Ist die AfD eine Gefahr für die Demokratie? Das ist die Kernfrage eines mit Spannung erwarteten Verfahrens in Köln. Die AfD und der Bundesverfassungsschutz stehen sich dabei direkt gegenüber.
Prozess in KölnAfD als Verdachtsfall: Partei-Chef von Urteil überrascht

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AfD-Chef Tino Chrupalla wartet im sogenannten „Kristallsaal“ der Kölner Messe, der für das Verfahren zu einem Gerichtssaal umgewandelt wurde. Die Gerichtsentscheidung, dass der Verfassungsschutz die AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingeordnet werden darf, habe ihn überrascht, sagte Chrupalla am Dienstag.
Am Kölner Verwaltungsgericht ist am Dienstag (8. März 2022) ein politisch brisantes Verfahren gestartet. Die AfD hat vier Klagen gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz eingereicht, in denen es unter anderem darum geht, ob der Inlandsgeheimdienst die gesamte Partei als Verdachtsfall oder als gesichert rechtsextremistische Bestrebung einstufen darf.
Eine erste Entscheidung traf das Gericht bereits: Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf die AfD dem Kölner Verwaltungsgericht zufolge als rechtsextremistischen Verdachtsfall einordnen. Eine entsprechende Klage der AfD werde abgewiesen, erklärte das Gericht am Dienstagabend.
AfD-Chef Tino Chrupalla von Kölner Urteil „überrascht“
„Uns hat das Urteil zur Einstufung als Verdachtsfall überrascht. Wir teilen die Auffassung des Kölner Verwaltungsgerichts nicht. Wir hatten uns ein anderes Ergebnis erhofft; immerhin konnten wir uns mit zwei Anträgen durchsetzen. Wir werden jetzt die schriftliche Urteilsbegründung abwarten und diese sorgsam prüfen und dann entscheiden, ob wir weitere Rechtsmittel einlegen werden. Wir werden uns als Oppositionspartei auch weiterhin mit aller Kraft in den Parlamenten für eine alternative Politik einsetzen“, sagte AfD-Chef Tino Chrupalla. Er war für den Prozess nach Köln gereist.
Verfahren in Köln: Zentnerweise Schriftsätze ausgetauscht
In dem Verfahren wurden bereits zentnerweise Schriftsätze ausgetauscht. Der Verfassungsschutz reichte mehrfach Dokumente nach.

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Am Dienstag (8. März 2022) unterhalten sich Justizbeamte im sogenannten „Kristallsaal“ der Kölner Messe, der für das Verfahren zu einem Gerichtssaal umgewandelt wurde.
Dabei ging es etwa darum darzulegen, mit welchen Aussagen AfD-Funktionäre aus Sicht des Verfassungsschutzes gegen das Rechtsstaatsprinzip oder das Demokratieprinzip verstoßen, beziehungsweise die Menschenwürde von Migranten, Muslimen und anderen Minderheiten missachtet haben. Die Verhandlung ließ lange auf sich warten, da das Gericht 2021 entschied, keinen Termin kurz vor der Bundestagswahl anzusetzen.

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Vor Verfahrensbeginn am Dienstag (8. März 2022) werden im Gerichtssaal Kisten mit Prozessakten auf Tischen aufgereiht. Die AfD hat vier Klagen gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz eingereicht.
In einer weiteren Klage geht es um die Einstufung des sogenannten Flügels in der AfD als gesichert rechtsextremistische Bestrebung. Das vom Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke gegründete Netzwerk wurde inzwischen formal aufgelöst. Außerdem will die AfD erreichen, dass ihre Nachwuchsorganisation nicht mehr als rechtsextremistischer Verdachtsfall gilt. Die Partei will den Verfassungsschutz zudem zwingen, die Aussage zurückzuziehen, der „Flügel“ habe bis zu seiner Auflösung etwa 7000 Mitglieder gehabt.
AfD klagt: Verhandlung in einen Saal der Koelnmesse verlegt
Um trotz der Corona-Pandemie eine angemessene Beteiligung der Öffentlichkeit an dem Verfahren zu ermöglichen, wurde die Verhandlung in einen Saal der Koelnmesse verlegt. Es bestand großes Medieninteresse. Das Verwaltungsgericht hat zwei Tage – Dienstag und Mittwoch – für die Verhandlung angesetzt. Offen ist, ob das Gericht am Ende der Verhandlung direkt eine Entscheidung treffen wird.
Der Berliner Verfassungsrechtler Christoph Möllers hält die Voraussetzungen für eine bundesweite Beobachtung der AfD für gegeben. „Zumindest Teile der AfD zielen eindeutig auf eine Systemveränderung“, sagte Möllers dem „Spiegel“. Der Inlandsgeheimdienst müsse daher die Möglichkeit haben, zu untersuchen, ob die Partei tatsächlich verfassungsfeindlich sei.
Der Einmarsch Russlands in die Ukraine liefere dem Verfassungsschutz dabei zusätzliche Argumente. Viele AfD-Politiker hätten gute Drähte nach Russland und ließen sich immer wieder für Wladimir Putins Propaganda einspannen. „Das Fraternisieren mit Putin ist im jetzigen Konfliktfall ein weiterer Grund für eine Beobachtung“, sagte Möllers. (dpa)