Streit über JahreMarcel-Jana (24) aus Köln erfüllt sich Wunschtraum mit Pass-Änderung

Köln – Eineinhalb Jahre hoffen und warten liegen hinter Marcel-Jana (24) aus Köln. Als nicht-binäre Person fühlt sich Marcel-Jana weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig, das sollten auch die eigenen Dokumente belegen. Doch der Weg zur Pass-Änderung führte von Absagen bis hin zu belastenden Gutachten.

  • Marcel-Jana aus Köln in Gerichtsprozess für Geschlechtsänderung
  • Gutachten für Dokumenten-Änderung bei nicht-binären Personen notwendig
  • Bundesgerichtshof gibt 2020 Beschluss für nicht-binäre Personen bekannt

Köln: Marcel-Jana möchte Geschlechts-Eintrag in Ausweis ändern lassen

Personalausweis und Reisepass, Abi-Zeugnis und Bankdaten, alle offiziellen Dokumente sind bislang auf eine Person ausgestellt, mit der sich Marcel-Jana 2019 nicht mehr identifizieren kann und möchte.

Ein Bescheid vom Arzt und ein Antrag beim Standesamt sollen für eine schnelle Änderung sorgen. Damit folgt Marcel-Jana Paragraph §45b des Personenstandsgesetzes (PStG).

Transsexuellen-Gesetz als einzige Chance für Pass-Änderung bei nicht-binären Personen

Seit 2017 erlaubt das Gesetz intergeschlechtlichen Personen – also Menschen, die anhand von biologischen Merkmalen weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuzuordnen sind (oder auch Personen mit „Varianten der Geschlechtsentwicklung” genannt) ­– diesen unkomplizierten Weg.

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Marcel-Jana identifiziert sich als nicht-binär, mit einer Änderung von Namen und Geschlecht soll das auch auf dem Ausweis sichtbar sein.

Bis 2020 ist allerdings nicht eindeutig geklärt, ob auch nicht-binäre Personen einen Antrag nach Paragraph §45b stellen dürfen.

Amtsgericht Limburg lehnt Namensänderung ab

Marcel-Jana will es dennoch versuchen und reicht einen Antrag beim Standesamt in Hadamar in Hessen ein. Hier wurde die Geburtsurkunde ausgestellt und hier sollen auch Name und Geschlecht geändert werden.

Der Antrag wird an das Amtsgericht Limburg weitergeleitet und abgelehnt. Ein erster Rückschlag, den Marcel-Jana so nicht hinnehmen will und Beschwerde einreicht.

Mit einem persönlichen Brief wendet sich Marcel-Jana an das Gericht – die Antwort ist ernüchternd: „Ich hatte das Gefühl, sie haben es gar nicht gelesen. In ihrer Begründung haben sie es einfach pauschal abgelehnt, ohne eine Aufzählung von Gründen. Ich hatte das Gefühl, ich werde überhaupt nicht ernst genommen”, sagt Marcel-Jana im EXPRESS-Gespräch.

Bundesgerichtshof klärt Rechtslage für nicht-binäre Personen

Nach der erneuten Absage geht das Verfahren weiter an das Oberlandesgericht in Frankfurt. Während Marcel-Jana noch auf eine Antwort wartet, trifft der Bundesgerichtshof im Sommer 2020 eine Entscheidung.

Von jetzt an ist klar: Nicht-binäre Personen können sich nicht auf Paragraph §45b berufen, sondern müssen den Weg über das langwierigere und kostspieligere Transsexuellengesetz (TSG) nehmen.

Es reicht nicht länger ein Bescheid vom Arzt, stattdessen müssen jetzt ein Gerichtsbeschluss und zwei Gutachten vorgelegt werden, um eine Änderung der Dokumente zu bewirken. Begleitet wird Marcel-Jana dabei von dem Kamerateam von Reporter.

In Anbetracht der neuen Rechtslage beginnt für Marcel-Jana der Behörden-Marathon mit einem zweiten Verfahren von vorne. 

Amtsgericht Köln: Änderung von Geburtsurkunde nur nach strengen Auflagen

„Das Gesetz sieht vor, dass sich eine Person nicht mehr mit dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen Geschlecht, sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig empfindet”, erklärt Maurits Steinebach vom Amtsgericht Köln.

Außerdem muss die betroffene Person seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang stehen, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben. Eine Änderung kann nur erfolgen, wenn man davon ausgehen kann, dass sich das Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nicht mehr ändern wird.

Gutachten für nicht-binäre Personen bei Geschlechts-Änderung

Für Marcel-Jana ist schon seit der Pubertät klar, dass sich etwas ändern muss, die gerichtliche Zuteilung zweier Gutachter nimmt Marcel-Jana dafür in Kauf.

„Die Gutachten werden von vielen Betroffenen oft als übergriffig, entwürdigend und diskriminierend empfunden“, sagt Sarah Ponti vom Lesben- und Schwulenverband. Die Notwendigkeit der Gutachten gilt bei vielen als umstritten, gehört aber weiterhin zum Prozedere und auch Marcel-Jana findet sich schnell im intimen Verhör wieder.

Gutachten von nicht-binären Personen für Betroffene oft unangenehm

Während das erste Gutachten noch problemlos abläuft, fühlt sich Marcel-Jana beim zweiten Gespräch von Anfang an unwohl und sagt: „Der Gutachter war total im binären System drin und hat nicht-binäre Identitäten nicht wirklich akzeptiert.”

Es sei ziemlich unangenehm gewesen, vor dem Gutachter zu sitzen und ausgefragt zu werden. Man habe intimste, private Details erfragt, die man allerhöchstens mit dem Partner oder der Partnerin bespricht.

Muss das so ablaufen? Rein formell ja. Laut Gesetz darf „das Gericht einem Antrag nur stattgeben, nachdem es die Gutachten von zwei Sachverständigen eingeholt hat, die auf Grund ihrer Ausbildung und ihrer beruflichen Erfahrung mit den besonderen Problemen des Transsexualismus ausreichend vertraut sind”, sagt Maurits Steinebach.

Hohe Kosten für Geschlechtsänderung bei nicht-binären Personen

Hinzu kommen die hohen Kosten, die von den Betroffenen selbst gezahlt werden müssen. Insgesamt sind es rund 1700 Euro, fast ein Monatsgehalt, das Marcel-Jana zahlt.

Ein teures Verfahren, das nicht für jeden finanzierbar ist. „Ich konnte mir das jetzt leisten, ich habe aber auch einen Vollzeitjob. Trotzdem bleibt das Verfahren sehr teuer und für gering verdienende Menschen sind die Kosten eine große, zusätzliche Hürde”, sagt Marcel-Jana.

Wie bei anderen Gerichtsverfahren können Betroffene Prozesskostenhilfe beantragen, diese ist jedoch an strenge Auflagen geknüpft.

Amtsgericht Köln ermöglicht Pass-Änderung für nicht-binäre Person

Im November 2020 kommt dann der erlösende Beschluss vom Amtsgericht Köln. Das lange Warten und die unangenehmen Begutachtungen haben sich gelohnt. Der Antrag wurde bestätigt und ein neuer Pass kann ausgestellt werden.

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Marcel-Jana konnte nach anderthalb Jahren Behörden-Marathon den neuen Pass in Köln abholen.

„Das war ein großartiger Tag. Nach so vielen Rückschlägen und Tagen, an denen es mir echt schlecht ging, weil ich wieder eine transphobe Nachricht vom Gericht bekommen habe, war das so ein schöner Moment“, sagt Marcel-Jana.

Geschlechtseintrag verändert Wahrnehmung von nicht-binärer Person

Mit der Änderung von Geschlecht und Namen beginnt für Marcel-Jana ein neuer Lebensabschnitt. „Jetzt hat mich die Gesellschaft so wahrzunehmen, wie ich wirklich bin.”

Auf der Geburtsurkunde steht nicht länger der alte Geburtsname,  sondern „Marcel-Jana”, als Geschlechtseintrag steht seit Januar 2021 neuerdings ein „x” im Pass.

„Jetzt kann ich auch meine Zeugnisse neu ausstellen lassen meine Bankdaten ändern, meine Krankenkasse – die ganzen Sachen, wo ich bisher immer noch mit sehr negativen Gefühlen daran erinnert wurde, dass da immer noch mein falsches Geschlecht stand.”

Änderung von Abschluss-Zeugnis mit neuer Geburtsurkunde möglich

Eine riesige Erleichterung, wie Marcel-Jana sagt: „Wenn ich mich irgendwo bewerben möchte, will ich natürlich nicht ein Zeugnis vorlegen, wo mein alter Name und dann auch noch die Anrede Herr drauf steht.“

Was bislang nur mündlich mit Freunden, Familie und Kollegen, kommuniziert wurde, ist jetzt schriftlich dokumentiert. „Ich kann jetzt erst richtig merken, wenn ich überall mit meinem neuen Namen und Geschlechtseintrag auftreten kann, wie ich mich damit wohlfühle.”