Hat ein Ausflug ins Phantasialand einen betrieblichen Zweck? Eberhard Kanski vom Steuerzahlerbund bezweifelt das.
„Darf es nicht geben“Steuerzahlerbund rügt die Stadt – Ausgaben für Feiern auffällig

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Die Opern-Baustelle in Köln.
Wie bitte? Die städtischen Bühnen in Köln haben in drei Jahren 178.200 Euro für Feiern ausgegeben. Das kam nach einer Recherche des „Kölner Stadt-Anzeiger“ bei stichprobenartigen Kontrollen durch das städtische Rechnungsprüfungsamt raus.
Teile des Stadtrates sprechen von einem „Skandal“, Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) hatte intern im Oktober eine neue Richtline angekündigt. Sie soll nun „in Kürze“ folgen. Eberhard Kanski, stellvertretender Vorsitzender des Steuerzahlerbunds NRW, fordert im Interview mit dem „KStA“ von der Stadt „gesunden Menschenverstand“.
Köln: Bund der Steuerzahler kritisiert Ausgaben der Stadt
Wie bewerten Sie die Ergebnisse des Rechnungsprüfungsamtes, das davon berichtet, dass die Stadtverwaltung Köln und die städtischen Bühnen Steuergeld für einen Gin-Stand, Phantasialand-Ausflüge, T-Shirts und Socken sowie vier Feste in hundert Tagen für rund 68.000 Euro ausgeben?
Eberhard Kanski: Mit Blick auf die massiven Haushalts-Probleme sind das Ausgaben, die nicht zu rechtfertigen sind. Allerdings muss man auch das Steuerrecht beachten. Es sieht vor, dass eine Stadt für maximal zwei Betriebsveranstaltungen pro Jahr und Arbeitnehmer insgesamt 110 Euro ausgeben darf. Das kann und muss die Stadt in die geplante neue Richtlinie einpflegen. Aber eigentlich ist es schade, dass es eine solche Richtlinie überhaupt braucht. Denn die Spielregeln sind durch das Steuerrecht klar vorgegeben.
Was regelt es?
Dass eine Stadt mit diesen 110 Euro Speisen, Getränke, gemietete Räume, Sanitäter oder auch Trinkgeld bezahlen kann. Und wenn eine Stadt über dieser Summe liegt und beispielsweise 150 Euro je Arbeitnehmer ausgibt, muss sie die 40 Euro Unterschied pauschal versteuern. Das ist klar geregelt im Steuerrecht – und die Regeln gelten auch für die Stadt Köln.

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Eberhard Kanski Steuerzahlerbund NRW
Laut der Prüferinnen und Prüfer könnten die 178.200 Euro Kosten der Bühnen für 17 Feiern in drei Jahren dafür sorgen, dass die Stadt für die Mehrausgaben steuerpflichtig ist. Bleiben wir bei dem Beispiel mit den 150 Euro. Was würde das für die Stadt Köln bedeuten?
Dann muss sie darauf pauschal Steuern zahlen, üblicherweise sind das 25 Prozent des sogenannten geldwerten Vorteils. Pro Arbeitnehmer sind das also überschaubare Beträge, aber bei der Stadt Köln arbeiten ja mehrere tausende Menschen. Das kann für die Stadt ein Problem werden: Die Stadt Köln muss ja massiv kürzen, es gibt einen Unterhaltungsstau, die Verschuldung der Kommunen ist ungelöst, es gibt viele Altschulden. Köln muss dringend seinen Haushalt sanieren. Da würde es natürlich wehtun, wenn die Stadt möglicherweise aufgrund von Fehlern bei Betriebsfeiern einen zusätzlichen hohen Betrag für Steuern einplanen muss. Das fehlt an anderer Stelle.
Das Verkehrsdezernat hat sich die Ausgaben für einen Ausflug ins Phantasialand inklusive Essen bezahlen lassen, um laut eigener Aussage Teambuilding zu betreiben. Es geht um 960 Euro. Je Teilnehmer würden die Kosten unter dem Freibetrag von 110 Euro liegen. Rechtlich ist das also okay, oder?
Die 110 Euro müssen einen betrieblichen Bezug haben. Ich weiß jetzt nicht, welcher betriebliche Bezug zum Phantasialand hergestellt werden kann. Das ist eine wunderbare Einrichtung, nicht dass ich da falsch verstanden werde. Aber es wäre vielleicht sinnvoller gewesen, wenn die Mitarbeiter eine interne Veranstaltung mit einem konkreten Bezug zu ihrer eigentlichen Verwaltungsarbeit gemacht hätten.

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Das Phantasialand in Brühl.
Laut der stichprobenartigen Prüfung werden städtische Mittel „überwiegend ohne Auffälligkeiten“ verwendet, bei einigen Abteilungen aber nicht. Fehlt da die Sensibilität oder das Gespür dafür, dass es um Steuergeld geht?
Das ist meine langjährige Beobachtung, dass der öffentliche Sektor ein gewisses Anspruchsdenken entwickelt hat. Dass man Anspruch auf eine Betriebsfeier hat und es nicht zur Kenntnis genommen wird, dass der Haushalt sich in einer dramatischen Schieflage befindet. Es fehlt auch an gesundem Menschenverstand: Es kann doch nicht sein, dass man mit Steuergeld Gin-Stände oder T-Shirts und Socken bezahlt. Das geht einfach nicht und ist nicht üblich. Da muss dringend ein Umdenken bei den verantwortlichen Personen in der Stadtverwaltung erfolgen.
Das RPA betont aber auch den Wert von Motivation, Wertschätzung und Zusammenhalt.
Ja. Aber noch einmal: Es gibt klare Spielregeln in Deutschland. Es wäre geboten, die üblichen zwei Feiern, beispielsweise eine Weihnachtsfeier, abzuhalten. Das ist auch aus Steuerzahler-Sicht überhaupt nicht zu kritisieren. Man muss ja im Hinterkopf haben, dass es auch im öffentlichen Sektor einen Fachkräftemangel gibt. Eine Stadt muss sich als Arbeitgeber auch ein bisschen hübsch machen. Aber was in Köln passiert, geht über das übliche Maß hinaus. Ein Blumenstrauß oder ein Buch als Abschiedsgeschenk beispielsweise sind nicht zu kritisieren, aber keine T-Shirts, Socken und Gin-Stände. Solche Auswüchse darf es nicht geben und sie dürfen schon gar nicht zur Tagesordnung werden.
Sie haben zwei Feiern pro Jahr als üblich bezeichnet. Die vier Feiern der Bühnen in 100 Tagen sind Ihrer Meinung nach also nicht üblich?
Ja. Das ist völlig überzogen. Erstens mit Blick auf den hohen Subventionsbedarf der Bühnen, für den die Mitarbeitenden größtenteils nichts können. Und zweitens kommt das Finanzdebakel um die Bühnen-Sanierung noch dazu. Das lässt es überhaupt nicht rechtfertigen, dass die Bühnen solch hohe zusätzliche Ausgaben für viele Betriebsfeiern tätigen. Das passt nicht zur Finanzlage der Bühnen. Es geht um Geld, das nicht die Stadt erwirtschaftet hat, sondern die Bürgerinnen und Bürger.
Wundert Sie das?
Ich bin enttäuscht, vor allem mit Blick auf die allgemein bekannten Finanzprobleme der Stadt Köln. Dass immer noch Geld für solche Ausgaben vorhanden ist und bereitgestellt wird, wundert mich schon. Es zeigt aber gleichzeitig, dass es tatsächlich noch Sparpotenzial gibt, das Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Kämmerin Dörte Diemert ja regelmäßig verneinen.
Also auch die 1200 Euro für den Gin-Stand können einen Unterschied machen? Das berühmte Sprichwort: Kleinvieh macht auch Mist.
Ja. Und Haushaltskonsolidierung beginnt wirklich bei klassischer Ausgabenkritik. Es kann doch nicht sein, dass die Steuerzahler in Köln einen Gin-Stand bezahlen.
OB Reker hat jetzt ein Regelwerk angekündigt. Braucht es das überhaupt angesichts der Steuergesetze, über die wir sprachen?
Eigentlich braucht es das nicht, wenn man sich an das Steuergesetz hält. Die Stadt Köln muss nur die Gesetze und Erlasse anwenden, die ihr sicher auch bekannt sind. Aber leider wird sie offenbar nur aus Schaden klug. Deshalb ist die in Aussicht gestellte Richtlinie richtig und geboten.
Laut des Antikorruptionsbeauftragten sind städtische Mittel für Alkohol verboten. Demnach kann selbst der Missbrauch auch kleinerer Beträge „eine Veruntreuung öffentlicher Gelder“ darstellen und „damit den Strafbestand der Untreue sowie des Betruges verwirklichen“. „In den meisten Fällen“ kann es zu einer Anzeige bei der Staatsanwaltschaft führen. Ist das nicht über das Ziel hinausgeschossen und lebensfremd?
Andersherum: Das Steuerrecht lässt doch 110 Euro pro Person und Jahr zu. Laut der Richtlinien darf eine Stadt die Summe beispielsweise für Getränke ausgeben, da wird nicht nach alkoholischen und alkoholfreien Getränken unterschieden. Das Kölsch bleibt also auch weiter möglich.
Mir erzählen einige Mitarbeitende, dass ihr Arbeitsplatz in einer öffentlichen Verwaltung sicher ist und der gesunde Menschenverstand helfe zu beurteilen, was erlaubt ist und was nicht.
Da gebe ich diesen Mitarbeitenden Recht und die Aussage geht genau in die richtige Richtung. Die Mitarbeitenden sollten sich immer fragen: Würde man privat genauso das Geld ausgeben? Da setzt man sicher einen ganz anderen Maßstab an, weil es um das eigene Geld und nicht um Steuergeld geht. Aber mit klarem Menschenverstand und einer selbstkritischen Haltung wäre schon viel gewonnen.