Aus Heimat verschlepptTV-Größe (61) aus NRW schreibt bewegenden Brief an seinen toten Vater

Richard Zalbertus (l.) mit Sohn und Ehefrau.

Richard Zalbertus (l.), dessen Heimat in der Ukraine war und der sich in Düsseldorf ein neues Leben aufbaute, mit seinem Sohn Andre und seiner Ehefrau (r.).

Richard Zalbertus erlebte im Zweiten Weltkrieg, was heute aufgrund des Ukraine-Krieges aktueller denn je ist. Er musste seine Heimat Mariupol verlassen und fand in NRW ein neues Zuhause.

von Antonia Raabe (ra)

„Lieber Papa, wo immer Du auch gerade bist! Für Dich wird der 8. Oktober 1941 ein furchtbarer Tag gewesen sein. Du wohntest mit Deinen Eltern und Geschwistern in Mariupol“, so beginnt ein Brief von Andre Zalbertus an seinen verstorbenen Vater Richard.

Der Ukrainer Richard Zalbertus, geboren am 10. Oktober 1917, wurde im Zweiten Weltkrieg als Zwangsarbeiter aus seiner Heimat verschleppt, er landete in der Nähe von Köln. Nach dem Krieg wollte er zurück nach Mariupol, doch dort war alles zerstört. Sein „zweites Leben“, wie Sohn Andre es ausdrückt, baute er sich schließlich in Düsseldorf auf.

Mariupol wird zerstört, Menschen verlassen ihre Heimat und suchen ein neues Zuhause

Diese Schicksalsgeschichte ist im März 2022 aktueller denn je. Heute wie damals wurde die Ukraine angegriffen, die Hafenstadt Mariupol zerstört. Sohn Andre hat das zum Anlass genommen und den bewegenden Lebensweg seines Vaters auf Facebook skizziert.

Schaut man seinen Account an, ist unschwer zu erkennen: Der Krieg in der Ukraine bewegt ihn sehr - besonders aufgrund der eigenen Familiengeschichte. Seine Postings erreichen viele Menschen. Denn Zalbertus (61) ist kein Unbekannter.

Der Journalist arbeitete für „ZDF“ und „RTL“, gründete später die Produktionsfirma „AZ Media“ und den Lokalsender „center.tv“. Zudem ist er Besitzer des bayrischen Fernsehpreises 1997 und 2003 – eine TV-Größe aus NRW. „Wir sind Mutmacher“, erklärt er die Intention für seine Facebook-Postings gegenüber EXPRESS.de.

„An diesem Mittwoch im Herbst 1941 begann die 1. Hölle von Mariupol: Truppen der deutschen Wehrmacht besetzten Eure Heimatstadt“, beginnt er die Lebensgeschichte seines Vaters zu beschreiben.

„Tausende Männer und Frauen wurden dann mit der Eisenbahn als Zwangsarbeiter nach Deutschland verschleppt. Du auch! Deine erzwungene Zugreise in Viehwaggons von Mariupol nach Deutschland endete in der Nähe von Köln. In einem Zwangsarbeiter-Lager der Deutschen Reichsbahn war es Euer Job, Bomben-Blindgänger zu entschärfen“, skizziert der Sohn ein Stück Zeitgeschichte von 1941.

Zeuge wurde Richard, als Köln in der Nacht vom 30. auf den 31. Mai 1942 bombardiert wurde. „Du hast wieder eine Glücksgöttin bei Dir gehabt, denn Du hast das brutale menschenverachtende Zwangsarbeiter-Lager bis zum 8. Mai 1945 überlebt“, so Andre.

Junger Mann aus Mariupol in der Ukraine gründet in Düsseldorf eine Familie

Nach dem Ende des Krieges wollte der Vater zurück in seine Heimat. In Mariupol fand er allerdings nichts mehr vor, außer „Ruinen und verbrannte Erde“.

Also machte er sich wieder auf den Weg zurück Richtung Westen, Richtung Deutschland. Er bekam eine Aufenthaltsgenehmigung, wie der Sohn beschreibt: „Deine Odyssee endete schließlich in einem britischen Internierungslager in Ostwestfalen. Nach langer Prüfung erhieltest Du einen Pass der Vereinten Nationen als heimatloser Ausländer.“

Neun Monate arbeitete er in Bielefeld. „Eigentlich wollte er auswandern, aber er verpasste das Schiff und landete so in Düsseldorf“, erinnert sich Andre gegenüber EXPRESS.de an eine Erzählung seines Vaters. Genaueres weiß er nicht, viel hat sein Vater ihm nicht erzählt.

Was er aber weiß: Bei einem Herrenausstatter in Düsseldorf lernte Richard schließlich seine spätere Ehefrau kennen, die dort als Verkäuferin arbeitete. Die beiden bekamen drei Kinder, Richard verdiente als Schlosser und Schweißer sein Geld. Alle zwei Jahre musste er zur Ausländerbehörde und seinen Status als „heimatloser Ausländer“ verlängern lassen.

Ob er glücklich war, mit seinem „neuen Leben“ in Nordrhein-Westfalen? „Auf der einen Seite ja, er war glücklich im Westen zu sein. Und er konnte seinen drei Kindern die Uni finanzieren. Das war ihm immer wichtig“, ist sich der Sohn heute sicher. „Doch die Ukrainer sind sehr Heimat verliebt, wir haben immer viel ukrainisch gekocht zu Hause. Und er hatte seinen Lebtag Angst vor dem russischen Geheimdienst.“