Satellitenbilder zeigen Drama in der Antarktis„Irgendetwas ist passiert, und zwar sehr plötzlich“

Die eisige Landschaft der Graham Coast, die auf der Westseite der Antarktischen Halbinsel liegt, ist auf diesem Copernicus-Sentinel-2- Satellitenbild vom Dezember 2022 zu sehen.

Die eisige Landschaft der Graham Coast, die auf der Westseite der Antarktischen Halbinsel liegt, ist auf diesem Satellitenbild der Europäischen Weltraumorganisation ESA zu sehen. Die dunkle Farbe des Wassers im Bild ermöglicht es der ESA, viele an der Küste schwimmende Eisberge leicht zu erkennen. Zuletzt ist die Menge an Meereis massiv zurückgegangen.

Der Klimawandel trifft die Antarktis besonders hart, viele Forschende befürchten, der Kontinent nähert sich immer weiter Kipppunkten, die unumkehrbar sein werden. Nun sorgt eine Beobachtung vor den Küsten der Antarktis für neue Sorgen.

von Martin Gätke (mg)

Die Antarktis steckt in massiven Schwierigkeiten: Satellitenbilder zeigen, dass die Menge an Meereis, die um den Kontinent zu finden ist, weit unter dem langfristigen Durchschnitt liegt – obwohl dort die Winterzeit bevorsteht. 

Mit großer Sorge haben Forschende des British Antarctic Survey (BAS) Ende 2022 und Anfang 2023 beobachtet, dass die Menge an Meereis Monat für Monat in einem noch nie dagewesenen Tempo verschwand. Und zeigten sich entsetzt darüber, dass sich dieses Meer nach Beginn der kälteren Monate nicht ausreichend wieder regenerierte. 

Antarktis: Ausdehnung des Meereises erreicht traurigen Rekordwert

Das Problem: Die Antarktis hat einen noch gravierenderen Einfluss auf das globale Klima als die Arktis, Veränderungen sind dort besonders dramatisch. Geht der Klimawandel ungebrochen weiter, droht eine Schmelze des Schelf-Eises. Riesige Eisplatten, die auf dem Meer schwimmen, von Gletschern oder Eisströmen gespeist werden. Und von deren Rand immer wieder Eisberge abbrechen. 

Bereits im Februar hat die Ausdehnung des Meereises in der Antarktis einen traurigen Rekordwert erreicht: Satellitendaten zeigten, dass nur eine Fläche von rund zwei Millionen Quadratkilometern des Südlichen Ozeans von Meereis bedeckt war. Bei maximaler Ausdehnung beträgt sie im langjährigen Mittel bis zu 20 Millionen Quadratkilometer, schrumpfte bislang gewöhnlich auf rund drei Millionen Quadratkilometer.

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Neuere Daten von Mitte Juni zeigen, dass sich dieser Negativ-Rekord fortsetzt: Nach Angaben der britischen Wetterbehörde Met Office lag die Meereisausdehnung über eine Million Quadratkilometer unter dem bisherigen Juni-Rekordtief von 2019.

Antarktis: „Irgendetwas ist passiert, und zwar sehr plötzlich“

„In der Arktis haben wir im Laufe der Zeit einen stetigen Rückgang dieses Meereises beobachtet“, sagte Peter Fretwell, Wissenschaftler beim BAS, gegenüber „Space.com“. „Seit 2016 ist es stetig zurückgegangen, und im Moment geht es sogar noch stärker zurück. Irgendetwas ist passiert, und zwar sehr plötzlich.“

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Das Problem beschreibt Fretwell so: „Das, was in der Antarktis geschieht, bleibt nicht in der Antarktis.“ Die Erwärmung vor Ort habe auf der ganzen Welt massive Auswirkungen. Wenn antarktische Gletscher abschmelzen, dann führt das etwa zu einem schnelleren Anstieg des globalen Meeresspiegels. In der Antarktis stehe man „wirklich an der vordersten Front des Klimawandels“, so Fretwell. 

Antarktis: Dramatische Lage auch für die Fauna des Kontinents

Die drei aufeinanderfolgenden Jahre mit einem noch nie dagewesenen Rückgang des Meereises haben auch Auswirkungen auf die Tiere, die nirgendwo anders überleben können. Fretwell und sein Team untersuchen Satellitenbilder, um die Auswirkungen auf die Populationen zu ermitteln, für die das Meereis als Brutstätte fungiert.

So wurde beispielsweise eine der größten Kolonien der Kaiserpinguine durch die Veränderungen dezimiert. Ihre Küken brüten auf dem Meereis, während die Eltern nach Nahrung fischen. Wenn sich das Meereis unter der Kolonie auflöst, ertrinken oder erfrieren die Küken.

Fretwell warnt: „Noch haben wir Zeit, diesen Öltanker namens Klimawandel zu stoppen, aber nicht mehr viel.“ Wenn es der Menschheit nicht gelinge, den Ausstoß von Treibhausgasen zu stoppen, könnte eine völlig neue Antarktis entstehen. „Bei Kipppunkten weiß man nie, ob man sie schon überschritten hat“, erklärt Fretwell. Das Meereis könnte zurückkommen, „aber im Moment befinden wir uns in einem schrecklichen Zustand, in dem wir uns fragen, ob es wirklich zurückkommt oder weiter schmilzt.“