Todes-Feier in DüsseldorfAn Karneval erlebt Obdachloser Gerd das Trauma seines Lebens

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Gerd (52) aus Düsseldorf rutschte nach einem Familiendrama erst in die Sucht, dann in die Obdachlosigkeit. Dank „Housing First“ hat er jetzt wieder ein Dach über dem Kopf.

von Martin Gätke (mg)

Düsseldorf – Die Vox-Miniserie „Obdachlos – Einzug in ein neues Leben“ bewegt ganz Deutschland. Die Reportage über mehrere Düsseldorfer Obdachlose, die durch die Hilfsorganisation „fiftyfifty“ nach Jahren endlich wieder ein Dach über dem Kopf haben, berührt jeden Zuschauer.

Dienstagabend um 20.15 Uhr zeigt Vox (auch abrufbar auf TV NOW) die zweite Folge der dreiteiligen Serie. Und wieder sind es vor allem die persönlichen Schicksale, die eine emotionale Verbindung zu den Menschen schaffen.

Düsseldorf: Das Schicksal von Ela (45) schockte ganz Deutschland

In der vergangenen Woche schockte das Schicksal von Ela, die grausame Dinge erlebt hat. „Mit acht Jahren hat mich meine Mutter anschaffen geschickt. Mit dreizehn bin ich dann an Heroin und Kokain gekommen“, berichtet die heute 45-Jährige.

Hier lesen Sie mehr: Mit acht Jahren Anschaffen geschickt Düsseldorfer Obdachlose erzählt Horror-Geschichte.

In der Folge am Dienstag (18. Februar) lernen wir zum ersten Mal Gerd (52) kennen. Seit neun Jahren lebt er auf der Straße, kämpft jeden Tag aufs Neue um ein würdevolles Leben.

Obdachlos in Düsseldorf: Gerds Kampf um ein bisschen Würde

Während der Dreharbeiten im Hochsommer begleitet das Kamerateam Gerd an den Rhein, wo er sich auszieht und wäscht. „Ich will einfach nicht stinken”, erklärt er. „Viele denken, ein Leben in Obdachlosigkeit zu führen, das ist, als wenn man zelten gehen würde. Das ist aber nicht wie zelten”, fährt er fort. Er wischt sich Tränen aus den Augen. „Mir fehlen die Worte.”

Doch Gerd weiß, dass Selbstmitleid nicht hilft. „Sonst kann ich mir gleich den Strick nehmen”, sagt er. „Und diese Gedanken hatte ich schon mal.”

Zusammen mit Vox besucht Gerd die Orte seiner Kindheit. Als er an dem ehemaligen Wohnhaus seiner Familie vorbeikommt, kommen Erinnerungen in ihm hoch.

„Obdachlos – Einzug in ein neues Leben“: Gerd berichtet von traumatischem Erlebnis

„Ich hatte eine tolle Kindheit”, sagt Gerd. „Ich musste an Weihnachten singen, musste Gedichte aufsagen. Die schönste Zeit im Leben hatte ich aber mit meinem Papa.” Wieder fließen bei Gerd die Tränen. „Immer wenn er von der Arbeit nach Hause gekommen ist, bin ich freudig zu ihm an die Tür gerannt. Dann haben wir etwas unternommen.”

Sein Vater war der wichtigste Mensch in Gerds Leben. Doch ausgerechnet an Karneval wurde dieser Mensch aus seinem Leben gerissen. Er sei gerade sieben Jahre alt gewesen, als es passierte. „In einer Kneipe, meine Eltern waren gerade im Lokal. Da kam ein Idiot herein, hat mit einer Waffe herumgespielt. Es hat erst ein paar Mal 'klick', 'klick', 'klick' gemacht, dann sind Schüsse gefallen. Mein Vater wurde in die Seite getroffen”, erinnert sich Gerd. 

Obdachloser Gerd ist nach dem Tod des Vaters in ein Loch gefallen

Er sei dann schwer verletzt ins Krankenhaus gekommen. „Eine Woche später ist mein Vater verstorben.” Ein traumatisches Erlebnis. „Das werde ich nie vergessen”, sagt Gerd. „Nach dem Tod meines Vaters bin ich in ein tiefes Loch gefallen.”

Als Jugendlicher sei Gerd dann abgestürzt, erklärt er. „Ich bin auf den Tod nicht klar gekommen.” Er hat Drogen genommen, „damit es nicht so wehtut.” Hat auch selbst Haschisch und Marihuana verkauft. Der gelernte Metzger habe sein Leben nie so richtig auf die Reihe bekommen, sei immer wieder rausgeschmissen worden. „Seitdem lebe ich auf der Straße.”

Obdachloser Gerd findet Wohnung im Süden Düsseldorfs

Neun Jahre sind vergangen, jetzt will Gerd seinen großen Traum erfüllen: eine eigene Wohnung. Gerade als er nach einem Zusammenbruch im Krankenhaus liegt, als er sich auf einem seelischen und körperlichen Tiefpunkt befindet, kommt die gute Nachricht. Über das Programm „Housing First“ von fiftyfifty hat er tatsächlich ein Wohnung bekommen, im Süden Düsseldorfs. Er kann wieder sesshaft werden. Wird er die Chance nutzen?

Die Obdachlosen werden von der vom Düsseldorfer Galeristen Hubert Ostendorf gegründeten Hilfsorganisation vorbehaltlos in Wohnungen untergebracht.

Bei „Housing First“ wird erst die Wohnung besorgt, dann die Probleme der Menschen angegangen

Im Gegensatz zu anderen Hilfsangeboten müssen die Obdachlosen nicht zuerst ihre Suchtprobleme bekämpfen, bevor sie eine Wohnung bekommen. Bei Housing First ist es anders herum. „Erst die Wohnung, dann kann man auch besser seine Probleme angehen“, erklärt Ostendorf.

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Jahrelang obdachlos, durch „Housing First“ wieder in den eigenen vier Wänden: Nici (36). Die zweifache Mutter fand sogar wieder einen Job. Das wird heute in der Vox-Serie „Obdachlos – Einzug in ein neues Leben“ gezeigt.

Wie sehr dieses Konzept wirkt, wird in der heutigen Folge gezeigt. Denn es gibt auch gute Nachrichten. Nici (36), Mutter von zwei Söhnen, schafft durch Housing First nicht nur den Sprung aus der Obdachlosigkeit, sie findet sogar nach Jahren der Arbeitslosigkeit einen neuen Job.

Und Chris (28) stürzt sich nach seinem Einzug in ein von der Stadt zur Verfügung gestelltes Haus im dörflichen Düsseldorfer Vorort Hamm mit voller Energie in die Gartenarbeit.

Düsseldorf: Bei der Preview der Obdachlosen-Doku mussten die Protagonisten selbst weinen

Am Dienstagnachmittag durften die Protagonisten der Sendung die Folge vorab schon mal schauen. Und auch bei ihnen wurde es sehr emotional. „Es wurde viel geweint“, sagt fiftyfifty-Streetworker Oliver Ongaro.

Die vor einer Woche ausgestrahlte erste Folge hat der Hilfsorganisation auf jeden Fall schon enorme Aufmerksamkeit gebracht. „Unglaublich, wie viele Menschen sich bei uns gemeldet haben“, sagt Ongaro.

Düsseldorf: Durch die VOX-Serie melden sich viele Spender bei fiftyfifty

Darunter wirklich großzügige Angebote. „Ein Mann rief an und erzählte uns, dass er eine Garage voll neuwertiger Möbel und Fernseher hat. Die dürfen wir leerräumen und unsere Wohnungen einrichten“, sagt Ongaro.

Damit das Programm auch in Zukunft erfolgreich ist. Als Starthilfe in ein neues Leben. „Mit der Wohnung beginnt erst der Weg“, sagt Ongaro.