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Wahl vor 75 JahrenAls Kölns Ex-OB Konrad Adenauer mit 73 zur deutschen Hoffnung wurde

Vor 75 Jahren wurde Konrad Adenauer zum ersten Bundeskanzler Deutschlands. Und das im hohen Alter.

Der Mann, der das besetzte und zerstörte Land aus dem Schlamassel führen sollte, war bereits 73 Jahre alt. Als Konrad Adenauer vor 75 Jahren, am 15. September 1949, zum ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik gewählt wurde, ergriff ein Mann mit reicher politischer Erfahrung die Zügel der Macht.

Er war Kölner Oberbürgermeister von 1917 bis 1933 und erneut 1945, Präsident des Preußischen Staatsrats in der Weimarer Republik und zuletzt Präsident des Parlamentarischen Rates – vor allem aber reich an Tatendrang, das Land wirtschaftlich wieder aufzubauen, in die westliche Gemeinschaft zu führen und auf ein stabiles demokratisches Fundament zu stellen.

Konrad Adenauer wurde vor 75 Jahren zum ersten Bundeskanzler gewählt

In der Zeit des Übergangs war der 1876 geborene gläubige Katholik und Mitbegründer der CDU eine Vertrauen erweckende Führungspersönlichkeit.

Die Wahl Adenauers war keineswegs sicher: Innerparteilich war ungewiss, ob Anhänger einer Koalition mit der SPD wie Karl Arnold oder Jakob Kaiser den „Alten“ unterstützen würden. Auch im Verhältnis zur FDP gab es Sprengstoff.

Schließlich klappte es doch: Nur mit Hilfe seiner eigenen Stimme wurde Adenauer zum Kanzler gewählt. „Et hätt noch immer jot jejange“, flüsterte er seinem Nebenmann Robert Pferdmenges zu. Fünf Mitglieder der eigenen Fraktion hatten gegen ihn gestimmt. Dass er gewann, hatte er nicht zuletzt seinem hohen Alter zu verdanken. Viele hielten ihn für eine Übergangsfigur.

Aufstiegswille, Schlitzohrigkeit, eine gewisse Gier, eiserne Energie und autokratische Züge – das zeichnete Adenauer aus. Er konnte sich staatsmännisch geben, aber auch zu giftigster Polemik greifen. Den späteren Konkurrenten und Berliner Bürgermeister Willy Brandt etwa diffamierte er in Anspielung an seine uneheliche Herkunft als „Herr Brandt alias Frahm“. Fast zehn Jahre lang ließ er die Führungsspitze der SPD ausspionieren.

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„Goethe hatte einen Wortschatz von 29.000 Wörtern, Herr Adenauer verfügt über 500“, spottete der damalige SPD-Vorsitzende und Gegenkandidat Kurt Schumacher. Doch mit diesem Minimum an Rhetorik und einem großen Humor erreichte der rheinische Katholik eine immense Popularität.

Allerdings zeigt das 2017 veröffentlichte Tagebuch des Adenauer-Sohnes Paul (1923 bis 2007), dass der Kanzler durchaus dünnhäutig war: Er litt unter Alpträumen, Schlaflosigkeit, depressiven Schüben und Erschöpfungszuständen.

Konrad Adenauer sitzt lächelnd auf einem Stuhl.

Konrad Adenauer, hier 1966, prägte die deutsche Nachkriegszeit entscheidend.

Mit dem CDU-Gründer und ersten Kanzler verbinden sich vor allem die Westorientierung, das Engagement für Europa und die Aussöhnung mit Frankreich. Kaum ein Zeitgenosse konnte sich der Bilder von Adenauers Moskau-Reise 1955 entziehen, die zur Heimkehr von rund 10.000 Kriegsgefangenen führte.

Auch die Wiedergutmachung gegenüber Israel und den Juden war Adenauer ein Anliegen. Obwohl in der Nazi-Zeit verfolgt, integrierte er auch Alt-Nazis und Mitläufer in den Staat. „Man schüttet kein dreckiges Wasser aus, wenn man kein reines hat“, so argumentierte er. Im Ost-West-Konflikt bezog er eine klare antikommunistische Position: „Asien steht an der Elbe“, warnte er.

Innenpolitisch steht die 14-jährige Regierungszeit Adenauers vor allem für das Wirtschaftswunder, den Lastenausgleich und die Integration der Millionen Flüchtlinge und Vertriebenen, die Montanmitbestimmung und die Rentenreform.

Der Vergleich mit Joe Biden hinkt, aber er liegt sehr nahe

Im Rückblick wies der französische Politikwissenschaftler Alfred Grosser darauf hin, wie oft besiegte Völker „alten Männern“ die Führung übergeben und ihre Sorgen auf eine „väterliche Figur“ übertragen. Doch er nannte auch die Kehrseite: „Adenauer war zu spät zurückgetreten.“

Sein Alter wurde am Ende zum Handicap – der Vergleich zu Joe Biden hinkt, liegt aber nahe. Nach dem Rücktritt des Kanzlers im Oktober 1963 atmeten viele Deutsche auf. Denn das letzte Viertel der 14-jährigen Regierungszeit war geprägt von quälendem Machtverfall und politischem Stillstand.

Doch sehr schnell nach seinem Tod am 19. April 1967 wurde der „Alte von Rhöndorf“ zum Mythos. Zu seiner Beliebtheit haben auch die vielen Anekdoten beigetragen, die ihn als gewitzten Patriarchen charakterisierten. In Zeiten, in denen Europa so stark auf dem Prüfstand steht wie heute, gewinnt auch das politische Werk des Kanzlers neue Bedeutung. (kna)