Deutschlandticket ein RennerAber Bosse drohen: Weniger Busse und Bahnen wegen Finanzlücke

Ein „D-Ticket“ im Chipkartenformat wird auf einem Pressetermin gezeigt.

Ein Deutschlandticket im Chipkartenformat. Diese Tarifvariante ist ein Renner.

Die Verkehrsunternehmen erwirtschafteten 2023 rund 577 Millionen Euro. Ohne Rettungsschirm klafft aber ein 275-Millionen-Euro-Loch. Daher schlagen die ÖPNV-Bosse Alarm.

von Marcel Schwamborn (msw)

Das Deutschlandticket ist ein Verkaufsschlager. Bei den Fahrgästen kommt das Angebot an, viele nutzen es vor allem in der Jobticket-Variante. Doch der Erfolg des Tickets sorgt gleichzeitig für große Probleme. Die Betreiber sagen, dass bereits 2025 Busse und Bahnen seltener fahren könnten.

Im Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) hat die Zahl der verkauften Deutschlandtickets erstmals die Marke von einer halben Million (504.155) überschritten. Besonders das Jobticket ist ein Renner: Im Dezember 2023 war in der Region jedes dritte Deutschlandticket ein Jobticket. Der Anteil ist damit mehr als doppelt so hoch wie im bundesweiten Durchschnitt.

VRS: Schon über 500.000 Deutschlandtickets verkauft

Das Deutschlandticket wurde zum 1. Mai 2023 als Nachfolger des 9-Euro-Tickets eingeführt und berechtigt zur bundesweiten Nutzung von Bussen, Bahnen und Nahverkehrszügen in der zweiten Klasse.

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Beim Jahres-Pressegespräch hat die VRS-Geschäftsführung am Dienstag (16. April 2024) in Köln vor erheblichen Finanzrisiken durch das Deutschlandticket gewarnt. Sollten Bund und Land ihrer Finanzierungszusage nicht nachkommen, fehlen im VRS allein im Jahr 2024 nach aktuellen Schätzungen 275 Millionen Euro.

Michael Vogel, Geschäftsführer VRS/NVR.

Michael Vogel, Geschäftsführer beim VRS, warnt vor den ungeklärten Finanzierungsfragen beim Deutschlandticket. Unser Bild zeigt ihn am14. September 2022.

„Der ÖPNV ist kein Selbstzweck, sondern dient der Daseinsvorsorge und der Teilhabe von Menschen. Zudem kann er einen spürbaren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Daher sollten sich alle politisch Verantwortlichen zu einem starken Nahverkehr bekennen. Und das heißt vor allem, das Deutschlandticket dauerhaft auskömmlich zu finanzieren“, sagt VRS-Geschäftsführer Michael Vogel.

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Hypothetisch hätten die Verkehrsunternehmen im VRS rund 757 Millionen Euro im Jahr 2023 einnehmen müssen. „Doch seit dem erheblichen Einbruch der Fahrgastzahlen in der Corona-Zeit ist nichts mehr, wie es einmal gewesen ist. Es ging aus der Pandemie in eine Energiekrise und dann in die Tarifrevolution“, stellt Vogel fest.

„Den daraus entstandenen Herausforderungen haben wir uns gerne gestellt und tun dies auch weiterhin. Doch es muss den politischen Entscheidern klar sein, dass Busse und Bahnen seltener fahren werden, wenn Bund und Land ihrer Verantwortung nicht nachkommen. Die Kommunen als Aufgabenträger des ÖPNV können das durch das Deutschlandticket entstehende Delta keinesfalls auffangen.“

Die bei den Verkehrsunternehmen entstandenen Mindereinnahmen im Jahr 2023 wurden aus den sogenannten Rettungsschirmen von Bund und Land größtenteils aufgefangen. Auch für 2024 sind Unterstützungszahlungen in Aussicht gestellt. Doch Michael Vogel betont: „Was in den Jahren ab 2025 passiert, ist derzeit völlig unklar. Nicht nur wir, sondern die gesamte Branche benötigt dringend Planungssicherheit.“

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Die Fahrgastzahlen liegen auf einigen Linien inzwischen bereits wieder auf Vor-Corona-Niveau. Gleichzeitig sind die Energiekosten für Diesel und Strom immens gestiegen. Die Einnahmen sind hingegen eingebrochen: von fast 700 Millionen (2019) auf zuletzt rund 485 Millionen Euro (2022).

Dennoch werden die Ticketpreise im Sommer nicht erhöht. Aufgrund der gegebenen Rahmenbedingungen sei eine weitere Erhöhung nicht notwendig, sagte Vogel. Die VRS-Ticketpreise waren bereits zum 1. Januar 2024 um durchschnittlich 10,4 Prozent teurer geworden.