Plastik-Drama im AtlantikNeue Studie zeigt das verheerende Ausmaß

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Angeschwemmte Plastikteile am Strand von Lanzarote auf den Kanarischen Inseln. Im gesamten Atlantik ist die Plastikflut enorm, zeigt eine aktuelle Studie.

von Marie Schäfers (mjs)

Köln – So klein und doch ein Riesen-Problem: Mikroplastik, winzige Kunstoffteilchen, werden unseren Weltmeeren immer deutlicher zum Verhängnis. Eine neue Studie von Forschern des „National Oceanography Centre“ (NOC) in Großbritannien schlug diese Woche hohe Wellen: Im Atlantik spielt sich ein echtes Plastik-Drama ab. Es ist die erste Studie, bei der der gesamte Ozean in den Blick genommen wurde. Die Ergebnisse: alarmierend!

Allein in den oberen Wasserschichten der ersten 200 Meter seien schätzungsweise zwölf bis 21 Millionen Tonnen Mikroplastik zu finden, so die Forscher des „National Oceanography Centre“ in der Fachzeitschrift „Nature Communications“.

Bisher habe es wegen fehlender Mikroplastik-Messungen keine Möglichkeit für Wissenschaftler gegeben, die angenommene Menge von in den Ozean gelangtem Kunststoff mit der im Wasser abzugleichen, sagt Studienleiterin Katsiaryna Pabortsava. „Unsere Forschung ist die erste, die dies über den gesamten Atlantik von Großbritannien bis zu den Falklandinseln durchgeführt hat.“

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Solide Zahlen fehlten bislang

Die Methode: Die NOC-Forscher berechneten die Häufigkeit von drei Plastiksorten, die zusammen mehr als die Hälfte des weltweiten Kunststoffabfalls ausmachten. Dafür nahmen sie an zwölf Orten Proben aus drei unterschiedlichen Tiefen innerhalb der ersten 200 Meter unterhalb der Wasseroberfläche. Sie fanden bis zu 7000 Mikroplastik-Partikel mit einer Größe von mindestens 0,0032 Zentimeter pro Kubikmeter Meerwasser.

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Auch aus Haushalten und von Schiffen auf dem Meer werden große Mengen Plastik ins Meer eingebracht.

Die Wissenschaftler wollen mit ihren Erkenntnissen die Grundlage für eine bessere Bewertung der ökologischen Schäden durch Mikroplastik legen. Bislang fehlten solide Schätzungen zur Menge der Kunststoffe – vor allem an abgelegenen Orten.

Mikroplastik: Woher kommt das alles?

Allein in den USA verursacht jeder der rund 330 Millionen Einwohner jeden Tag rund 340 Gramm Plastikmüll. Der landet teilweise in der Natur, zerfällt dort in immer kleinere Bestandteile. Die Partikel gelangen in Flüsse, Seen, Meere, die Böden und die Atmosphäre. Ein Teil wird über die Atmosphäre bei Regen eingetragen – sie sind so klein, dass sie selbst über Kontinente hinweg transportiert werden können.

Der gesundheitliche Einfluss des allgegenwärtigen Mikroplastiks auf Lebewesen beschäftigt die Forschung immer mehr. Solche winzigen Partikel wurden unter anderem in Schnee, Lebensmitteln und Trinkwasser nachgewiesen. Wissenschaftler der Universität Newcastle haben kürzlich Plastik im Körper einer bisher unbekannten Flohkrebs-Art in der Tiefsee entdeckt. Sie nannten das arme Tierchen Eurythenes plasticus.

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Das sind die größten Quellen von Mikroplastik bei uns in Deutschland.

Es lebte etwa 6500 Meter unterhalb des Meeresspiegels im Marianengraben im westlichen Pazifik – auch dort war es nicht sicher vor der Plastikflut. Polyethylenterephthalat (PET) hatte der Krebs im Körper, das etwa zur Herstellung von Einwegtrinkflaschen, Folien und Textilfasern verwendet wird. Der Plastikmüll in den Weltmeeren belastet auch die Riesen. Mantarochen und Walhaie filtern täglich hunderte bis tausende Kubikmeter Meerwasser und damit auch viel Mikroplastik, zeigte eine Analyse der Murdoch-Universität in Perth vor Bali.

Was könnten wir gegen Mikroplastik tun?

Umweltorganisationen fordern ein Abkommen gegen das Einbringen von Plastikmüll in Meere. Deutschland ist laut WWF nach den USA und Japan der drittgrößte Exporteur von Plastikmüll. Er ende oft in Südostasien. Dort kann er häufig nicht recycelt werden, wird verbrannt oder landet auf Deponien – und gelangt von dort ins Meer. Ein Stopp von Plastikmüllexporten würde viel bringen.

Produktion und der Verbrauch von Kunststoffen müssten stark reduziert werden. Es brauche Mehrwegquoten für Verkaufs-, Transport- und Versandverpackungen. Geschwindigkeitsbegrenzungen und Gewichtsreduzierungen bei Kraftfahrzeugen sollen den Reifenabrieb reduzieren.

Fakt ist aber auch: Wir brauchen Plastik für viele Dinge, Verbote allein werden es nicht richten. Aber: Mit einer fachgerechten Reinigung kann man z. B. das Abwasser von 90 Prozent des Mikroplastiks befreien, so die Weltgesundheitsorganisation WHO. Problem: Große Teile der Weltbevölkerung kommen aktuell nicht in den Genuss einer adäquaten Wasser- und Abwasserbehandlung. Aber das kann man ja ändern.

Plastikmüll: Die Menge könnte sich verdreifachen

Ein Verbund von Umweltorganisationen fordert, ein Ziel zur Abfallvermeidung bis 2030 festzulegen. Jeder Deutsche verursacht derzeit pro Jahr 227 Kilogramm an Verpackungsabfällen. Das Ziel sollte sein, langfristig maximal 90 Kilo pro Kopf und Jahr zu schaffen.

Weltweit fallen pro Jahr rund 348 Mio Tonnen Plastik an, ohne Berücksichtigung der Produktion von Fasern. Die Menge wird sich angesichts des Bevölkerungswachstums, des Verbrauchs und des Wegwerfverhaltens bis 2025 verdoppeln und bis 2050 wohl verdreifachen, schätzt die WHO. Allein in Europa stellten 60.000 Firmen Plastik her. (mjs/dpa)