„Ungeheuerlich“Farb-Attacken auf Obdachlose in Köln – kennt Betroffene den Täter?

Die obdachlose Ewa berichtet über eine Farb-Attacke gegen sie und ihren Freund Daniel.

Ewa und ihr Freund Daniel sind obdachlos. Vor kurzem wurden sie Opfer einer feigen Attacke mit weißer Farbe.

Obdachlose in Köln gehören zu den Schwächsten in unserer Gesellschaft. Umso schlimmer, wenn die Menschen, die meist schon so gut wie alles verloren haben, auf feige und rücksichtslose Weise angegriffen werden.

von Niklas Brühl (nb)

Köln. Obdachlose Personen tragen meist ihr gesamtes Hab und Gut mit sich herum und haben aus den verschiedensten Gründen alles verloren. Umso trauriger ist es, dass sich die Angriffe und Attacken auf die Ärmsten der Armen in Köln in den vergangenen Monaten gehäuft haben.

Köln: Angriffe auf Obdachlose – „Es ist ungeheuerlich“

Dennis Bucek ist Vorsitzender der Straßenwächter, einer Obdachlosenhilfe in der Balduinstraße mitten im Herzen Kölns. Bei ihm und seinen Helfern gibt es für die Hilfsbedürftigen warme Speisen, Getränke und einen ruhigen Rückzugsort. Hier kommt Bucek mit obdachlosen Menschen ins Gespräch – es geht um die persönlichen Lebens- und Leidensgeschichten, aber auch mal um lustige Anekdoten.

Ab und zu öffnen sich Buceks Gäste ihm gegenüber allerdings auch mit Geschichten, durch die sich in ihm eine echte Wut aufstaut. Denn laut des leidenschaftlichen Obdachlosenhelfers haben sich Angriffe auf Wohnungslose in den vergangenen Monaten deutlich vermehrt.

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„In den letzten zwei Monaten kamen schätzungsweise zehn Leute zu uns, die beim Schlafen mit weißer Farbe übergossen wurden. Es ist einfach ungeheuerlich und ärgert mich maßlos. Wie kann man sich so unverantwortlich und asozial gegenüber Menschen verhalten, die doch sowieso nicht mehr viel haben?“ Eine Frage, die sich wohl nicht nur Dennis Bucek stellt.

„Diese Taten sind durchweg im Bereich der Zülpicher Straße, der Roonstraße und der Engelbertstraße geschehen. Für mich muss es ein Anwohner sein, der sich auf diese perfide Weise wohl gegen die Obdachlosen positionieren möchte.“ Mitten im Gespräch mit EXPRESS.de wird Bucek dann von einer Frau unterbrochen. Sie und ihr Freund seien ebenfalls nächtlich mit Farbe attackiert worden – und sie wisse sogar, wo der Täter wohne.

Köln: Obdachlose berichtet exklusiv von feigem Farb-Angriff

Nach kurzem Zögern erklärt sich die Frau bereit, ihre Geschichte EXPRESS.de exklusiv zu erzählen. 1989 kam sie aus Polen nach Köln, arbeitete zunächst in einem Möbelgeschäft, bis sie ihre Kinder bekam und ihren Job deshalb aufgab. Durch verschiedene Umstände landete sie auf der Straße – und ist mittlerweile seit 20 Jahren obdachlos. Zusammen mit ihrem Freund Daniel schlägt sie sich seitdem durch die heißen Sommer- und die kalten Winter-Monate in Köln.

Es kam laut ihren Aussagen in der Vergangenheit immer mal wieder zu Pöbeleien, vor allem am Wochenende: „Junge Leute machen sich dann über uns lustig, wenn sie aus der Disco kommen und sagen sowas wie: ‚Wie kann man denn so leben?‘ oder beschimpfen uns als ‚Penner‘“, erzählt Ewa.

Aber so etwas wie vor wenigen Wochen sei ihr bislang in den ganzen 20 Jahren noch nicht passiert. Daniel und sie schliefen, wie schon eine lange Zeit zuvor, im Kwartier Latäng auf ihrem bis dato angestammten Platz. Plötzlich werden die beiden wach: „Ich lag in meinem Schlafsack und mein Freund direkt neben mir. Auf einmal haben wir gemerkt, dass jemand eine komplette weiße Farbdose über uns ausleert.“

Zwei Obdachlose wurden in Köln Opfer eines Farbangriffs.

Unter anderem wurden die Schuhe von Ewas Freund Daniel mit weißer Farbe übergossen.

Daniel bekommt das meiste ab, seine Anziehsachen, sein Schlafsack und sein Gesicht sind voller weißer Farbe. Seine wichtigsten Habseligkeiten wurden zerstört. Ewa sagt weiter: „Ich habe den Mann gesehen, der das getan hat. Ich weiß auch, wo er wohnt. Allerdings bin ich ihm nicht hinterher, da ich so geschockt war und erstmal angefangen habe zu weinen.“ Der Polizei habe sie sich nicht anvertraut und auch keine Anzeige erstattet – wegen schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit, wie sie erzählt. 

Kölner Polizei ermittelt wegen Farb-Attacke in einem anderen Fall

Nach einer anderen Farb-Attacke am Wochenende vom 9. und 10. Oktober ermittelt die Kölner Polizei bereits wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung, wie ein Sprecher auf EXPRESS.de-Nachfrage bestätigt.

In diesem Fall hatte eine andere betroffene Obdachlose selbst Anzeige erstattet. Das Online-Portal „BILD“.de hatte zuerst über die feige Attacke auf Cindy berichtet.

Köln: Angegriffene Obdachlose wendet sich direkt an den Täter

Warum Cindy, Ewa und Daniel sowie mutmaßlich weitere Obdachlose aus Köln derartige Angriffe über sich ergehen lassen müssen, kann die gebürtige Polin jedenfalls nicht verstehen: „Es ist mir ein Rätsel. Offenbar hat dieser Mensch einen solchen Hass auf uns obdachlose Personen. Das macht mich wirklich traurig.“

Ewa betont, dass sie und Daniel am liebsten unter sich bleiben, keine Drogen nehmen und sich von Pöbeleien fernhalten. „Wir trinken abends unseren Wodka, das ist richtig. Aber wir wollen einfach nur unsere Ruhe haben, wir tun doch niemandem etwas zu Leide“, sagt sie.

In ihrer Not gingen Ewa und Daniel nach der Farb-Attacke zu Dennis Bucek und seinen Straßenwächtern. Dort wurde ihre Kleidung gewaschen und sie konnten das Erlebte erstmal sacken lassen. Gegen Ende des Gesprächs mit EXPRESS.de wendet sich Ewa dann nochmal direkt an den Täter: „Vielleicht sind Sie irgendwann selbst obdachlos, manchmal kann es so schnell gehen und Sie können nicht mal etwas dafür. Darüber sollten Sie mal nachdenken.“

Zwei Obdachlose wurden in Köln Opfer eines feigen Farb-Angriffs.

Auch die Kleidung der beiden wurde mit weißer Farbe beschmutzt.

Ewa und Daniel schlafen mittlerweile an einem anderen Platz, dort werden sie bislang in Ruhe gelassen. Mehr wolle sie gar nicht – obwohl: „Ich träume von einer Wohnung, in der ich einfach die Türe schließen kann und für Monate keine andere Menschen mehr sehen muss.“ Bis es soweit ist, kämpfen sich Ewa und Daniel jedoch erstmal weiter durch die Straßen Kölns.