Irre Wohn-PosseKölner lebt 13 Jahre in Kneipe – nach Brief von der Stadt müssen alle raus

Ein Mann steht in einer Wohnung und lehnt sich an einen Tresen an.

Mieter Wolfgang Bergmann lebt in einer ehemaligen Kneipe, hier ist er in seiner Wohnung am Dienstag (18. April).

In Köln sollen Mieter nach über zehn Jahren ihre Wohnungen verlassen, weil die Vermieter das Gebäude nie als Wohnhaus angemeldet haben.

von Adnan Akyüz  (aa)

Die Mieterinnen und Mieter eines Wohnhauses an der Wallstraße in Köln-Mülheim verstehen die Welt nicht mehr. Die Stadt Köln hat ihnen per Post mitgeteilt, dass sie illegal in ihren Wohnungen leben.

Der irre Grund: Das Haus hat nie eine Baugenehmigung für Wohnzwecke gehabt. Dabei haben die Leute seit über zehn Jahren Mietverträge.

Kölner Mieter Wolfgang Bergmann und seine Partnerin müssen raus

Der Kölner Mieter Wolfgang Bergmann (67) und seine Partnerin sollen raus aus ihrer Wohnung in dem Haus an der Wallstraße 31 im Stadtteil Mülheim. Genau wie auch ihre Nachbarinnen und Nachbarn. In dem Gebäude leben derzeit zehn Parteien. Zwei Familien, ältere und jüngere Leute, darunter auch welche mit Behinderungen.

Herr Bergmann, ehemals Fahrer bei einer Bundesbehörde und jetzt in Rente, lebt seit Januar 2010 in dem Haus, zahlt monatlich seine Miete. Seine Wohnung ist in den Räumen der ehemaligen Veedelskneipe „Kaminstube“, die er gemütlich eingerichtet hat. Tresen und Zapfhähne gibt es noch.

Oben leben die Menschen in den Apartments, die früher mal als Hotelzimmer genutzt worden waren. Alle dort haben auch einen gültigen Mietvertrag. Dachten sie jedenfalls. Bis Ende März ein Brief vom Bauaufsichtsamt der Stadt angekommen ist.

Blick auf ein Wohnhaus in Köln.

Um dieses Haus (Mitte) an der Wallstraße 31 in Köln-Mülheim geht es.

Darin steht in bestem Behördendeutsch: „Aufgrund der formellen Illegalität erwäge ich den Erlass einer gebührenpflichtigen Ordnungsverfügung mit dem Ziel einer vollständigen Nutzungseinstellung der von Ihnen genutzten Räumlichkeiten im Erdgeschoss. Diese Ordnungsverfügung kann mit Zwangsmitteln verbunden werden.“

Bedeutet: Weil das Haus keine Baugenehmigung für Wohnzwecke hat, dürfen da keine Menschen leben. Herr Bergmann und die anderen Menschen leben nach Ansicht der Stadt illegal in dem Haus und sollen raus. Für die Leute ein Schock.

Ein Mann steht neben einer Treppe im Hof.

Wolfgang Bergmann neben der Treppe, die im Hof des Gebäudes steht.

Bergmann sagt im Gespräch mit EXPRESS.de: „Wir haben guten Glaubens unsere Mietverträge unterschrieben und uns beim Einwohnermeldeamt umgemeldet. Teilweise schon vor vielen Jahren. Jetzt kommt die Stadt zu uns Mietern und Mieterinnen und verlangt, dass wir ausziehen? Wir fragen uns, warum die Stadt nicht zum Vermieter geht und fragt, warum diese Wohnungen ohne entsprechende Baugenehmigung vermietet worden sind?“

Nach Ansicht der Mieterinnen und Mieter haben sich die Vermieter die Taschen vollgemacht und sie dürfen nun die Fehler ausbaden. Zumal das Haus im Jahr 2019 an eine Kölner Immobiliengesellschaft verkauft wurde.

Lesen Sie hier: Ein Monat ohne Heizung: Kölner Wohnsiedlung friert – Mieterverein erklärt Rechte

Auf den Fall wurde die Stadt nach einem Feueralarm im Sommer 2019 aufmerksam. Nach einer Begehung durch die Feuerwehr und Stadt stellte sich heraus, dass hier rein rechtlich niemand wohnen darf.

Warum die Stadt nun die Mieterinnen und Mieter anstelle des Vermieters anschreibt, erklärt Stadtsprecherin Jutta Doppke-Metz so: „Zum Schutz der Mieterinnen und Mieter ist die Bauaufsicht verpflichtet, gegen die illegale Nutzung vorzugehen. Solche Verfahren richten sich nach Ordnungsrecht gegen die Nutzerinnen und Nutzer.“ Die Stadt hält sich also ans Gesetz.

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Wie die Sprecherin noch mitteilte, sei bei der Brandverhütungsschau im Gebäude festgestellt worden, dass an dem Haus verschiedene baurechtliche Mängel bestehen. So haben die Vermieter die Menschen also jahrelang in einem unsicheren Gebäude leben lassen und die Miete kassiert.

Stadt liegt derzeit kein Bauantrag für Wohnnutzung des Gebäudes vor

Der Stadt Köln liegt derzeit kein Bauantrag für eine Wohnnutzung des Gebäudes vor. Das könnte der neue Eigentümer machen, wenn er ein Interesse daran hat, dass die Menschen weiter dort leben sollen.

Dabei müssten wohl auch die baurechtlichen Mängel beseitigt werden, was wiederum Geld kostet. Bisher seien diese Arbeiten jedenfalls nicht erledigt worden, berichten die Mieterinnen und Mieter.

EXPRESS.de fragte bei der Hausverwaltung, der Firma GSS Immobilien AG, mit Sitz an der Aachener Straße, nach, ob ein Bauantrag für Wohnzwecke gestellt werden soll. Auf Anfrage erklärte Hausverwalter Tobias Michels am Telefon, dass der Fall bei der Firma bekannt sei und man die Sache prüfe. Was genau geprüft werden soll, erklärte er nicht.

Ob die Firma die Menschen dort weiterhin wohnen lassen möchte, lies er unbeantwortet. Auf schriftliche Anfrage antworte die Firma dann: „Wir sind nicht der Eigentümer des Objektes, sondern nur der Verwalter, daher können wir keine weiteren Auskünfte erteilen“.

Die Frist, die die Stadt den Menschen aus dem Haus gesetzt hat, endet am 28. April. Bis dahin haben sie Zeit, dem Bauaufsichtsamt ihre Sicht der Dinge zu schildern.

Immerhin hat es bisher keine konkrete amtliche Aufforderung wie die Aufforderung, aus den Räumen auszuziehen, gegeben. Die Mieterinnen und Mieter befürchten aber, dass die Stadt mit den angekündigten Zwangsmitteln genau das meint.

Am Samstag (22. April 2023) soll vor dem Haus in der Wallstraße in Köln-Mülheim ab 11 Uhr eine Kundgebung stattfinden. EXPRESS.de bleibt dran an dem Fall.