Die Kölner Schauspielerin, Autorin und Musikerin Isabel Varell hat mit uns über ihre Legasthenie und ihren Frust in der Jugendzeit gesprochen.
Kölnerin Isabel Varell„Ich hab' mal Feuer in der Schule gelegt“

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Mit ihrem Programm „Die guten alten Zeiten sind jetzt“ tritt Isabel Varell am 18. und 19. Oktober 2025 im Kölner Hinterhofsalon (Aachener Straße 62) auf.
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Sie ist heute eine erfolgreiche Buchautorin und schreibt alle Songtexte selbst. „Schade, dass meine Deutschlehrerin das nicht mitkriegt“, schmunzelt Isabel Varell (64). Denn ihre Schulzeit in den 60er und 70er Jahren war die Hölle, sie wurde als „geistig zurückgeblieben“ abgestempelt.
Keiner erkannte damals, dass das Mädchen Legasthenikerin war, unter einer Lese- und Schreibschwäche litt. Isabel Varell wehrte sich auf ihre Weise ...
Isabel Varell: Harte Kindheit als Legasthenikerin
„Die Buchstaben sprangen durcheinander vor den Augen. Im Religionsunterricht mussten zum Beispiel wir Psalmen vorlesen, da haben die anderen Kinder immer über mich gelacht“, erinnert sich die Kölnerin, die später als Moderatorin, Schauspielerin, Sängerin und Buchautorin Karriere machte. Sie brauche allerdings auch heute noch ewig für ein Buch. „Ich lese wahnsinnig gerne, aber es dauert halt sehr lang, obwohl sich die Legasthenie im Laufe meines Lebens ganz gut aufgehoben hat, aber sie ist halt nicht weg“, erklärt sie und lobt digitale Hilfen der Neuzeit wie Spracherkennung am Computer und Smartphone.
Dieses Gefühl, absolut dumm zu sein, wurde im Elternhaus noch verstärkt. Bei ihrer Mutter gab es nur Anerkennung durch Leistung, „und Leistung gab's bei mir nicht“. Stattdessen hagelte es Verbote und „extreme Schläge“, erinnert sie sich. In der Schule habe es dazu geführt, dass sie zum einen den Klassenclown gab oder ihre unbändige, gedrosselte Kraft anders auslebte. „Ich habe schlimme Sachen gemacht. Ich habe zum Beispiel mal Feuer in der Schule gelegt, bin von zwei Schulen geflogen und auch sitzengeblieben“, gibt die Frau, die heute als Sonnenschein im TV gilt, im Gespräch mit EXPRESS.de ehrlich zu.

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Multitalent Isabel Varell singt auch. Das undatierte Fotro zeigt sie bei einem Auftritt.
Doch ihr gelang es, den Schalter umzudrehen. „Diese schlimme Kindheit war quasi ein Motor. Man liest ja von vielen Menschen, auch in meinem Beruf, die schwierige Startmöglichkeiten gehabt und dennoch Karriere machten.“ Für Klein-Isabel war es der Gesang, der zum Durchbruch führte. Schon als Zehnjährige entdeckte sie selbst ihr Talent, als sie immer wieder den Song eines englischen Kinderstars nachträllerte. „Ich merkte, ich kann das. Ich kann endlich mal was.“ Als sie das erste Mal an einem Nachwuchswettbewerb teilnahm, den Applaus, die Anerkennung spürte, wusste sie: „Ich muss auf die Bühne.“ Sie meldete sich für jeden Gesangswettbewerb an, oft genug auch zur „Volksbelustigung in Bierlokalen“.
Schließlich folgte der erste Plattenvertrag, dann kam das Schauspiel dazu und Jahre später sogar eine eigene Fernsehsendung. Dennoch schwebte die Leseschwäche wie ein Damoklesschwert über ihr. „Bei Leseproben im Theater hatte ich den Text immer schon komplett auswendig gelernt, so dass ich nur so tun musste, als würde ich ablesen.“
Isabel Varell: Eingeständnis der Legasthenie war eine Befreiung
Als ihr in einer Show plötzlich ein komplett fremder Text vorgelegt wurde und der Chef der Produktion ihr vormachen wollte, wie man die Zeilen betont, platzte es aus ihr heraus: „Ich weiß, wie man das betont. Aber ich bin Legasthenikerin. Da war Stille im Raum.“ Das Eingeständnis sei wie eine Befreiung gewesen.
Deshalb appelliert sie an alle Eltern, den Nachwuchs genau zu beobachten. „Ich wurde nie gefragt, wie es mir geht, warum ich so Schwierigkeiten in der Schule hatte.“ Stattdessen habe ihre Mutter ihr immer gedroht, sie ins Heim zu stecken. Und sie habe nur gehofft, dass sie es „endlich wahr macht“. Erlebnisse wie diese verarbeitet Isabel Varell auch in ihrem aktuellen Bühnenprogramm, mit dem sie derzeit auf Tour geht (18. und 19. Oktober im Hinterhofsalon Köln). Dazwischen singt sie natürlich auch Lieder, live begleitet am Klavier, über Lebenslust, Leidenschaft und Liebe. „Dieser Abend ersetzt Ihnen den Coach,“ würdigt Hape Kerkeling das Allround-Talent.