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„Was wir tun, ist eine Gratwanderung“Kita-Leiterin aus Kölner Umland schlägt Alarm

Bettina Mungen arbeitet mit Leib und Seele im Kindergarten. Sie hat es binnen weniger Jahre nach einem späten Wiedereinstieg geschafft, Leiterin zu werden.

Kita-Leiterin Bettina Kurth-Mungen (hier auf einem undatierten Foto) arbeitet mit Leib und Seele im Kindergarten. Gerade deswegen schlägt sie nun im Sinne vieler ihrer Kolleginnen und Kollegen Alarm.

Steigende Anforderungen trotz dramatischem Personalmangel: „Alles, was wir machen, ist eine Gratwanderung“, sagt Kita-Leiterin Bettina Kurth-Mungen. Und hat einen Wunsch an die Politik.

von Andrea Kahlmeier (ak)

Eine angesehene Kita-Leiterin muss damit leben, dass durch einen Moment der Unachtsamkeit zwei Kinder sterben. Das ist das Thema des ergreifenden Dramas „Kalt“, das am Mittwoch, 2. November 2022, um 20.15 Uhr in der ARD zu sehen ist.

Schauspielerin Franziska Hartmann sagte nach den Dreharbeiten: „Ich hab seitdem noch mehr Respekt vor Erzieherinnen und Erziehern, weil ich echt noch mal gemerkt habe, wie herausfordernd dieser Beruf ist.“ Aber könnte so ein Unfall auch in der Realität passieren?

NRW: Dramatische Zustände in Kitas  – überall fehlt Personal

„Ja“, sagt Bettina Kurth-Mungen. Die Leiterin einer Kita im Kölner Umland schlägt Alarm: „So unterbesetzt, wie Kitas sind, ist alles, was wir machen, eine Gratwanderung.“

Jüngst kamen aktuelle Zahlen der Bertelsmann-Stiftung auf den Tisch: 2023 werden rund 384.000 Kitaplätze fehlen, besonders hoch ist der Mangel mit 101.600 Plätzen in NRW. „Ich finde es ja gut, dass wir wegkommen vom Image der kaffeetrinkenden Erzieherin“, sagt Bettina Kurth-Mungen. „Doch die Anforderungen werden immer komplexer – und sind bei dem Fachkräftemangel nur mit großer Anstrengung umzusetzen.“

Und es kommen immer neue Konzepte auf: Mit Vorschule, Sprachförderung, integrativem Arbeiten, Inklusion, Schutzkonzepterstellung, Bildungsauftrag und Portfolio für jedes Kind nennt sie nur einige Stichwörter, die Zeit verschlingen. Dazu kommen immer neue Konzepte.

Ein aktuelles Beispiel nennt die Kita-Leiterin: „Es ist, Kitaqualität aus Kindersicht zu konzipieren. Ich finde, das ist eine tolle Idee, aber wenn ich das meinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen vorstelle, verdrehen sie die Augen, fragen: ‚Wann bitte schön sollen wir das denn noch machen?‘“

Dazu kommen die unterschiedlichen Anforderungen der Eltern. Sie nennt ein Beispiel: „Die einen wollen nicht, dass Hänschen bei Wind und Wetter vor die Tür geht, weil er dann vielleicht eine Rotznase bekommt. Die anderen bestehen aber darauf. Wäre ja kein Problem, wenn man die Gruppe teilen könnte. Doch dafür haben wir kein Personal.“

Ebenso wenig wie für altersgemischte Gruppen (zwei bis sechs Jahre), für die es aber die meisten Gelder gebe. „Aber wie soll man die Kinder pädagogisch sinnvoll unter einen Hut bekommen? Die Zweijährigen laufen gegen Tischbeine, die Großen müssen schon mal allein spielen, die geforderten drei Erzieherinnen oder Erzieher für diese Gruppe gibt es in der Realität selten.“

Personalmangel: Diesen Wunsch hat Kita-Leiterin aus NRW an die Politiker

In ihrer sechszügigen Kita fehlen beispielsweise laut Personalschlüssel drei Vollzeitstellen. Wen wundert’s? Eine Erzieherin (drei Jahre Ausbildung) bekommt bei Steuerklasse 1 netto oft keine 2000 Euro aufs Konto. Kurth-Mungen sagt: „Kein Wunder, dass diejenigen, die Abitur haben, das nur als Sprungbrett sehen – und danach studieren.“

Nicht die Erzieherinnen und Erzieher, sie als Leiterin müsse sich quasi bei Fachkräften bewerben. Kinderpfleger- und Kinderpflegerinnen (nur zwei Jahre Ausbildung) hingegen dürfe sie laut Gesetz nicht allein in eine Regelgruppe lassen.

„Passiert natürlich immer wieder mal im Früh- oder Spätdienst“, sagt sie. „Der Träger vertraut da der Einschätzung von uns Leiterinnen und Leitern. Aber es ist eine Gratwanderung.“ Ihr Wunsch: „Die Politikerinnen und Politiker sollten mal eine Woche in einer Regelgruppe mit 26 Kindern hospitieren und allein diesen Geräuschpegel ertragen. Dann würde sich bei der nächsten Kinderbildungsgesetz-Reform einiges ändern.“