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Therapeutin betreute „Armes Deutschland“Kinder sind in armen Großfamilien ein „Job“

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Auch Ronny und Simone mit ihren vierzehn Kindern waren in der Sendung „Armes Deutschland“ dabei.

von Paulina Meissner (mei)

  • Die Bonner Psychotherapeutin Susann Szyszka (55) hat die Hartz-IV-Familien für die TV-Sendung „Armes Deutschland - Deine Kinder“ auf RTL2 betreut und sich mit den Problem, Ängsten und Herausforderungen der Kinder beschäftigt.
  • Was Susann Szyszka am meisten bewegt: Sie hat das Gefühl, dass Kinder in armen Großfamilien scheinbar eine Art „Job“ für die Eltern sind.
  • Die Psychologin weiß: Arme Mädchen und Jungen geben ihren Eltern nicht die Schuld.

Köln – Etwa 4,4 Millionen Kinder sind nach neuesten Schätzungen des Kinderschutzbundes deutschlandweit von Armut betroffen. In NRW ist jedes fünfte Kind „arm“. Experten sprechen hierzulande bereits von einem „Höchststand“ der Kinderarmut. Arm sein in Deutschland: Wie geht es den betroffenen Kindern? Die Bonner Psychotherapeutin Susann Szyszka (55) hat die Hartz-IV-Familien für die TV-Sendung „Armes Deutschland - Deine Kinder“ auf RTL2 betreut und sich mit den Problem, Ängsten und Herausforderungen der Kinder beschäftigt.

Kaum Geld zum Leben. Das scheint die Familien zusammenzuschweißen. Susann Szyszka stellte fest, dass der Zusammenhalt außergewöhnlich stark ist.

Familienzusammenhalt wird groß geschrieben

Die Psychotherapeutin: „Die Familie steht über allem.“ Ein 14-jähriges Mädchen habe Susann Szyszka erklärt: „Ein Kind ist ein Geschenk, ein wertvolles Geschenk.“ Daher müsse man ein Kind auch immer bekommen, wenn man schwanger ist.

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Daran erkenne man, so die Psychotherapeutin, dass gerade Kinder in armen Verhältnissen stets zur Familie stehen – auch wenn es im Leben der Kinder nicht gut laufe. Arme Mädchen und Jungen geben ihren Eltern nicht die Schuld. Doch die Geld-Knappheit ist auch schon für die Kinder ein Thema.

Die Psychotherapeutin erinnert sich an die Unterhaltung mit einem 10-jährigen Mädchen aus der Serie. Auf die Frage, woher ihrer Meinung nach das Geld komme, antwortete das Kind schlichtweg: „Von der Bank!“ oder „vom Jugendamt“, wie das Mädchen später ergänzte. Wieso ihre Mutter nicht selbst Geld verdiene? „Weil sie es bisher noch nicht geschafft hat, arbeiten zu gehen.“

„Sitzen mit Nuckelflasche im Bett vor dem Fernseher“

Was Susann Szyszka am meisten bewegt: Sie hat das Gefühl, dass Kinder in armen Großfamilien scheinbar eine Art „Job“ für die Eltern sind. Eine der Familien in der TV-Sendung hat sechs Kinder unter sieben Jahren. „Jeder der eigenen Kinder hat, weiß, dass das nicht zu schaffen ist“, so Susann Szyszka. „In einer Kita kommen auf neun Kinder zwei Betreuerinnen und die müssen nicht auch noch kochen, Wäsche waschen und so weiter“, sagt sie.

Die bittere Folge: Die Kinder werden zwar versorgt, aber die Förderung ihrer motorischen Entwicklung bleibt auf der Strecke. Szyszka: „Die Kleinen sitzen oft schon mit Nuckelflasche im Bett vor dem Fernseher.“ Sich mit den Mädchen und Jungen zu beschäftigen, mit ihnen auf dem Spielplatz zu toben – dafür bleibe in armen Großfamilien viel zu selten Zeit.

„Armut findet im Kopf statt“

Was der Psychotherapeutin auch auffiel: Bei vielen Kindern falle die Ernährung sehr zuckerlastig aus – weil sie niemand daran hindere, viel Schokolade oder Bonbons zu essen.

Das Familienleben in Armut – großer Zusammenhalt, aber wenig Fürsorge. Susann Szyszka: „Armut hat nicht nur mit Geld zu tun, Armut findet im Kopf statt“.

Und wie gingen die Kinder damit um, dass sie plötzlich von TV-Kameras begleitet wurden? „Sie sagten mir, dass sie keine Angst hätten und dass ihre Freunde schon ganz gespannt auf die Reportage seien“, sagt die Psychotherapeutin. In ihrem Umfeld sei bekannt, dass sie arm sind. Susann Szyszka: „Die Leute wissen, dass da Ratten durch die Küche laufen.“

Jedes fünfte Kind braucht Hilfe

Einer aktuellen Bertelsmann-Studie zufolge wächst in Deutschland die Kinderarmut. Für die meisten Betroffenen ist Armut ein Dauerzustand. Kinderarmut ist regional sehr unterschiedlich verteilt, Ostdeutschland ist besonders betroffen. Dort sei die Quote zwar gesunken – von 24 Prozent im Jahr auf jetzt 21,6 Prozent. Doch weiterhin ist im Osten jedes fünfte Kind auf staatliche Unterstützung angewiesen.

In Westdeutschland stieg die Zahl armer Kinder in den letzten Jahren leicht an auf jetzt 13,2 Prozent. Als arm gelten nach gängiger wissenschaftlicher Definition Haushalte, deren Einkommen weniger als 60 Prozent eines mittleren Einkommens beträgt. Für eine klassische vierköpfige Familie liegt die Grenze derzeit bei knapp 2000 Euro netto pro Monat.

14,7 Prozent der unter 18-Jährigen sind im Bundesschnitt auf Hartz IV angewiesen.

Es gibt nicht nur eine Kluft zwischen Ost und West, sondern auch zwischen Stadt und Land. Die höchsten Armutsquoten bei den unter 18-Jährige gibt es in Städten.

Trauriger Spitzenreiter: Bremerhaven mit 40,5 Prozent – das heißt, zwei von fünf Kindern in dieser Stadt wachsen unterhalb oder an der Armutsgrenze auf. Nicht viel besser ist es in Gelsenkirchen (38,5 Prozent), Offenbach (34,5 Prozent), Halle (33,4 Prozent) und Essen (32,2 Prozent).