Immer öfter tote HoseKölner Sex-Steuer wird zum Rohrkrepierer – Zahlen erstaunen

Prostituierte in einem Kölner Bordell

Drei junge Frauen sitzen an der Bar eines Kölner Bordells. Das Symbolfoto ist undatiert. 

Macht die Sex-Steuer für Köln Sinn? Expertinnen und Experten bezweifeln das.

von Chris Merting (mert)

Die Stadt verdient beim Geschäft mit dem käuflichen Sex mit und erhebt Vergnügungssteuer für sexuelle Handlungen gegen Entgelt. Für eine schnelle Steuernummer in den Puff – dieses Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr.

Die Einnahmen durch die sogenannte Sex-Steuer sind dramatisch eingebrochen. Expertinnen und Experten bezweifeln, ob sich der ganze bürokratische Aufwand überhaupt noch lohnt. 

Tote Hose in Köln? Stadt mit erstaunlichen Zahlen

Nach der Einführung der Kölner Sex-Steuer werteten Mitarbeitende des städtischen Kassen- und Steueramtes seitenweise Kleinanzeigen von Prostituierten aus und erfassten sie als Steuerzahlerinnen, in seltenen Fällen machten sie Hausbesuche. Immerhin, im Jahr 2019 kamen so fast eine Million Euro an Einnahmen zusammen.

2020 schrumpften sie nach Angaben der Stadt auf 623.000 Euro zusammen. Im Corona-Jahr 2021 war mit 124.000 Euro tote Hose. Und 2022 strich die Stadt 416.000 Euro durch den käuflichen Sex ein – nicht mal die Hälfte der Einnahmen aus dem Jahr vor der Pandemie.

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Die Stadt teilt auf Anfrage dazu mit: „Im Bereich Vergnügungssteuer für Vergnügungen sexueller Art geht die Stadt pandemiebedingt von insgesamt geringerer Anzahl von Sex-Clubs und ähnlich gelagerten Betrieben aus. Ob das Vor-Corona-Niveau wieder erreicht wird, ist fraglich. Die Auswirkungen der Pandemielage sowie der allgemein strukturell schwierigen Rahmenbedingungen, die sich durch die aktuelle Energiekrise verstärkt haben, bleiben abzuwarten.“

Bei den Aussichten stellt sich die Frage, ob sich der Aufwand überhaupt noch lohnt. Geld sei nicht alles, so eine Stadtsprecherin. „Die Besteuerung soll nachgelagert auch eine Lenkungswirkung entfalten und die Angebote begrenzen.“

Kölner Sex-Steuer: Bund der Steuerzahler NRW mit klarer Meinung

Von diesem erzieherischen Ansatz hält der Bund der Steuerzahler NRW nichts. „Wir lehnen das Steuern mit Steuern ab“, sagt Hans-Ulrich Liebern, Leiter der Steuerabteilung, gegenüber EXPRESS.de. Wenn die Stadt Köln Prostitution tatsächlich eindämmen wolle, sollten nach Meinung des Steuerzahlerbundes „andere rechtliche Möglichkeiten, zum Beispiel das Ordnungsrecht, ins Auge gefasst werden“.

Eine städtische Sex-Steuer lehnt Liebern ab: „Da kommunale Bagatellsteuern kaum Auswirkungen auf den kommunalen Haushalt haben, sollten sie generell abgeschafft werden. Absurd wird eine Steuer dann, wenn der Aufwand die Einnahmen übersteigt.“

Köln: Sex-Steuer „ungeeignet, um Prostitution einzudämmen“

Der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD) lehnt eine „Extra-Steuer“ kategorisch ab. „Warum sollen Sex-Arbeiter und Sex-Arbeiterinnen an die Stadt Köln zusätzlich zahlen, sie zahlen doch schon Steuern auf ihr Einkommen wie jeder andere auch“, sagt Nicole Schulze, BesD-Landessprecherin Nordrhein-Westfalen.

Eine solche kommunale Steuer sei auch völlig ungeeignet, Prostitution einzudämmen. Schulze: „Keine Sex-Arbeiterin wird so etwas abschrecken, es ist nur eine zusätzliche Belastung.“ Die Branche wurde durch behördliche Auflagen und Verbote während der Corona-Pandemie hart getroffen.

„Viele sind in die Illegalität abgetaucht und arbeiten weiter unter dem Radar“, sagt Schulze. Die Lage sei schwierig. Auflagen durch das Prostitutionsschutzgesetz, das eigentlich die Lage der Menschen verbessern sollte, verstärken den Trend zur Illegalität auch noch. Viele Menschen in der Sexarbeit fürchteten, dass sie durch die Anmeldepflicht oder durch die kommunale Steuer zwangsgeoutet werden, wenn der Steuerbescheid der Stadt etwa der Familie in die Hände fällt