Buchungs-ZoffKölner Karnevalist: „Bereits im letzten Jahr leise eskaliert“

Eine Sitzung im Kölner Karneval.

Auf einer Sitzung im Kölner Karneval herrscht super Stimmung (Archivfoto).

Im Kölner Karneval ist ein Buchungs-Zoff eskaliert. EXPRESS.de hörte sich unter Karnevalisten und Künstler um.  

von Daniela Decker  (dd)

Der Zoff um geheime Absprachen im Kölner Karneval schlägt hohe Wellen. Buchungen für die Top-Bands der Session 2026/27 wurden heimlich vorgezogen, sodass viele kleine Gesellschaften in die Röhre gucken.

Monika Brandenburg, Literatin der Fidelen Kaufleute, hatte ihrem Ärger Luft gemacht. Es sei ein „Affront, den es bisher so nicht gab“. Gegenüber EXPRESS.de erklärte Michael Ströter, Baas (Vorsitzender) des Literatenstammtisches, jetzt: „Bereits im letzten Jahr hat bei der Buchungsrunde nichts mehr funktioniert, sie ist da nur leise eskaliert.“

Schon da sei es zu Unstimmigkeiten zwischen Literatenstammtisch, in dem viele große Karnevalsgesellschaften organisiert sind, Agenturen sowie Künstler und Künstlerinnen gekommen.

Nach dem ganzen Chaos habe er sich im letzten Oktober breitschlagen lassen, den Posten des Baas zu übernehmen und eine Lösung für die Probleme zu finden. „Leider haben wir uns sieben Monate, trotz dass alle Beteiligten mit am Tisch saßen, im Kreis gedreht“, so Michael Ströter. 

Chef vom Literatenstammtisch will hinschmeißen

Er mache keinem einen Vorwurf, aber es sei ihnen einfach nicht gelungen, einen Lösungsvorschlag für die Probleme zu finden, obwohl beim gesamten Buchungsprozess alle involviert gewesen seien. Ströter: „Jede Absprache war nach Minuten Makulatur.“

Und weiter: „Obwohl, jeder Künstler ist frei zu buchen – warum ruft die Gesellschaft nicht einfach an und versucht ihr Glück?“ Er erklärte, sich diesen Stress als Baas und Ehrenamtler nicht weiter antun zu wollen und kündigte an, sein Amt niederzulegen. 

Michael Gerhold, Präsident der Nippeser Bürgerwehr, erklärte auf EXPRESS.de-Anfrage: „Die großen Gesellschaften, wie zum Beispiel die Traditionskorps, wollen auf keinen Fall die kleineren Gesellschaften verdrängen. Schließlich ist es gerade diese Vielfalt, die unser Brauchtum ausmacht. Man sollte auch nicht vergessen, dass die Künstler ebenfalls ein Mitspracherecht haben, wo sie gerne auf der Bühne stehen möchten. Viele verzichten auf einen Teil ihrer Gage, um zum Beispiel auf einer Pfarrsitzung, wo sie sich wohlfühlen, auf der Bühne stehen wollen.“


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Gerhold ist auch Chef der Künstleragentur ahrens. In der Funktion sagte er, dass es in super kurzen Sessionen schon immer Gesellschaften gab, die beim Buchen des einen oder anderen Künstlers oder bei der gewünschten Auftrittszeit Pech gehabt hätten. „Auf der anderen Seite ist eine kurze Session aber auch eine absolute Chance für den Nachwuchs sich zu präsentieren“, so Gerhold. 

Dass eine Institution wie der Literatenstammtisch, der seit 60 Jahren funktioniert hat, jetzt vor solch einem Scherbenhaufen stehe, sei traurig.

„Ich glaube nicht, dass dahinter Absicht steckt, aber es muss sich definitiv etwas ändern“, forderte er im Gespräch mit EXPRESS.de. Vielleicht solle das Festkomitee als neutrale Instanz in Zukunft involviert sein, schlug er vor.

JP Weber: Durch das frühere Buchen können Künstler bessern planen

JP Weber, erfolgreicher Künstler im Karneval und bekannt für klare Worte, erklärte auf EXPRESS.de-Nachfrage seine Sicht. „Bei aller Kritik an dem Buchungs-Chaos, darf nicht vergessen werden, dass bei einer Band in den nächsten vier Sessionen durch die Kürze, mindestens 35 Prozent an Umsatz verloren gehen“, so der Sänger. 

Durch das frühere Buchen habe man versucht, die Touren in Köln und vor allem im Umland besser zu organisieren. Sodass die Künstlerinnen und Künstlerin nicht hin- und herfahren müssen und somit Zeit und Geld verlieren. Das sei vor allem wichtig für Bands, die die Einnahmen durch die Bandmitglieder teilen müssen, zudem Crew und weitere Posten bezahlen müssen. 

Eine kurze Session wie in den nächsten vier Jahren sorge zudem für eine größere inhaltliche Vielfalt bei den Programmen, da jetzt Nachwuchsbands die Chance haben, gebucht zu werden. Dadurch würden die Sitzungen nicht austauschbar, wie in den vergangenen Jahren. „Ich kann die Bands verstehen – so manche, die im Karneval ihr Hauptgeschäft hat, könnte durch die kurzen Sessionen in Existenznöte geraten“, so JP Weber.