120 Jahre in der BrancheKölner Traditions-Friseur am Abgrund – keine Hilfe in Sicht

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Die Kölner Friseure Annette (58) und Nils Ferrands (28) schlagen Alarm.

von Madeline Jäger (mj)

Köln – „Das ist eine absolute Schweinerei“, sagt Friseur Nils Ferrand. Überall lese er derzeit, wie man sich seine Haare selbst schneiden und frisieren kann, während er als professioneller Fachmann seit dem 16. Dezember 2020 die Hände stillhalten muss. Der 28-Jährige sieht sein ganzes Handwerk in Gefahr. 

Friseure wie Nils Ferrand fürchten aktuell um nichts weniger als um ihre Existenz. Die versprochenen Corona-Hilfen fließen nicht. Wenn das so weitergeht, könnte es in vielen Kölner Salons dauerhaft zappenduster bleiben.

Kölner Friseure stehen mit dem Rücken zur Wand 

„Viele Friseure werden sterben und es gar nicht bis März schaffen“, sagt Nils Ferrand und schüttelt den Kopf. Ferrand hält den Kontakt mit den Kollegen und schätzt, dass mindestens 30 Prozent der Friseure die Pandemie nicht überleben werden.

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Der Frust unter den Kölner Friseuren sei gerade riesig: „Spahn hat gesagt, dass man mit dem Wissen von heute keine Friseure mehr schließen würde und doch sind wir seit Wochen wieder zu“, sagt Friseurin Annette Ferrand ratlos.

Die Mutter von Nils Ferrand führt selbst zwei Salons in Köln und beschäftigt insgesamt 60 Mitarbeiter. Ihr Sohn zahlt derzeit fünf Friseur-Gehälter, doch sie seien nicht das Haupt-Problem, sondern die diversen anderen laufenden Kosten.

Köln: Familienbetrieb seit 120 Jahren – „Standen noch nie vor solchen Problemen“

Für sein eigenes Gehalt habe er schon jetzt kein Geld mehr, erklärt Nils Ferrand. Denn die Corona-Hilfen lassen auf sich warten. In seinem Salon in der Kölner Südstadt stehen Mutter und Sohn bestürzt in einem ihrer leeren Geschäfte und blicken sich um.

„Seit 120 Jahren sind wir in der Branche, mein Sohn ist Friseur in der fünften Generation. Noch nie stand der Familienbetrieb vor solchen Problemen“, sagt Annette Ferrand. Mit verschränkten Armen ziehen Mutter und Sohn nach fast einem Jahr Friseur-Alltag in der Pandemie Bilanz.

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Die Friseur-Familie Ferrand 1963 vor ihrem Salon.

„Schon im ersten Lockdown haben wir unsere Rücklagen fast aufgebraucht und danach alle Hygienemaßnamen umgesetzt. Selbst wenn wir irgendwann wieder öffnen dürfen, wie lange wird es dauern, bis ich meine Altersvorsorge wieder in der Kasse habe?“, gibt Annette Ferrand (58) vielsagend zu Bedenken.

Köln: Hürden für neue Überbrückungshilfen höher als 2020

Selbst der Steuerberater habe gerade Probleme, die Überbrückungshilfe zu beantragen, weil sich die Kriterien ständig verändern würden, erklären die verzweifelten Friseure. Daher sei der Antrag auf Corona-Hilfen noch gar nicht gestellt worden. Die Friseurin Heike Beckmann-Kuckhoff aus Weidenpesch hat ihren Antrag bereits fertig.

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Heike Beckmann-Kuckhoff, hier im März 2020, hat die Corona-Hilfe bereits beantragt. 

„Ich habe die Corona-Hilfe letzte Woche beantragt, doch wann sie kommt, weiß ich nicht“, so die Friseurmeisterin ratlos. 

Bis März reiche das Geld nicht mehr, das würde sie derzeit auch von vielen Kollegen mitbekommen. Mit Schrecken habe sie gesehen, dass Friseur-Schwarzarbeit aktuell sogar dreist auf Ebay angeboten werde. Doch für sie sei das keine Option. „Das kann ich nicht und mache ich auch nicht“, erklärt die Friseurin klar und deutlich.

Kölner Friseure können erst Mitte März mit Corona-Hilfsgeldern rechnen

Nach EXPRESS-Informationen sind die Hürden für die neuen Hilfen tatsächlich höher, weil es bei der NRW-Soforthilfe im letzten Jahr viele Missbrauchsfälle gab und die Behörden dies nun vermeiden wollen. Laut der Bezirksregierung Köln können die Friseure, selbst wenn sie den Antrag  jetzt schon abgeschickt haben, frühestens „ab Mitte März 2021“ mit der Auszahlung der sogenannten „Überbrückungshilfe III“ rechnen.

„In der November- und Dezemberhilfe sind Unternehmen, die von den zusätzlichen Schließungen ab dem 16.12.2020 direkt oder indirekt betroffen sind (zum Beispiel Friseure), nicht antragsberechtigt. Diese Unternehmen sind in der Überbrückungshilfe III antragsberechtigt und erhalten über diese Wirtschaftshilfe Unterstützung. Eine Antragstellung bei der Überbrückungshilfe III soll voraussichtlich ab Ende Januar 2021 möglich sein“, erklärt eine Sprecherin der Bezirksregierung gegenüber EXPRESS.

Kölner Friseure: Öffnet die Lage der Schwarzarbeit Tür und Tore?

Aus Sicht der Kölner Friseure ist jedoch unklar, ob ihnen die Überbrückungshilfe mit der Übernahme von 75 Prozent der Fixkosten zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch über den Berg hilft. „Ich will einfach nur überleben“, sagt Nils Ferrand dazu emotional.

Die Kölner Friseure bekommen bei vielen ihrer Kollegen mit, dass sie sich gerade vor Kunden-Anfragen kaum retten können und dann oft der Schwarzarbeit nachgehen.  

„Dass, die Hilfen erst so spät kommen, wird die Schwarzarbeit weiter fördern. Sie wird stark ansteigen“, vermutet Ferrand.  

Kölner Friseurinnung schlägt Alarm: „Friseuren geht es schlecht“

Die Probleme rund um die Corona-Hilfe für Friseure hat auch der Obermeister der Kölner Friseurinnung Mike Engels erkannt.

„Im Vergleich zum Frühjahr steht den Friseuren diesmal keine Soforthilfe zur Verfügung. Wir haben keine Unterstützung und wissen auch nicht, wo wir sie herbekommen sollen“, resümiert Mike Engels über die Lage.

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Mike Engels ist Friseurmeister und Obermeister der Kölner Friseurinnung. Hier steht er im April 2020 in seinem eigenen Salon.

Die Überbrückungshilfe III sei nicht gut auf das Friseur-Handwerk zugeschnitten. „Das Handwerk im Baugewerbe leidet nicht so, wie Friseure und Kosmetiker. Die Überbrückungshilfe unterscheidet da aber nicht“, kritisiert Engels.