Rasante EntwicklungNeue Party-Droge greift in Köln um sich – „Lunge kann explodieren“

Gruppe Jugendlicher konsumiert Lachgas auf den Kölner Ringen.

Lachgas ist die neue Partydroge auf den Kölner Ringen. Auch diese Gruppe sucht mit Luftballons in der Hand den vermeintlichen Kick.

Hat Köln ein neues Drogenproblem? Der Konsum von Lachgas greift um sich – obwohl vielerorts vor der neuen Partydroge gewarnt wird.

von Ayhan Demirci (ade)

Der Hohenzollernring, in der Nacht zu Sonntag (3. September 2023). Vor den Clubs herrscht ein großes Gewühl. Immer wieder ist ein Zischen zu hören. Aufgekratzte Leute, junge Männer, laufen mit Gaskartuschen rum. Sie und viele andere, auch viele junge Frauen, tragen bunte oder auch schwarze Luftballons in der Hand.

Es ist eine Szenerie, die den meisten Menschen in der Stadt fremd ist, die sich in den vergangenen Wochen in der Szene aber rasant verbreitet hat. Viele geben sich mit Lachgas einen vermeintlichen Kick – eine Droge!

Lachgas macht nicht abhängig, kann aber schwere Folgen haben

Auf der Homepage der Krankenkasse BKK Pronova heißt es über das Rauschmittel: „Lachgas ist eine gefährliche Partydroge. Zwar macht Lachgas nicht auf körperlicher Ebene abhängig. Doch kann es zu schwerwiegenden Langzeitfolgen wie Schädigungen des Nervensystems und Psychosen kommen.“

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Doch: Erwerb, Besitz und Konsum von Lachgas (chemisch Distickstoffmonoxid) sind legal! Es wird eigentlich als weit verbreitetes Treibgas für Spraydosen, etwa bei Schlagsahne, industriell hergestellt und eingesetzt.

Mehrere Menschen vor einem Kiosk in Köln, einer davon hat einen Luftballon in der Hand und konsumiert Lachgas.

Auch vor Kiosken sitzen oft Menschen und konsumieren Lachgas, hier der Mann im weißen Oberteil (r.).

Aber es wird auch inhaliert. Eine solche Konsumentin am Ring, Anfang 20, erklärte gegenüber EXPRESS: „Seit einigen Monaten werden die Kartuschen auch hier in den Kiosken angeboten. Vorher hatte ich jemanden, der mich belieferte.“ Sie sagt, sie wisse zwar, dass man beim Konsum das Bewusstsein verlieren könne, auch könne „die Lunge platzen“ – ihr sei so etwas aber nicht passiert.

Die junge Frau gehört zu einer vierköpfigen Gruppe, die sich auf Terrassenmöbeln einer Gastronomie niedergelassen hat. Alle haben einen gefüllten Ballon in der Hand, ein weiteres Mädchen ist benommen, ihr fallen die Augen zu, ein Junge hält sie in seinem Arm. „Lachgas macht müde“, sagt die Freundin.

Die Gasflasche ist vereist. „Das passiert immer, wenn der Inhalt zur Neige geht“, sagt der andere junge Mann aus der Gruppe. Für etwa zwei Stunden habe es jetzt gereicht. Über das müde Mädchen heißt es, sie konsumiere Lachgas auch in der Woche – „jeden Tag“.

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In einem der Kioske am Hohenzollernring sagt der Verkäufer auf Nachfrage, ja, er habe Lachgas. Auf die Frage nach dem Preis antwortet er mit „30 Euro“, schiebt aber sofort nach: 25. Mit einem speziellen Öffner (Cracker) öffnet man die Kartuschen und lässt das Gas in einen Luftballon strömen. Aus dem Ballon wird das Lachgas dann inhaliert.

Lachgas verbreitet sich auch durch Challenges in den Sozialen Medien

Laut BKK Pronova können „schon beim ersten Einatmen neben den gewünschten Effekten auch Nebenwirkungen auftreten.“ Die gewünschte Wirkung beschreibt die befragte Konsumentin vom Ring als einen Zustand unterhalb dessen, was man mit Gras erreiche: „Nicht ganz so chillig.“

Auch durch Lachgas-Challenges auf TikTok hat die Partydroge immer größere Verbreitung gefunden. Der Bürgersteig auf dem Hohenzollernring ist am Samstagabend von Luftballonresten übersät. Im angrenzenden Kaiser-Wilhelm-Park sitzen in dieser Nacht zehn bis 20 Leute am Brunnen und auf den Parkbänken und füllen immer weiter Luftballons ab und atmen das Gas ein.

Zwei junge Männer stehen vor einem Club in Köln. In ihren Händen haben sie Lachgas-Flaschen und einen Luftballon.

Ein fast schon normales Bild: Zwei Männer warten vor einem Club auf den Ringen. Mit dabei: Lachgas.

Auf den umliegenden Terrassen das gleiche Bild: Alle hängen am Ballon. Auf dem Boden und auf der Wiese liegen weggeworfene Kartuschen verschiedener Anbieter, auf denen auf englisch steht: „Don't inhale“ – nicht inhalieren.

Liest man die Warnungen, bleibt es rätselhaft, warum der massenhafte Konsum legal und somit kein Fall für die Behörden ist, weder für das Ordnungsamt noch für die Polizei, die im Rahmen ihrer Ordnungspartnerschaft mit mehreren Wagen und Einsatzkräften am Ring vor Ort ist: „Beim Einatmen von reinem Lachgas aus einem Ballon entsteht akuter Sauerstoffmangel. Kopfschmerzen sind dabei noch eher harmlose Folgen. Wird zur Steigerung der Wirkung das Gas aus dem Ballon wiederholt ein- und ausgeatmet ohne abzusetzen oder wird beim Inhalieren eine Plastiktüte über den Kopf gezogen, kann es zu Bewusstlosigkeit oder sogar zum Tod durch Ersticken kommen. Auftretende Schwindelgefühle nahe an einer Ohnmacht erhöhen das Risiko für Stürze und Verletzungen. Rad- und Autofahren unmittelbar nach einer Party mit mehreren Ballons kann lebensgefährlich werden.“

Zudem würden eilige Nutzerinnen und Nutzer, die das Gas direkt aus der Kartusche konsumieren, „schmerzhafte Frostschäden an Lippen und Zunge sowie im Rachen und an den Bronchien“ riskieren. Hat Köln also ein neuartiges Drogenproblem? EXPRESS bleibt dran!