Kölns tapferstes i-DötzchenMilana (6) kam ohne Hände und Füße auf die Welt – jetzt ihr Meilenstein

Ein Bild, das ans Herz geht: Milana hält glücklich und stolz ihre Schultüte zwischen den Ärmchen.

Ein Bild, das ans Herz geht: Milana hält glücklich und stolz ihre Schultüte zwischen den Ärmchen.

Milana aus Köln kam ohne Hände und Füße auf die Welt. Was das für ihr Leben bedeutet ...

von Philipp Meckert (pm)

Wenn Milana durch die Straßen Kölns läuft und sieht, wie andere Kinder hüpfen und toben und an ihr vorbeirennen, will sie das auch. Wenn sie dann über ihre wackeligen Prothesen stolpert, können ihre verkürzten Ärmchen den Sturz nicht bremsen.

„Mehrmals ist sie schon auf den Kopf gefallen“, erzählt ihre Mutter Maria. „Dann weint sie. Aber sie steht wieder auf und läuft weiter.“ Aufgeben gibt’s nicht, für Kölns tapferstes i-Dötzchen.

Milana (6) aus Köln hat keine Unterarme und Hände

Wer Zeit mit Milana verbringt, schließt das Kind sofort ins Herz. Ihre Augen lachen, auch wenn ihr Körper nicht komplett ist. Milana hat keine Unterarme und Hände.

Ihr fehlt der komplette rechte Unterschenkel, der linke ist samt Fuß fehlgebildet. Vor drei Jahren berichtete EXPRESS.de, von einer Hebamme aus dem Severinsklösterchen alarmiert, über eine auffällige, unerklärliche Häufung von fehlgebildeten Kindern.

Die Kölner Storys über „Dysmelie“ machten bundesweit Schlagzeilen. Damals meldete sich auch Familie Günther aus Vingst und erzählte vom 9. März 2016, als Milana geboren wurde.

„Machen sie sich keine Sorgen, sie bekommen ein süßes Mädchen, sagte meine Frauenärztin zu mir“, erinnert sich Maria, die Mutter. „Die Vorfreude war riesengroß.“ Dann der Schock nach dem Kaiserschnitt.

Hatte die behandelnde Gynäkologin die Fehlbildungen im Ultraschall nicht erkannt ?

„Ich konnte nicht mehr sprechen“, sagte Vater German. „Wir waren erschüttert und fassungslos.“ Wie konnte das passieren? Offenbar hatte die behandelnde Gynäkologin die Fehlbildungen im Ultraschall nicht erkannt – oder sie durchgehend verheimlicht.

„Sei es aus ethisch-moralischen Gründen – oder weil sie nicht als der Arzt oder die Ärztin dastehen wollen, die Abtreibungen befürwortet“, sagte damals der Anwalt der Familie. Es kam nie zum Prozess, beschwerliche Jahre vergingen, vor wenigen Tagen wurde Milana eingeschult – in einer Rösrather Einrichtung vom LVR für Kinder und Jugendliche mit körperlichen Behinderungen.

Milana wurde vor wenigen Tagen eingeschult

Ihr neuer Alltag ist hart: „Milana muss um 6 Uhr aufstehen und zieht um 7 Uhr die Beinprothesen an, die sie dann bis 16 Uhr, wenn sie der Schulbus zurückbringt, tragen muss“, erzählt die Mutter.

Der Vater betont: „Neun Stunden mit Prothesen und das bei dieser Hitze – Milana klagt über Schmerzen und entzündete Wunden.“ Denn so wie Kinder immer wieder neue Schuhe brauchen, werden auch Prothesen zu eng – nur können sie nicht mal schnell ausgetauscht werden.

„Dafür müssen wir extra zu einem Spezialisten nach Bayern reisen, der Milana eine Woche stationär dort behält. Bald ist es wieder soweit“, sagt der Vater.

Anziehen, Essen, Toilettennutzung – für Milana ist alles schwierig

Doch auch das macht die Sechsjährige tapfer mit. Wie so vieles. Schwierigkeiten hat sie neben alltäglichen Dingen, von Anziehen über Essen bis Toilettennutzung, auch damit, neue Freundinnen zu finden oder einfach mal mit anderen Kindern zu Hause zu spielen.

„Wenn Milana am späten Nachmittag aus der Schule kommt, ist sie einfach nur noch müde und kaputt“, sagt ihre Mutter. „Dann will sie nur noch etwas essen und schlafen. Am nächsten Tag geht ja alles um 6 Uhr wieder von neuem los ...“

Eltern von Milana: „Wir sind oft den Tränen nahe“

Anträge, Formulare, ärztliche Bescheinigungen: Seit Milanas Geburt haben Maria und German Günther neben der aufwendigen Betreuung ihrer Tochter und ihren Berufen (er Elektriker, sie Fußpflegerin) immer neue Probleme mit Behörden, Versicherungen und Pflegekassen zu lösen.

Beide sagen: „Wir sind oft den Tränen nahe.“ Derzeit kämpfen sie mit der Krankenkasse „Vivida BKK“ um die Anerkennung von Milanas Pflegegrad. Hier mustern Gutachterinnen oder Gutachter bei einem relativ kurzen Besuch die behinderten Kinder und legen dann eine Punktzahl fest, der Grad 1 (geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit) bis Grad 5 (schwerste Beeinträchtigung mit besonderen Anforderungen) bestimmt.

„Unsere Kinderärztin, die Milana genau untersucht hat, sieht eindeutig Grad 4 gegeben, die Kasse nur Grad 3. Das bedeutet allein beim Pflegegeld 183 Euro weniger pro Monat“, klagt Maria Günther. „Plus zahlreiche andere entscheidende Unterschiede bei Geld- und Sachleistungen, die Milana sehr helfen würden.“

Die„Vivida BKK“ beantwortete Günthers Widerspruch mit den Worten, dass ihre Argumente „aufgegriffen, geprüft und entkräftet“ wurden. Es bleibt bei Grad 3. Die Mutter empört: „Hier wird bei der Pflegeversicherung auf Kosten von kleinen behinderten Kindern gespart. Echt unverschämt!“