Bei LanzOB hat Corona im Griff – er übt deutliche Kritik: „Wir sind super unehrlich“

Claus Ruhe Madsen bei Lanz

Rostocks OB Claus Ruhe Madsen bei Markus Lanz im Studio. Im Hintergrund sieht man in der Sendung vom 3. Februar 2021 eine Grafik über den Corona-Verlauf in einigen deutschen Städten mit ungefähr gleicher Größe. In Rostock ist die Situation mit Abstand am besten.

von Sebastian Oldenborg (so)

Köln – Spannende Diskussion bei „Markus Lanz“ am Mittwochabend (3. Februar 2021, ZDF): Zu Gast im Studio war neben dem Virologen Hendrik Streeck und der Journalistin Vanessa Vu der Oberbürgermeister von Rostock, Claus Ruhe Madsen. Der hat die Corona-Pandemie in seiner Stadt außerordentlich gut im Griff. Auf 210.000 Einwohner gab es bisher gerade mal 16 Covid-19-Tote, wie Markus Lanz zu Beginn erklärte. Das seien 90 Prozent weniger als im Bundesschnitt. Wie kann das sein? Madsen fand deutliche Worte.

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Zunächst gibt es am Mittwoch aber eine Diskussion zwischen Virologe Streeck und Vanessa Vu. Ersterer erklärt, dass wir mit dem Virus leben müssten. Da muss die Journalistin lachen.

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Sie meint: „Wir wissen, wie es funktioniert. Wir haben die politischen Mittel und die gesellschaftlichen, so eine Ausbreitung einzudämmen […] Deswegen müssen wir nicht damit leben.“

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Streeck dagegen nimmt an, dass Sars-CoV2 in Deutschland heimisch werde, wie es auch schon vier andere Corona-Varianten seit vielen Jahren seien. Der Virologe bringt zudem einen interessanten Aspekt in die Runde:

„Wir nehmen an, dass einige Teile der Bevölkerung eine Immunität durch ggf. andere Coronavirus-Infektionen schon hatten in der T-Zell-Immun-Antwort.“

„Ist das so?“, fragt Markus Lanz erstaunt nach. „Das ist ja gerade ein extrem interessanter Punkt. Das haben wir so noch nicht gehört.“

Streeck betont, dass es sich dabei nur um eine Hypothese handele – wegen der heimischen Corona-Varianten. Belegt sei das noch nicht. Er geht davon aus, dass sich Sars-Cov2 in die Reihe dieser Viren einreihen könnte und die Infektionszahlen mit dieser Variante nun dauerhaft im Herbst in die Höhe schießen würden. Wie es bei den anderen Varianten auch der Fall sei. Sprich: Wir müssen damit in Zukunft leben.

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Hendrik Streeck kritisiert aber auch, dass wir „seit Beginn der Infektion eigentlich keine großen neuen Erkenntnisse“ gewonnen hätten, wo sich das Virus ausbreite. „Ob Großraumbüros problematisch sind oder nicht. Ob es Berufsgruppen gibt, wo es gehäuft auftritt.“

Da holt Markus Lanz Rostocks OB Claus Ruhe Madsen ins Boot. Er will wissen, warum wir Daten wie den Beruf bei Corona-Tests nicht systematisch erfassen. Madsen meint, dass schon sehr viele Daten erfasst würden. Er sieht ganz andere Probleme im Umgang mit der Pandemie: Inkonsequenz und Unehrlichkeit.

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Er meint: „Wir haben Hygienekonzepte entwickelt für Handel, Gastronomie, Hotels. Wir hatten Hunderttausende Gäste und haben trotzdem niedrige Zahlen beibehalten, weil ja Konzepte da waren.“

Vor diesem Hintergrund findet er generelle Ladenschließungen falsch. „Wir sind nicht konsequent“, so Madsen. So müsse ein Schuhgeschäft mit Hygienekonzept und wenigen Kunden schließen, der Supermarkt nebenan könne aber öffnen. Das sei schwer zu vermitteln.

Er fordert, mehr Vertrauen in die eigenen Maßnahmen und Konzepte zu haben. Stattdessen würden diese aber einfach über Bord geworfen. „Keiner nimmt das, was wir aufgenommen haben unterwegs, wirklich mit. Wir sind Angstgetrieben“, sagt der Oberbürgermeister der Corona-Vorzeige-Stadt. Er selbst sei auch sofort noch zum Friseur gerannt, als er gehört habe, dass es in Sachsen einen Lockdown gibt.

Sein Fazit dazu: „Wir lernen individuell, aber wir lernen nicht in der Gruppe. Das finde ich eine Katastrophe.“ Natürlich sei es immer ein Spagat mit dem Risiko, so Madsen.

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Doch wieso ist Rostock überhaupt so etwas wie eine Vorzeige-Corona-Stadt? Madsen erklärt das unter anderem damit, dass er sehr schnell sehr konsequentes Testen veranlasst habe. Auch als Gegenwind aus dem Innenministerium und von anderen Stellen kam, dass das gegen die Empfehlungen sei. Er handelt konsequent, ohne groß nach links und rechts zu schauen – und ist damit erfolgreich.

Rostocks OB kritisiert neben der mangelnden Digitalisierung der Ämter und dem bürokratischen Umgang mit der Pandemie in vielen Teilen des Landes (seine Forderung: „Wenige Menschen erfassen viel statt viele Menschen erfassen wenig“) aber auch einen weiteren Punkt.

„Wir sind super unehrlich. Wir ergreifen Maßnahmen, um zu sagen: Schaut her, wir haben was getan. Im Grunde genommen war uns lange klar, dass es im Bereich von privaten Feiern ein großes Problem gab. Wir haben aber nicht den Mut gehabt, den Menschen zu sagen, das müssen wir sofort unterbinden. Stattdessen haben wir ein Restaurant geschlossen.“ Dann hätten die Leute eben angefangen, sich privat zu treffen. Ohne die Möglichkeit, diese Treffen noch irgendwie nachvollziehen zu können.

Der Politiker meint: „Der Mensch braucht klare Ansagen.“ Und Kontrollen dieser klaren Regeln, etwa der Hygienekonzepte in Geschäften oder der Kontaktlisten in Restaurants.

Aber mit entsprechenden Konzepten und Kontrollen müsse man „den Menschen einen Weg aufzeigen, wie es gehen kann“. Die Unternehmer in seiner Stadt würden ihn bitten: „Gebt uns eine Chance.“ In ihren Augen sehe man die pure Existenzangst. (so)