 33 Jahre lang gar keine Gelegenheit irgendwie zu heilen. Weil ich im Gefängnis keine Beziehung haben konnte. Jetzt in der Freiheit: Natürlich habe ich den Wunsch und das Bedürfnis, gerade in diesem Bereich, der Liebe, wieder Anschluss zu finden und zu heilen. Es wäre wirklich schön, wenn das gelingen würde. In Richtung Beziehung. Vielleicht sogar eines Tages im Richtung Kinder.“

Jens Söring: „Tinder? Nicht der richtige Weg für mich“

Dann lacht er laut auf, als wir wissen wollen, wie er eine Frau kennenlernen könne. Vielleicht über Tinder? Lachend antwortet er: „Ich habe die Seite noch nie besucht. Das wäre wahrscheinlich nicht der richtige Weg für mich.“ Und er gibt zu, dass dabei immer auch Angst mitschwingt. „Vertrauen ist etwas, das man im Gefängnis nicht haben darf.“ Doch er hat „draußen“ Freunde gefunden. „Es ist mir gelungen, einige neue Freundschaften zu schließen in der Freiheit. Es ist schön, dass Menschen sich auf mich einlassen und ich mich auf sie einlassen kann. Dafür bin ich sehr dankbar.“

Zum Ende des Gesprächs beantwortet er erneut die eine Frage. Haben Sie es getan? Haben Sie die Eltern ihrer damaligen Freundin umgebracht? Die Antwort: „Natürlich nicht!“ Wie immer – außer damals, 1986, kurz nach seiner Verhaftung.