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„Ich wurde mehrfach bedroht”JVA-Beamter: Die Wahrheit über den Kölner Klingelpütz

Klingelpütz

Marc Vosen an der Klingelpütz-Mauer. Häufig sorgt das Gefängnis  für Schlagzeilen. Das Leben hinter Gittern bleibt für Außenstehende ein Mysterium.

von Markus Krücken (krue)

Köln – Es ist still. Die Sonne knallt auf die sprachlosen Mauern. Was dahinter los ist, kennt kaum jemand in Köln besser als Marc Vosen (54). „Selbst nach Jahren ist es immer ein seltsames Gefühl, hier zu sein“, sagt er. Und erzählt uns die Wahrheit über den Klingelpütz.

Knapp zwanzig Jahre war er Justizvollzugsbeamter in der JVA Ossendorf.

„Habe viel zu erzählen”

„Dieser Knastgeruch steckt in einem drin, der Geruch von Eingesperrtsein, Bohnerwachs, Schweiß, Angst, von 1200 Menschen. Ich habe 1995 angefangen.

Weil ich zwölf Titanschrauben im Rücken habe, wurde ich frühpensioniert. Aber ich habe viel zu erzählen.“

Wird man als Angestellter von Häftlingen oft bedroht?

Ja. Ich wurde mehrfach bedroht, bin auch angegriffen worden und wurde am linken Arm verletzt. Man bekommt oft Angebote, gegen Geld Alkohol und Drogen reinzuschmuggeln.

Manche Kollegen sind darauf eingegangen, dann hängt man in dem Sumpf drin und ist erpressbar. Man hat mir 7000 D-Mark für ein Handy geboten. Das war 1998.

Sind die Insassen resozialisierbar?

Schwer. In ein paar Fällen ist das gelungen, vielleicht 10 oder 15 Prozent. Angst, ehemalige Insassen nach der Haft auf der Straße zu treffen, habe ich nicht. Bei 95 Prozent habe ich ein super Verhältnis zu den Häftlingen. In der Kneipe hieß es schon mal: „Trinkst Du ein Bier mit?“

Erleben Kinderschänder im Klingelpütz die Knast-Hölle?

Kinderschänder haben eine besondere Stellung. Sie können sich nicht frei in der JVA bewegen. Es ist immer ein Beamter dabei. Sie können nicht zusammen mit anderen duschen oder zum Hofgang. Sie haben Einzelfreistunde.

Daran erkennen die anderen Gefangenen, dass es sich um einen Kinderschänder handeln muss. Wie Polizistenmörder stehen sie ganz unten in der Hierarchie. Einmal hat der Kollege „geschlafen“, der Riegel an der Zelle eines Kinderschänders war nicht richtig gesichert.

Das haben Mithäftlinge gesehen, es ging schnell. Der musste „ausgeführt“ werden, also ins Krankenhaus.  

Sind manche JVA-Mitarbeiter Sadisten?

Ich habe keine Sadisten unter den Kollegen erlebt. Es macht keinen Spaß, die Leute wegzuschließen. Es ist eher eine Handlung aus Angst. Klar ist: Die Beamten sind suchtgefährdet. Aber wenn es heißt, die Leute verdienen da schlecht, ist das Blödsinn.  

Gab es Ausbruchsversuche?

Ja, einmal mit einer Diamantenfeile. Durch einen bekannten Rechtsanwalt wurde sie im Leitz-Ordner reingeschmuggelt. Beim Gefangenenbesuch hat er das gemacht. Die Anwälte werden ja nicht wie normale Besucher überwacht.

Es kam natürlich nachher raus. Danach verlor er seine Konzession und bekam Hausverbot.

Gibt es viele Selbstmorde und Schlägereien?

Die hängen sich meist auf. Mit zerschnittenen Bettlaken und ab den Stuhl runter. Fünf, sechs Selbstmorde habe ich mitbekommen. Die Rate ist recht hoch. Manchmal gab es drei Schlägereien am Tag, dann vier Wochen gar keine.

Meist beim Hofgang wird das geklärt. Es geht oft um Unstimmigkeiten wegen des Warenhandels untereinander. Dann knallt es.

Wer hat das Sagen?

Die Russen haben eine ganz strenge Hierarchie. Es gibt einen Chef – und der hat drei Mann unter sich. Die anderen da drunter müssen einen Obolus abgeben. Wer nicht zahlt, kriegt auf die Fresse.

Wie weiblich ist der Klingelpütz?

Es gibt tatsächlich Frauen, die sich in Häftlinge verlieben. Das ist dieser Kick. Aber man muss dazu sagen, es hält nicht lange. Meist sind die Beziehungen nach zwei Jahren vorbei.

Ich war zwei Monate im Frauenbereich. Es läuft alles gesitteter ab. Lockerer. Adelheid Schulz, die ehemalige RAF-Terroristin von der Schleyer-Entführung, die saß 1996 ein. Sie hatte so gut wie keinen Kontakt zu anderen Gefangenen.

Wie lebt man nach dem Knast?

Ich verkehre als kölscher Jung ja überall und saß neulich im „Grön Eck“. Mein Kumpel Rotsch hat mich ermutigt, ein Buch zu schreiben. Vielleicht mach ich das.

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(exfo)