Unternehmen fühlen sich bestraftEs gärt in Kölns Brauereien: Offener Brief an Laschet

Kölsch_Brauereien

Der Kölner Brauerei-Verband hat einen offenen Brief an NRW-Ministerpräsident Armin Laschet verfasst und auf die dramatische Lage hingewiesen. Auf dem Symbolfoto hält ein Mann eine Stange Kölsch vor dem Kölner Rathaus. 

von Susanne Scholz (susa)

Köln – Es gärt in Kölns Brauereien. Doch diesmal steht am Ende des Prozesses nicht ein kühles Kölsch. Es ist die blanke Angst und Sorge um die Zukunft, die Kölns Brauerein antreibt. Und Auslöser ist natürlich die Corona-Pandemie.

Zwar kann nach wie vor gebraut werden. Doch wohin mit dem Gebräu? Durch die im Lockdown light verfügte erneute Schließung der Gastronomie fällt neben den noch immer verbotenen Großveranstaltungen auch der wichtige Absatzmarkt in Kneipen, Gaststätten und Restaurants weg.

Staatliche Unterstützung ist für die Brau-Betriebe nicht vorgesehen. Ein Zustand, den der Kölner Brauerei Verband nicht länger stillschweigend hinnehmen will. Mit einem offenen Brief an Ministerpräsident Armin Laschet machen die Brauereien ihrer Sorge und ihrem Unmut Luft.

Besonders ärgert sie, dass die Novemberhilfen nur für Unternehmen bis 50 Mitarbeiter gedacht sind. „Die meisten Brauereien haben aber mehr Mitarbeiter – gerade durch die Personalaufwendige Gastronomie. Größere Unternehmen sind somit „gestraft“, schreibt Christian Kerner, Geschäftsführer des Kölner Brauerei-Verband.

Schon im Sommer hatten die Kölner Brauereien eine düstere Prognose für den Absatz erstellt. „Wir hoffen dass der Schaden in Grenzen gehalten wird, aber realistisch schätzen wir, dass übers Jahr hinweg 20 Prozent weniger Kölsch gebraut wird – das ist schon enorm und ein tiefer Einschnitt“, warf Kerner damals einen Blick in die Zukunft.

ChristianKerner

Christian Kerner ist Geschäftsführer des Kölner Brauerei-Verbandes.

Der Teil-Lockdown hat die Situation erneut verschärft. Die Brauereien haben ihre Produktion daher heruntergefahren. „Unsere Brauereien sind im höchsten Maße betroffen“, heißt es in dem Schreiben an den NRW-Ministerpräsidenten. Und weiter: „Daher bitten wir Sie, sich bei den weiteren Gesprächen dafür einzusetzen, dass regionale, mittelständische Brauereien neben den coronabedingten Einbußen nicht auch noch die Folgen des erneuten Lockdowns und der Zwangsschließung der Gastronomie komplett allein tragen müssen.“

An Ideen mangelt es den Brauereien wahrlich nicht. So wagt die Privatbrauerei Gaffel einen neuen Vorstoß und will für die durstigen Fans ein so genanntes „Pittermännchen-Taxi“ ins Leben rufen.

Der Brief an NRW-Ministerpräsident Armin Laschet im Wortlaut

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Laschet,

als Vorstand des Kölner Brauerei-Verbandes, der die Interessen von neun Mitgliedsunternehmen vertritt, halten wir es für inakzeptabel, dass die Politik unsere Branche bei den Novemberhilfen zum größten Teil ausschließt.

Die aktuelle Situation mit den von Ihnen mitgetragenen Maßnahmen treffen alle Mitgliedsbrauereien mit einem hohen Gastronomieanteil wirtschaftlich extrem hart. Die Umsätze in diesem Segment entfallen für uns komplett.

Durch ausbleibende Mieten, Pachten und Darlehnsausfälle für Gastronomie-Objekte sind wir darüber hinaus stark belastet. Der Bund hat eine außerordentliche Wirtschaftshilfe beschlossen, die das Land NRW verwaltelt.

Demnach werden nur Unternehmen bis 50 Mitarbeiter unterstützt, die mehr als 80 Prozent des Gesamtumsalzes mit temporär geschlossenen Betrieben erwirtschaften. Das würde für viele unserer Mitgliedsbrauereien bedeuten, dass sie durch das Maßnahmen-Raster fallen und erheblich benachteiligt werden.

Die 80 Prozent Umsatzrückgang erreichen wir nicht, da wir noch einen Teil unseres Absatzes mit Flaschenbier im Handel erzielen, der die Umsatzeinbußen in der Gastronomie jedoch bei Weitem nicht kompensieren kann.

Ebenfalls durchs Raster fallen gastronomische Objekte, die die Brauereien selber betreiben oder die als eigene Tochtergesellschaft rechtlich selbstständig wirtschaften. Diese Brauhäuser leisten einen erheblichen Beitrag zum gesamten Unternehmenserfolg.

Sie werden bezüglich der Corona-Finanzhilfen gesamtheitlich mit der Brauerei betrachtet. Das führt dazu, dass zwischen Brauerei und Gastronomie nicht getrennt wird. Unseren Brauhäusern werden so die wirtschaftlichen Hilfen für das gastronomische Gewerbe verwehrt. Dass es keinen Ausgleich für das komplett zum Erliegen gekommene gastronomische Geschäft gibt, ist nicht zu verstehen und entspricht in keiner Weise dem Gleichheitsgrundsatz.

Als Steuerzaltler sind wir gerne gesehen. Bei Unterstützungsleistungen werden wir aber ausgeschlossen. Wir appellieren an Sie, sich unsere Situation differenzierter anzusehen.

Während einige Branchen von den Restriktionen profitieren, müssen die allermeisten Unternehmen um ihre Existenz fürchten oder erhebliche wirtschaftliche Einbußen hinnehmen. Unsere Brauereien sind hier im höchsten Maße betroffen. Dabei geht es doch um ein gesamtgesellschaftliches Engagement, das alle gleichermaßen mittragen sollten.

Bitte überdenken Sie die Regelungen der außerordentlichen Wirtschaftshilfe des Bundes und wirken auf eine Korrektur ein. Fair wäre es beispielsweise, die Hilfen allein nach gesunkenen Umsätzen im Lockdown zu bemessen und die angeschlossenen Brauhäuser gesondert zu betrachten, die maßgeblich zum Unternehmenserfolg beitragen.

In den Monaten der Pandemie haben viele Mitgliedsbrauereien die gastronomischen Partner überdurchschnittlich mit vielfältigen Maßnahmen unterstützt und zum Erhalt der Gastronomiebranche beigetragen. Auch in dieser Zeit haben unsere Brauereien keine staatlichen Soforthilfen erhalten. Wir halten die fehlende Unterstützung durch die Politik für unsere direkt betroffene, aber nicht zwangsgeschlossene Branche für nicht tragbar.

Daher bitten wir Sie, sich bei den weiteren Gesprächen dafür einzusetzen, dass regionale, mittelständische Brauereien neben den coronabedingten Einbußen nicht auch noch die Folgen des erneuten Lockdowns und der Zwangsschließung der Gastronomie komplett allein tragen müssen. Wir sind eine Branche, die wirtschaftlich und kulturell einen wichtigen Beitrag leistet sowie ein maßgeblicher Arbeitgeber in der Region ist.

Bitte helfen Sie uns, die Corona-Krise, deren Ende derzeit nicht absehbar ist, wirtschaftlich tragbar zu überstehen.

Eine Antwort des Ministerpräsidenten steht noch aus. Bis dahin kann der Brauerei-verband nur hoffen. Denn auch die sonst so absatzstarke Karnevalssession wird Anfang 2021 bekanntlich deutllich kleiner ausfallen (müssen).

Die Verluste, da bleiben die Brauer realistisch, werden so schnell nicht wieder aufgefangen. Nach der Sommerprognose wurde bei einem Jahresschnitt von 178,5 Millionen Liter (1,785 Millionen Hektoliter) produziertem Kölsch in diesem Jahr vermutlich mit 35,7 Millionen Liter und damit 178,5 Millionen Gläser Kölsch weniger gebraut. (susa)