ZwangsräumungFall von Kölner Familie könnte umstrittene Praxis der Stadt ändern

Eine Frau steht mit ihren Kindern vor einer Tür.

Jacqueline Winands steht mit ihren Kindern vor ihrer Wohnungstür in Gremberghoven. Die Kölnerin soll wegen Mietschulden zwangsgeräumt werden.

Einer sechsköpfigen Familie aus Köln droht die Obdachlosigkeit. Das Verwaltungsgericht hat die von der Stadt angebotene Hilfe als ungeeignet abgelehnt. Die Familie weiß jetzt nicht, wohin sie nach der Räumung soll.

von Adnan Akyüz  (aa)

Die Umzugskartons sind schon gepackt. Jacqueline Winands (34) und ihre fünf Kinder (zwei bis zehn Jahre alt) sollen am Dienstag (17. Januar 2023) ihre Wohnung am Bahnhofsplatz in Gremberghoven nach zweieinhalb Jahren verlassen. Sie wird von Wohnungsgesellschaft „Vonovia“ zwangsgeräumt.

Ein Gerichtsvollzieher oder eine Gerichtsvollzieherin soll am Dienstag um 8 Uhr an der Wohnung sein, um die Zwangsräumung durchzuführen.

Köln: Sechsköpfige Familie wird wegen Mietschulden zwangsgeräumt

Dass die Familie die Wohnung (104 Quadratmeter, 1702 Euro Miete) räumen muss, liegt laut Frau Winands an Mietschulden, die aufgrund von unvollständigen Zahlungen durch das Jobcenter entstanden seien.

Die Kündigung für die Wohnung hatte die alleinerziehende Mutter bereits vergangenes Jahr erhalten. Die Stadt Köln hatte die Wohnung – wie so oft in solchen Fällen – beschlagnahmt, um eine Zwangsräumung zu verhindern. Dieses Mittel kann die Stadt aber nicht noch einmal einsetzen.

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Jacqueline Winands hatte sich dann hilfesuchend an den Verein „Sozialistische Selbsthilfe Mülheim“ (SSM) gewandt. Der Verein hilft ehrenamtlich Menschen, denen die Obdachlosigkeit droht. Zusammen mit Mietaktivist Kalle Gerigk von der Initiative „Recht auf Stadt Köln“ ist der Verein etwa auch von den Kundgebungen an den „Russenhäusern“ in Köln bekannt und hilft jetzt auch der betroffenen Familie.

Im Fall der Familie Winands haben die Juristinnen und Juristen des SSM die angebotene Hilfe der Stadt, eine Unterbringung in einem Hotel für Obdachlose in Ehrenfeld, vor das Verwaltungsgericht Köln getragen.

„Die angebotene Unterbringung ist für uns unzumutbar. Ich kann mit meinen fünf Kindern doch in keine Obdachlosenunterkunft. Zumal einer meiner Söhne am Asperger-Syndrom leidet. Wir würden am anderen Ende der Stadt nicht zurechtkommen“, sagt Jacqueline Winands im Gespräch mit EXPRESS.de einen Tag vor der drohenden Zwangsräumung.

Immerhin: Das Verwaltungsgericht hat ihr Recht gegeben. In einem Beschluss vom 13. Januar stellte das Gericht fest, dass die angebotene Unterbringung für die Familie nicht geeignet ist (Az.: 22 L 43/23). Sinngemäß heißt es vom Gericht, die Stadt habe der Familie eine angemessene und menschenwürdige Unterkunft zur Verfügung zu stellen. Diese Voraussetzungen seien bei der angebotenen Obdachlosenunterkunft in Ehrenfeld nicht erfüllt.

Das Gericht stellte übrigens auch fest, dass die Stadt schon länger wusste, dass die Familie eine langfristige Unterbringung benötigt, wie aus einer Mail der Stadt hervorgeht.

Nun ist die Stadt angehalten, Frau Winands und ihren Kindern eine andere, geeignete Unterkunft zur Verfügung zu stellen. Wenn es nach der Kölnerin geht, am liebsten eine in ihrem gewohnten Umfeld nahe ihres Veedels. Doch sie plagt die Ungewissheit. „Ich habe bisher noch kein anderes Angebot erhalten“, sagt sie.

Als alleinerziehende Mutter mit fünf Kindern und Leistungsbezieherin sei die Wohnungssuche extrem schwer. „Wir werden immer abgelehnt“, erklärt sie. In ihrer Verzweiflung hat sie sogar einen Hilferuf auf „Ebay-Kleinanzeigen“ gestartet und bittet um Hinweise für eine Wohnung.

Die Situation zehre an ihren Kräften, wie sie sagt: „Der Fall zieht sich schon fast zwei Jahre hin. Ich habe alles versucht. Besonders ärgert mich, dass die Stadt erst auf mehrere Nachfragen und Druck reagiert hat und das mit dem Angebot einer Obdachlosenunterkunft. Eine Wohnung oder ein Hotel hier bei uns hier in der Nähe wäre immerhin eine Wiedergutmachung. Das Jugendamt drohte schon, meine Kinder wegzunehmen. Ich muss das als Mutter ausbaden und meine Tränen trocknen, weil ich es nicht geschafft habe.“

Aufgrund der Zwangsräumung haben die Aktivistinnen und Aktivisten eine Demo an der Adresse der Kölnerin geplant und wollen gegen die Maßnahme protestieren. Dennoch ist der Fall von Familie Winands für sie ein Hoffnungsschimmer.

Köln: Demo gegen Zwangsräumung geplant

Der Beschluss ist auch über den konkreten Fall hinaus von enormer Bedeutung. So führt das Verwaltungsgericht weiter aus, es sei dort bekannt, dass die Stadt Köln ihre Praxis bei der Unterbringung Obdachloser auf zwei Maßnahmen beschränke, nämlich die Beschlagnahmung von Wohnungen und die Anmietung von Hotels als Obdachlosenunterkünfte. Das Verwaltungsgericht stellte dazu klar, dass diese Maßnahmen unzureichend sind.

Rainer Kippe vom SSM sagt dazu: „Wir freuen uns, dass das Verwaltungsgericht Köln unsere langjährige Forderung hinsichtlich der Anmietung von Wohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt zur Beseitigung von Obdachlosigkeit bestätigt hat. Hoffentlich ändert die Verwaltung nun endlich ihre rechtswidrige Praxis und bringt die Menschen in menschenwürdigen Wohnungen statt in verschimmelten Obdachlosenunterkünften unter.“