„Alegria“, die bekannte Show des Cirque du Soleil, kommt nach Düsseldorf. EXPRESS dufte hinter die Kulissen der Traumwelt schauen.
Schminke, Schweiß & große ShowHinter den Kulissen des Cirque du Soleil

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Die Show „Alegria“ des Cirque du Soleil entführt in eine artistische Zauberwelt.
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Auf einmal befindet sich das Publikum in einem wilden, nächtlichen Schneesturm – der Wind peitscht einem die Flocken ins Gesicht, pfeift durch die Reihe, als hätte jemand die Türe offen gelassen. Ein wahrhaftig magisch wirkender Moment in „Alegria“, der wohl bekanntesten Show des Cirque du Soleil.
Damit solche Effekte funktionieren und sich passend in eine Show voll spektakulärer Artistik eingliedern können, braucht es mehr als weißes Konfetti und einen großen Ventilator. Für „Alegria“ arbeiten 119 Menschen, davon 54 Artistinnen und Artisten aus 25 Ländern. Vom 26. März bis zum 26. April 2026 kommt die Show nach Düsseldorf ins Grand Chapiteau in Gerresheim – mit 77 Trucks und 2000 Tonnen Equipment (Tickets ab 55 Euro hier). Acht Tage dauert allein der Aufbau.
Cirque du Soleil: Olympisches Niveau – und das jeden Tag
EXPRESS ist nach Paris gereist, um hinter die Kulissen der berühmten Zirkusshow zu blicken. Und da sieht es erstmal gar nicht magisch oder spektakulär aus: Container, LKW, Kisten, Gatter, Zelte, Trainingsgeräte. In der Kantine gibt es massenhaft bunte Tassen, die nicht zueinander passen. Über der Spüle hängen Zettel, dass doch bitte gespült werden möge und man eigene Speisen nicht ewig im Kühlschrank vor sich hin schimmeln lassen solle. Im Artistenzelt, einer Art Vorzelt vor dem Showzelt, liegt ein leichter Schweißgeruch in der Luft. Es gibt Trainingsgeräte, Massageliegen (die Artisten bekommen regelmäßig Physiotherapie), einen Pilatesbereich, ein Trapez, ein Trampolin, Schmink- und Nähtische.
Es wird bereits am frühen Nachmittag gearbeitet – Sicherheitsprüfungen von Karabinern, Schäkeln und Co., aber auch die Kostüme der Artisten brauchen regelmäßige Flick- und Malarbeiten. Zum Beispiel, weil die synthetischen Stoffe etwas anschmelzen, wenn die Artisten damit über den Manegenboden rutschen und, weil darin sportliche Höchstleistungen vollbracht werden. Diese zu koordinieren, ist Aufgabe von Artistic Director Rachel Lancaster. Sie sagt: „Es ist einzigartig, auf welchem Niveau die Artisten performen. Andere trainieren jahrelang, um so etwas alle vier Jahre für zwei Minuten bei den olympischen Spielen darzubieten.“ Beim Cirque gibt's aber bis zu zehn Shows pro Woche. „Die Show ist technisch sehr komplex, wir haben viele Dinge, die sich gleichzeitig bewegen – und unser Job ist es, dass alles reibungslos läuft.“
Die erste Version von „Alegria“ wurde 2013 eingestellt und 2019 wiederbelebt – mit vielen Änderungen und Modernisierungen, so Lancaster. „Wir wollen es ja kompliziert halten“, sagt sie. Die Kostüme, das Make-up, die Kulissen, die Beleuchtung, die Musik – und natürlich die Artistik – haben ein Upgrade und -date erhalten. Lancasters Arbeitstag beginnt meist am frühen Nachmittag und endet am späten Abend, wenn die letzte Show und eine Analyse mit den Trainern und Artisten gelaufen ist: „Was lief gut, was nicht? Müssen wir für morgen etwas ändern?“
Im Cirque du Soleil ist der Anspruch: Perfektion. Den haben auch die Artistinnen und Artisten selbst. Wie Bohdan Zavalishyn (40), der ursprünglich aus der Ukraine stammt, und sich mit seiner Rolle als „Mr Fleur“, der tragenden Figur in „Alegria“, einen Traum erfüllen konnte. Der törichte „Mr Fleur“ will König des Fantasiereichs werden und fällt damit natürlich auf die Nase. Bohdan erzählt, wie sein Traum entstand: „Ich war Teil eines anderen Acts in der originalen Version von ‚Alegria‘ in 2008. ‚Mr Fleur‘ stach mir sofort ins Auge. Diese Leichtigkeit – das war wie ich. Er ist witzig, er ist auf eine Art dämlich, aber auch schlau“, sagt Bohdan. „Er ist kindlich – das mag ich an ihm. Er lernt, das tun wir alle im Leben.“
Die Figur liege ihm auch deshalb, weil sie ihm so ähnlich sei, sagt Bohdan, dessen Augen leuchten, wenn er über „seinen“ „Mr Fleur“ spricht. „Wenn mich in der U-Bahn ein Kind anstarrt, mache ich auch so“ – er streckt die Zunge raus und reißt die Augen auf – „das bin einfach Ich, der wie Ich agiert“, sagt der dreifache Vater. Seine Kinder (6, 9, 13) reisen inzwischen nicht mehr mit ihm, leben in den USA. „Es ist schwierig für Kinder, ständig woanders zu sein. Ich komme nach jeder Stadt nach Hause. Es wäre egoistisch, sie immer mitzunehmen.“ Sein Ältester habe schon artistische Ambition, erzählt Bohdan. Er selbst habe mit fünf mit Artistik angefangen. 35 Jahre später wirken seine Salti auf dem Trampolin praktisch beiläufig.
Immer besser werden - das ist nicht nur sein Ziel. „Es gibt eine gesunde Konkurrenz zwischen den Artisten“, sagt er. „Aber auf eine spaßige Weise.“ Da kommt auch die Weltlage nicht dazwischen – im Artistenteam sind auch Kollegen aus Russland. „Wir machen Kunst, keine Politik. Hier sind wir eine Familie, Freunde, das waren wir schon, bevor all das begann. Es macht keinen Unterschied, wo du herkommst. Es gibt überall gute und schlechte Leute“, sagt Bohdan. Wenn das nur jeder auf der Welt so sehen würde!
Deutscher Akrobat war im Finale von „Ninja Warrior“
Als einziger Deutscher ist der Münchner Nicolai Kuntz (32) dabei. Er startete seine Zirkuskarriere beim Zirkus Krone und schwingt bei „Alegria“ am Trapez in bis zu neun Metern Höhe synchron mit seiner Partnerin durch die Manege. Zwar gesichert – die meisten Normalos würde da wohl trotzdem die Angst packen. „Angst habe ich nicht, aber sehr großen Respekt“, sagt Nicolai, der es 2021 beim deutschen „Ninja Warrior“ ins Finale schaffte. Ist das eher Talent oder nur hartes Training? „Überwiegend Training. Mit Trapez habe ich mit zwölf Jahren angefangen, stand zum ersten Mal mit 17 auf der Bühne. Ab da bin ich in den Sommerpausen vom Zirkus Krone nach Montreal gereist und habe dort mit einem fantastischen Trainer trainiert. Um auf das Level zu kommen, auf dem ich jetzt bin, hat es quasi Jahrzehnte gedauert.“
In eine andere Welt taucht Nicolai dann ab, wenn er sein Make-up auflegt. Das muss er, wie alle anderen auch, selbst tun. „Das dauert etwa eine Dreiviertelstunde und das ist ein super Moment, um sich auf die Show zu fokussieren.“ Und der Fokus ist notwendig. Nicht nur, um eine gute Show abzuliefern, sondern auch, um sich vor Verletzungen zu schützen. Der schwierigste Moment in Nicolais Perfomance: „Wir hängen im Beinhang und am Ende des Schwunges kommen wir, machen einen Vorwärtssalto und landen auf der Stange, die wir aber dabei nicht sehen und die nur zwei Zentimeter dick ist.“ Da dürfte das Adrenalin nicht nur beim Sportler pumpen auch als Zuschauer hält man da den Atem an.

