Schreckliche Entdeckung in der Antarktis„Werden noch zu Lebzeiten Zeugen ihres Untergangs“

Das Satellitenbild zeigen Smyley Island am 10. Oktober 2022, der Kreis markiert den Standort einer Kaiserpinguin-Kolonie.

Das Satellitenbild zeigt Smyley Island am 10. Oktober 2022, der Kreis markiert den Standort einer Kaiserpinguin-Kolonie. Kaiserpinguine leiden einer Analyse zufolge massiv unter dem Verschwinden von Meereis in der Antarktis.

Kaiserpinguine sind imposante Vögel. Für ihren Nachwuchs durchleben sie oft eine Tortur des Hungerns und Ausharrens. Im vergangenen Jahr starben unzählige Küken dennoch. Droht der ikonischen Art das Aus?

Kaiserpinguine leiden einer Analyse zufolge massiv unter dem Verschwinden von Meereis in der Antarktis. Das starke Schmelzen des Eises führte im vergangenen Jahr zum Tod wohl aller Küken in vier von fünf Kolonien in der Bellingshausensee, wie aus der Studie des British Antarctic Survey hervorgeht.

Satellitenbilder zeigten demnach, dass die von den Pinguinen als Brutstätten verwendeten Eisflächen komplett verschwunden waren, bevor die Küken ihr wasserdichtes Gefieder ausgebildet hatten.

Antarktis: Völliger Brutausfall bei Kaiserpinguinen

Der völlige Brutausfall sei eine direkte Folge des beispiellosen Verlusts an Meereis, der in den letzten Jahren in der Region aufgrund des Klimawandels zu verzeichnen war, heißt es in einer Mitteilung zur Studie.

Die in der Fachzeitschrift „Communications Earth & Environment“ veröffentlichten Ergebnisse untermauern dem Team um Peter Fretwell zufolge Vorhersagen, wonach bei andauernder Erderwärmung bis Ende des Jahrhunderts 90 Prozent aller Kaiserpinguin-Kolonien so gut wie ausgestorben sein dürften.

Kaiserpinguine (Aptenodytes forsteri) werden mehr als einen Meter groß und sind die am südlichsten lebende Pinguin-Art. Sie sind die meiste Zeit des Jahres, von April bis Januar, auf stabiles Meereis angewiesen, das mit dem Festland verbunden ist. Ihre Eier legen sie zwischen Mai und Juni. Es dauert 65 Tage, bis die Küken schlüpfen, flügge werden sie aber erst im Dezember und Januar – dem arktischen Sommer.

Antarktis: Ausdehnung des Meereises auf Rekordtief

Doch Ende November 2022 erreichte die Ausdehnung des Meereises in der Antarktis wie schon im Vorjahr ein Allzeittief. Am stärksten betroffen war demnach die zentrale und östliche Region der Bellingshausensee, wo das Eis komplett verschwand. In den fünf dort betrachteten Kolonien brüten den Angaben zufolge jeweils etwa 630 (Rothschild Island) bis 3500 Paare (Smyley Island). Insgesamt gibt es Dutzende Kolonien mit Hunderttausenden Tiere in der antarktischen Region.

Satellitenbilder zeigen Smyley Island am 10. Oktober 2022 (links) und am 10. Dezember 2022. Das Eis ist dort nahezu komplett verschwunden.

Satellitenbilder zeigen Smyley Island am 10. Oktober 2022 (links) und am 10. Dezember 2022. Das Eis ist dort nahezu komplett verschwunden.

„Wir haben noch nie gesehen, dass es Kaiserpinguinen in diesem Ausmaß in einer Saison nicht gelungen ist, zu brüten“, sagte Fretwell. Der Verlust an Meereis in dieser Region während des antarktischen Sommers dürfte es sehr unwahrscheinlich gemacht haben, dass Küken überlebt haben.

Antarktis: Immer wieder traurige Negativ-Rekorde

Extreme geringe Ausdehnungen des Meereises in der Antarktis nahmen in den vergangenen Jahren zu. So wurden die vier Negativ-Rekorde der vergangenen 45 Jahre anhand von Satellitenaufnahmen allesamt seit 2016 verzeichnet. Die niedrigste Ausdehnung wurde in den vergangenen beiden arktischen Sommern festgestellt.

„Jetzt, im August 2023, liegt die Meereisausdehnung in der Antarktis immer noch weit unter allen bisherigen Aufzeichnungen für diese Jahreszeit“, sagte Caroline Holmes, eine Polar-Klimaforscherin beim BAS.

Ein erwachsener Kaiserpinguin und mehrere Küken auf dem Meereis in der Halley-Bucht (Aufnahmedatum unbekannt).

Ein erwachsener Kaiserpinguin und mehrere Küken auf dem Meereis in der Halley-Bucht (Aufnahmedatum unbekannt).

Das Team verwendete für die Analyse Bilder der europäischen Copernicus-Satellitenmission „Sentinel-2“, die das Gebiet in der Antarktis seit 2018 kontinuierlich überwacht.

„Möglicherweise werden wir noch zu unseren Lebzeiten Zeuge ihres Untergangs“

Expertinnen und Experten sind weltweit entsetzt über diese Entwicklung. In einem Gastbeitrag für den britischen „Guardian“ schrieb Barbara Wienecke, eine leitende Wissenschaftlerin bei der Australian Antarctic Division, die sich seit rund 30 Jahren mit den Tieren beschäftigt, dass es durchaus sein könne, dass wir noch zu unseren Lebzeiten Zeige des Untergangs der Kaiserpinguine werden könnten.

Es sei zwar in der Geschichte der Kaiserpinguine immer wieder zu unerwarteten Entwicklungen gekommen, gelegentlich gab es vollständige Brutausfälle, doch die Population sei nie gefährdet gewesen. „Doch was in der Bellingshausensee geschah, ist beispiellos. In mehreren Kolonien in derselben Region und im selben Jahr kam es zu erheblichen Todesfällen bei Küken.“ Das sei „zutiefst besorgniserregend“. (dpa/mg)