Erdbeben-Foto geht unter die HautMann verharrt trotz Eiseskälte bei verstorbener Tochter und hält ihre Hand

Es ist das herzzerreißendste Foto der Erdbeben-Katastrophe: Mesut Hancer sitzt inmitten von Trümmern und hält die Hand seiner verstorbenen Tochter, die noch verschüttet ist.

Es ist das letzte Mal, dass Mesut Hancer die Hand seiner Tochter Irmak halten wird. In seiner grellorangen Warnjacke kauert er auf den Trümmern seines Hauses im südtürkischen Kahramanmaras und streichelt die wächsernen Finger der Toten.

Nur der Arm der 15-Jährigen ragt auf eine Matratze gebettet aus dem Schutt, den Rest ihres Körpers hat das Erdbeben unter riesigen Betonplatten begraben. Der Vater steht unter Schock, er kann nicht sprechen. Trotz der eisigen Kälte weigert er sich, Irmaks Hand loszulassen.

Türkei: Totenwache verschütteter 15-jährigen Tochter

Das Bild, das der AFP-Fotograf Adem Altan in der Großstadt Kahramanmaras machte, geht um die Welt. Irmak ist einer von vielen tausend Menschen, die durch das heftige Beben am Montagmorgen (6. Februar 2023) im türkisch-syrischen Grenzgebiet ihr Leben verloren.

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Auch die Überlebenden in Kahramanmaras sind verzweifelt. In die Trauer um die Toten mischt sich Wut über die schleppende Hilfe. „Wo ist der Staat? Wo bleibt er?“, ruft Ali Sagiroglu verbittert. „Schauen Sie sich um. Hier gibt es nicht einen einzigen Offiziellen, verdammt. Es sind jetzt zwei Tage seit dem Beben vergangen und wir haben niemanden gesehen.“ Sagiroglu hofft immer noch, seinen Bruder und seinen Neffen aus ihrem eingestürzten Haus retten zu können. Doch dafür bräuchte er Hilfe.

Das Ausmaß der Zerstörung ist überwältigend. Während des ersten Bebens vor Sonnenaufgang stürzten im Stadtzentrum acht mehr als zehn Stockwerke hohe Wohnhäuser ein, nur wenige Menschen konnten sich in Sicherheit bringen.

Türkei: Wut nach Erdbeben – Menschen auf sich allein gestellt

Manche Familien haben es aufgegeben, auf Rettungskräfte und Räumgerät zu warten. Sie graben mit bloßen Händen in den Trümmern nach ihren Angehörigen. Vielerorts in der Stadt begegnen AFP-Reporter Menschen, die völlig auf sich allein gestellt sind nach der Katastrophe – ohne staatliche Hilfe, ohne Lebensmittel oder medizinische Versorgung.

Und es ist eine unheimliche Stille im Stadtzentrum eingekehrt. „Gestern konnten wir viele Menschen in den Ruinen um Hilfe rufen hören, aber heute ist es still“, sagt ein Mann, der seinen Namen nicht nennen möchte. „Sie sind wohl erfroren.“

Menschen wärmen sich dicht gedrängt an Lagerfeuern, andere suchen in Autos Schutz gegen den rauen Wind und den Regen. Nachts fiel die Temperatur auf drei Grad unter Null. In den verwüsteten Straßen harren Überlebende neben den Leichen ihrer Verwandten aus. Niemand kommt, die Toten zu bergen.

Cuma Yildiz, ein Mann um die sechzig, fühlt sich von den Behörden im Stich gelassen. „Wo sind sie jetzt, wo?“, empört er sich. „Sie haben kein Erbarmen, kein Mitgefühl. Fürchten sie nicht Gott?“


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Auch in der 150 Kilometer weiter südlich gelegenen Provinz Hatay warten die Menschen verzweifelt auf Rettungsteams. Onur Kayai läuft vor der Ruine seines Hauses auf und ab und fleht um Hilfe. Unter den Trümmern sind seine Mutter und sein Bruder eingeschlossen. Mit bloßen Händen hat der 40-Jährige mehrmals versucht, die beiden zu befreien.

„Ich habe drei Steine über den Kopf meines Bruders bewegt, aber es ist zu schwer“, sagt er. „Die Stimme meiner Mutter ist noch klar, aber meinen Bruder kann ich nicht mehr hören.“ Vergeblich hält Kayai Ausschau nach den Wagen des Rettungsdienstes Afat. „Manche sagen, dass auch das Afat-Gebäude eingestürzt ist“, erzählt er.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan versprach am Dienstag, dass bald viele Soldaten die Rettungskräfte im Erdbebengebiet unterstützen werden. Für das Mädchen Irmak und tausende andere kommt diese Hilfe zu spät. (afp)