Flaschenpost in DüsseldorfRiesenärger um geplante Betriebsratswahl

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Auf dem Promotionbild sieht der Mitarbeiter von Flaschenpost glücklich aus. In der Düsseldorfer Filiale soll das ganz anders sein - behauptet die Gewerkschaft NGG, die sich über die Behinderung der Betriebsratswahl in der Firma beklagt.

Düsseldorf – Die „New Economy“ boomt. Internetbasierte Dienste schießen überall wie Pilze aus dem Boden. Oft gestützt von finanzstarken Investoren wachsen Firmen wie Deliveroo oder Flaschenpost extrem schnell.

Doch den Preis dafür zahlen oft die Mitarbeiter. Bei Flaschenpost in Düsseldorf sollte deshalb ein Betriebsrat gegründet werden. Aber die Internetfirma greift zu extremen Mitteln, um das zu verhindern.

Streit um Flaschenpost-Betriebsrat: Entlassen, weil sie ihr Recht wahrnehmen wollten?

Torsten A. und Lukas F. (Namen von der Redaktion geändert) können es nicht fassen. Sie sind zwei von acht Mitarbeitern der Flaschenpost Düsseldorf GmbH, die seit wenigen Tagen ohne Job dastehen.

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„Dabei wollten wir nur unsere Rechte wahrnehmen“, sagen die beiden. Ihre Rechte – damit ist die geplante Schaffung eines Betriebsrats gemeint.

Den wollten die Mitarbeiter des New Economy-Unternehmens nämlich wegen der schlechten Arbeitsbedingungen in der Firma gründen.

Streit um Betriebsrat: Flaschenpost ist seit 2016 am Markt

Flaschenpost – das ist ein Startup aus Münster, seit 2016 am Markt. Es ist quasi ein Getränkegroßhandel im Internet.

Wer bestellt, dem garantiert Flaschenpost, dass die Getränke binnen zwei Stunden nach Hause geliefert werden. Angeblich durch eine intelligente Automatisierung in ihren Lagern – so beschreibt es die Firma in einer Selbstdarstellung.

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Die Realität in Düsseldorf soll anders ausgesehen haben. Automatisiert war da nach Angaben der Mitarbeiter wenig.

Streit um Flaschenpost-Betriebsrat: Zu wenig Leute für die zu erledigenden Aufträge?

„Wir hatten zu wenig Leute für zu viele Aufträge. Die Mannschaft, die da war, hätte für 800 Bestellungen am Tag gereicht. Wir hatten aber 1200“, sagt Torsten A.

Die Folge: Vor allem das Leergut, das die Fahrer bei den Kunden mitnahmen, soll sich in den Hallen gestapelt haben, weil nicht genug Manpower dagewesen sei.

Dazu erheben die Mitarbeiter noch ganz andere Vorwürfe: Die Lieferfahrzeuge hätten keine Klimaanlagen gehabt – im heißen Sommer eine Qual.

Es gebe keine schnittfesten Handschuhe und Sicherheitskleidung, keinen Lärmschutz.

„Und der Regionalleiter hat die Arbeitsleistung der Mitarbeiter im Lager über Videokameras beobachtet und bewertet“, sagt ein gekündigter Schichtleiter von Flaschenpost. Das wäre eine Straftat.

Behinderung einer Betriebsratswahl ist eine Straftat

Ebenfalls strafrechtlich relevant ist die Behinderung bei der Gründung und Wahl eines Betriebsrates. Das wollten die Mitarbeiter Ende 2019 nämlich durchsetzen.

Mit Hilfe der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG) in Düsseldorf wurde Ende Januar ein Wahlvorstand für die Betriebsratswahl von den Mitarbeitern gewählt.

Kurze Zeit später ging Flaschenpost dagegen mit einer Einstweiligen Verfügung vor, die vom Gericht abgeschmettert wurde.

Gerade zum Wahlvorstand bestimmt, dann entlassen

Zeitgleich wurden allerdings den gewählten Wahlvorstände und anderen Aktivisten gekündigt. Erst fristgerecht, dann fristlos.

„Das ist völlig haltlos. Denn es gab keine Abmahnungen oder Gespräche wegen angeblicher Schlechtleistungen mit den Mitarbeitern, so wie es gesetzlich vorgeschrieben ist“, erklärthamed Boudih, Landesbezirksvorsitzender der NGG NRW.

„Es geht um Einschüchterung, es geht um die Vernichtung von Existenzen“, sagt Boudih. Doch die Belegschaft scheint fest entschlossen zu sein, nicht aufzugeben. Die Betriebsratswahl soll jetzt am 2. April stattfinden.

In der New Economy ist die Ablehnung von Betriebsräten weit verbreitet

„Es ist leider ein zu beobachtendes Phänomen vor allem in der New Economy, dass Betriebsratswahlen auf solche Art und Weise verhindert werden sollen. Man habe ja flache Hierarchien, duze sich, alles sei toll. Doch das ist natürlich nicht so“, erklärt Boudih.

Die fehlende Arbeitnehmervertretung macht sich auch bei den Löhnen bemerkbar. Da kein Tarifvertrag existiert, gehen die Auslieferungsfahrer in vielen Fällen mit maximal 1800 Euro brutto nach Hause.

Ein Schichtleiter, der die Verantwortung für den gesamten Arbeitsablauf in seiner Schicht hat, kriegt 2600 Euro brutto.

„Der perfekte Studentenjob", wirbt die Firma. Eine Familie könnte man von den Gehältern in Düsseldorf auch kaum ernähren.

Gewerkschaft NGG hat Strafanzeige gegen Flaschenpost gestellt

Boudih hat im Namen der Gewerkschaft jetzt Strafanzeige gegen Flaschenpost wegen Verstoßes gegen das Betriebsverfassungsgesetz erstattet.

Die gekündigten Mitarbeiter klagen gegen ihre Entlassung und auf Wiedereinstellung. Einige von ihnen sind immer noch Kandidaten für den Betriebsrat. Gewählt werden dürfen sie, gewinnen sie ihre Klagen, müssen sie von Flaschenpost wieder eingestellt werden. Selbst mitwählen dürfen sie aber nicht.

Flaschenpost nimmt zu den Vorwürfen Stellung

Update: Flaschenpost hat zu den Vorwürfen der NGG und der Mitarbeiter Stellung genommen.

Das Unternehmen weist den vorgeworfenen Versuch, die Gründung eines Betriebsrates zu verhindern, von sich. „Wir möchten an dieser Stelle deutlich klarstellen, dass wir die Betriebsratswahl nicht verhindert haben, noch dies in Zukunft tun werden. Wir verlangen aber von der NGG eine faire Wahl. Diese setzt voraus, dass alle Mitarbeiter die Möglichkeit haben, von der Wahl Kenntnis zu bekommen und gegebenenfalls daran teilnehmen zu können", sagt Sprecherin Sabine Angelkorte.

Die NGG habe zwischen Einladung und Wahl des Wahlvorstandes nur neun Tage Zeit gelassen, das sei zu kurz. „Das Wahlverfahren des Betriebsrats wies Gesetzesverstöße auf, da nicht alle Mitarbeiter involviert waren", so das Unternehmen. Auf diesen Vorwurf bezog sich auch die Einstweilige Verfügung, die Flaschenpost gegen die Wahl erwirken wollte. Die wurde vom Gericht aber eindeutig zurückgewiesen und das Wahlprozedere der NGG als gesetzeskonform festgestellt.

„Die Entlassungen der Mitarbeiter, die sich für Mitbestimmung engagieren, begründet Flaschenpost mit mangelnder Leistung. Die Personalentscheidungen am Standort Düsseldorf betrafen ausschließlich Führungskräfte des Standortes und waren in der mehr als mangelhaften Führung des Standortes begründet, welche eine Prüfung vor Ort deutlich sichtbar gemacht hat", erklärt die Sprecherin.

Nach Angaben der Mitarbeiter haben sie aber für das letzte Quartal 2019 noch ihren Teambonus bekommen, der für gute Leistungen ausgezahlt würde. Wenige Tage später wurden sie dann wegen Schlechtleistung gekündigt - ohne vorige Abmahnung.