Wir jetzt alles teurer durch den angekündigten Anstieg des gesetzlichen Mindestlohns? EXPRESS.de hat sich umgehört.
Höherer MindestlohnKölner Wirt stellt klar: „Werden das auf die Preise umlegen müssen“

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Ein Köbes (Kellner) trägt im 'Gaffel am Dom' in Köln einen Kölsch-Kranz.
Der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland wird angehoben. Was bedeutet das für die Wirtschaft, die Unternehmen und die Gastronomie in Köln und der Region?
Köln: Gastronomie befürchtet Rattenschwanz bei Anhebung des Mindestlohns
„Wir sind im ersten Schritt ein wenig erleichtert, dass die Mindestlohnerhöhung nicht schon sofort ab 2026 greift, sondern erst zu 2027. Dennoch halten wir es nicht für das richtige Instrument. Wir glauben nicht, dass die Mitarbeitenden davon viel haben, denn die Preise werden steigen. Für uns ist die Schwierigkeit, nicht nur die niedrigen Stufen auf den Stand zu bringen, sondern eben auch alle nachfolgenden Lohnstufen anzuheben“, sagt Maureen Wolf, eine der Betreiberinnen der Kölner Gaststätte „Bei Oma Kleinmann“ an der Zülpicher Straße.
Auch aus Sicht von Martin Schlüter vom Brauhaus „Reissdorf am Hahnentor“ bedeute eine Anhebung des Mindestlohns eine Herausforderung. „Es ist ja nicht nur der Mindestlohn, sondern es gehen ja alle Löhne hoch. Die Küchenhilfe, die bisher 16 Euro verdient hat, möchte dann 18 Euro oder 19 Euro, weil dann auch die einfache Kraft wie ein Spüler den Mindestlohn hat. Es wird also alles nach oben gehen. Das werden wir auf die Preise umlegen müssen“, erklärt er.
Es sei zwar richtig und gut, dass alle ordentlich bezahlt werden, „aber die Preisschraube lässt sich nur noch bedingt nach oben drehen“, so der Brauhaus-Wirt. Schlüter ist auch im Vorstand der IG Gastro, die die Interessen von Hunderten Kölner Betrieben vertritt. Auch da sieht er die Entwicklung mit Sorge: „Es gibt Betriebe, die können ihre Preise nicht mehr erhöhen und schaffen es dann vielleicht nicht mehr.“
Gleichzeitig finde er es gut, dass Leute fair und richtig bezahlt werden. In sehr vielen Bereichen in Deutschland sei der Mindestlohn absolut überfällig und notwendig.
Claudia Wecker vom Studentenclub „Das Ding“ auf den Kölner Ringen befürchtet, dass in vielen Branchen ein Umbruch stattfinden wird. „Jedem sollte klar sein, dass dies nur kurzfristig für den Staat mehr Steuern produziert. Egal, welche Branche: Es wird Preiserhöhungen geben, diese zum Teil von Gewerbesteuer ausgefressen. Die Leute werden für mehr Geld weniger kaufen können“, sagt sie.
In manchen Branchen wie Handel, Handwerk und Gastro würden Jobs wegrationalisiert und etwa durch KI ersetzt. „Warum soll jemand noch zum Beispiel im medizinischen Bereich eine Ausbildung machen?“, fragt sie. In der jetzigen Wirtschaftslage in Deutschland sei das fatal.
Welche Auswirkungen hat die Erhöhung des Mindestlohns für Euch? Seht ihr euren Betrieb in Gefahr? Meldet euch bei uns!
Positiv auf lange Sicht erwartet sie, dass die Jobs rarer werden. „Das heißt, Leistung wird sich auf lange Sicht vielleicht wieder mehr durchsetzen“, erklärt sie. Erst mal gefährde der Mindestlohn nun aber viele Branchen und Arbeitsplätze.
Laut dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) NRW zeige die Entscheidung der unabhängigen Kommission, dass „Sozialpartnerschaft funktioniert“. Auf Anfrage teilte der Verband mit, dass es zu begrüßen sei, dass „sich die Kommission dem politischen Druck entzogen und einen Kompromiss unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Realität und der Tarifentwicklung gefunden“ habe.
Gleichzeitig müsse man die Fakten klar benennen: Die Erhöhung auf 14,60 Euro bis 2027 bedeute eine Steigerung von fast 14 Prozent – in einer Branche, die bereits seit 2022 mit massiv gestiegenen Arbeitskosten von über 34 Prozent kämpfe. „Viele Betriebe in NRW arbeiten längst an der Belastungsgrenze. Umsatzrückgänge, steigende Kosten und eine fragile Nachfrageentwicklung lassen kaum Spielraum für weitere Mehrbelastungen“, hieß es weiter.
Gerade in dieser Situation sei es entscheidend, dass die im Koalitionsvertrag versprochenen Entlastungen endlich kommen. Die dauerhafte Einführung der 7 Prozent Mehrwertsteuer auf Speisen sei kein Wunsch – „sie ist eine wirtschaftliche Notwendigkeit, wenn wir die Vielfalt der Gastronomie und Hotellerie erhalten wollen“, so die Dehoga NRW.
In der Baubranche sieht man die aktuelle Entwicklung dagegen gelassen, wie Prof. Beate Wiemann, Hauptgeschäftsführerin des Bauindustrieverbands NRW, erklärt: „Am Bau wurde schon immer besser gezahlt als in vielen anderen Branchen – unser Tariflohn liegt deutlich über dem gesetzlichen Mindestlohn. Das zeigt: Tarifpartnerschaft funktioniert und braucht keine politischen Vorgaben.“
Geht es nach der Handwerkskammer zu Köln, ist der „unter großem politischen Druck zustanden gekommene Beschluss der Mindestlohnkommission keine gute Entwicklung“.
Kammer-Präsident Thomas Radermacher erklärt: „Denn die Lohn- und Tariffindung sollte nach wie vor Sache der Sozialpartner und nicht des Staates sein. Auch wenn der Mindestlohn jetzt unter 15 Euro bleibt, gibt es keinen Grund zur Freude: Die deutliche Erhöhung des Mindestlohns stellt viele Handwerksbetriebe vor große Herausforderungen. Wegen des Abstandsgebots zum Mindestlohn müssen ja auch die Löhne in den höheren Entgeltgruppen angepasst werden. Das wird beim neuen Mindestlohn 2026 und erst recht 2027 dann wirtschaftlich sehr schwierig.“
Auch andere Wirtschaftsverbände sehen die Entwicklung kritisch. NRW-Unternehmerpräsident Arndt G. Kirchhoff betrachtet die geplante Anhebung besonders in der zweiten Stufe „in der Summe sehr schmerzhaft und für viele Branchen eindeutig zu hoch“.
In der zweiten Stufe liegt die Erhöhung im Vergleich zum aktuellen Wert bei fast 14 Prozent. „Die vereinbarten Lohnzuwächse werden in zahlreiche bestehende Tarifverträge eingreifen. Das wird am Ende die Tarifbindung zwangsläufig schwächen. Die Drohungen mit politischen Eingriffen müssen aufhören. Der Mindestlohn kann und darf nicht als sozialpolitisches Instrument missbraucht werden. Erhöhungen oberhalb der allgemeinen Tarifentwicklung sind volkswirtschaftlich gefährlich und betriebswirtschaftlich auf Dauer nicht verkraftbar“, sagt Kirchhoff.
Der Provinzialverband Rheinischer Obst- und Gemüsebauer und die Arbeitgebervereinigung im Rheinischen Landwirtschafts-Verband (RLV-Arbeitgebervereinigung) lehnen den Vorschlag der Mindestlohnkommission zur Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohnes in zwei Schritten ab, heißt es in einer Mitteilung von Freitag (27. Juni).
„Die geplante Anhebung des Mindestlohns würde das Aus für viele Betriebe im rheinischen Obst- und Gemüsebau bedeuten“, betont Georg Boekels, Präsident des Provinzialverbandes Rheinischer Obst- und Gemüsebauer.
Der Präsident befürchtet einen Nachteil im internationalen Wettbewerb, wie er erklärt: „Das Lohngefälle zwischen deutschen Anbauern und unseren wichtigsten Konkurrenten in Süd- und Osteuropa sowie in Nordafrika würde mit einer solchen Anhebung des Mindestlohnes nochmals massiv verschärft. Ein solcher Wettbewerbsnachteil wird vielen Betrieben das Genick brechen. Sie werden den Anbau von Obst und Gemüse entweder einstellen oder deutlich reduzieren.“