Stadtführung mal andersMit dem Bellejeck op Jöck: „Der Kölsche nimmt es mit der Wahrheit nicht so genau“

Bei der Bellejeck op Tour-Führung durch Köln stehen die Teilnehmenden vor der Severinstorburg.

Die Bellejeck op Tour-Führung durch Köln, übernommen von Alfred Wolf (l.), beginnt an der Severinstorburg.

Köln nochmal ganz neu kennenlernen: Das ist möglich bei einer ganz besonderen Stadtführung. EXPRESS.de war zu Gast bei der Bellejeck op Tour-Führung durch die spannende Geschichte der Stadt.

von Daniela Decker (dd)

So wie der närrische Reimsprecher und Pritschenmeister der mittelalterlichen Bauernbänke noch bis in die Franzosenzeit der Obrigkeit und dem Volk aufs Maul schaute und den Karneval in die Straßen trug, wird bis heute der Karneval durch die Domstadt getragen.

Von der Vringspooz, der Severinstorburg, beginnend, spazieren wir mit Bellejeck Alfred Wolf durch die Geschichte des Karnevals und der Stadt.

Köln: „Geschichten mit dem Föttche an d'r Äd“

Wer meint, er kennt Köln schon mit all seinen Facetten, der war noch nicht bei einer karnevalistischen Stadtführung mit dem Bellejeck op Tour unterwegs. Für alle, die den Bellejeck nicht kennen: Es handelt sich dabei um eine historische Karnevalsfigur, welche die Große Allgemeine wieder aufleben ließ.

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Schon im Mittelalter hatte der Bellejeck als närrischer Reimsprecher der Kölner Bauernbänke die Aufgabe, dem Volk aufs Maul zu schauen und mit seiner Belle (Schelle) den Karneval zu eröffnen. Lediglich die Franzosen hatten Angst vor seinen spitzen Bemerkungen und verboten 1794 sein Treiben.

Obwohl 1801 wieder zugelassen, verlor er allmählich an Bedeutung. Heute bringt der Bellejeck in seinem schellenbesetzten Narrenkleid in den Farben der Gesellschaft und mit seiner Narrenkappe vor und während den Sitzungen die Besucher in Stimmung. Dazu weckt er an Weiberfastnacht die Jecken und führt im Rosenmontagszug die Fußtruppen an.

Mit Alfred Wolf (2. Vorsitzende der KG) hat die Große Allgemeine einen echten Stadtführer am Start: „Ich bin damals als Geschichtsstudent zu den Stadtführungen gekommen. Als Student braucht man ja immer Geld. Aber nicht nur das Geld hat mich gereizt, sondern schon viel früher die ganzen Geschichten meiner Oma über die Stadt. Sie hat sie immer ‚Geschichten mit dem Föttche an d'r Äd‘ genannt. Bis heute bin ich nebenberuflicher Stadtführer geblieben, weil ich es einfach liebe, den Menschen diese vielen kleinen wunderbaren Geschichten der Domstadt zu erzählen.“

Bellejeck Alfred Wolf spricht mit den Teilnehmenden der Stadtführung.

Der Humor kommt bei der Führung mit Bellejeck Alfred Wolf nicht zu kurz.

Wolf sagt weiter: „In Köln kann man das ein Leben lang machen und dennoch lernt man immer noch dazu, denn die schönsten Geschichten liegen auf der Straße. Dazu kommen die vielen kleinen Anekdoten von den Leuten, mit denen ich durch die Stadt ziehe. Da erfährt man Dinge, die nirgendwo aufgeschrieben wurden, sondern nur mündlich bis heute weitergegeben werden und die beispiellos davon handeln, wie Kölle tickt.“

Köln: Bellejeck-Tour durch Köln – immer samstags und sonntags

Wegen der Pandemie musste die Idee der Bellejeck-Tour ein Jahr warten. Da fühlten sich die Jecken schon ein wenig an das Jahr 1794 erinnert, als die Franzosen den Kölnern und Kölnerinnen den Karneval verbieten wollten. Doch sie hatten nicht mit den Kölner Bürgern und Bürgerinnen gerechnet: „Il est permis au citoyen bellejeck de faire son tour“ („Es sei dem Bürger Bellejeck erlaubt, seinen Umzug zu halten.“) und so macht es die Große Allgemeine heute auch.

Seit dem 11. November 2021 führt Alfred Wolf kleine Gruppen (10 bis 20 Teilnehmer immer samstags und sonntags und nach freier Wahl für Vereine oder Familien) durch die Geschichte Kölns und des Karnevals. Das Ganze in feinstem Kölsch und mit jeder Menge Humor und Schalk im Nacken.

Stadtführung Köln: Der Kölsche nimmt es mit der Wahrheit nicht so genau

Start der Tour ist an der Severinstorburg, die früher schon eine Spielstätte im Karneval war. „Wir erinnern uns an die Moritat von Jan und Griet. Der Kölner erzählt ja viel und gerne, manchmal muss man aber mit dem Wahrheitsgehalt ein bisschen aufpassen. Das nimmt der Kölsche nämlich nicht immer so genau.“

Laut Wolf der Grund dafür: „Es müssen ja all die Erzählungen und Fakten wieder zusammen passen – da muss man schon mal nachhelfen – bis es eben passt. Der Kabarettist Hanns-Dieter Hüsch hat es mal auf den Punkt gebracht: ‚Der Kölsche weiß an und für sich nichts, kann aber alles erklären.‘ In dieser Art und Weise führe ich euch heute durch die kölsche Stadtgeschichte.“

Köln: Das Viertel der Ehrenlosen

Weiter geht es ins damalige Viertel der Unberührbaren. „Hier lebten die Unehrenhaften, Ehrenlosen und die Damen vom horizontalen Gewerbe. Neben vielen anderen lebten hier auch die Goldgräber, die jede Nacht mit Karren und Schaufeln die Jauchegruben aushoben und den Unrat zum Rhein, beziehungsweise in den Rhein entsorgten. Ich sage nur: Schönen Gruß nach Düsseldorf. Damit die sogenannten Goldgräber ihren Job auch ordentlich machten, war es üblich, dass man ihnen die Münzen – ihren Lohn – in die Gruben warf. So war sichergestellt, dass sie auch wirklich bis ganz unten gruben. Das war Menschenführung auf Mittelalter.“

Bellejeck Alfred Wolf steht bei der Bellejeck op Tour-Stadtführung mit den Teilnehmenden vor dem Sachsenturm am Kartäuserwall.

Die Teilnehmenden der besonderen Stadtführung stehen vor dem Sachsenturm inmitten der mittelalterlichen Stadtmauern am Kartäuserwall

Zu den weiteren Stationen zählen unter anderem die Ulrepforte (Rote Funken), der Sachsenturm (Blaue Funken) inmitten der mittelalterlichen Stadtmauern und der Prinzen-Garde am Kartäuserwall.